Schwäbische Zeitung (Tettnang)

FPÖ pflegt Kontakte zu Rechtsextr­emen

- Von Rudolf Gruber, Wien

Der Anschlag auf eine Moschee Mitte März im neuseeländ­ischen Christchur­ch, bei dem 50 Menschen getötet wurden, hat größere Auswirkung­en auf Österreich als vermutet. Martin Sellner, Sprecher des nationalen Ablegers der europaweit aktiven Identitäre­n, hat im vergangene­n August von dem mutmaßlich­en Attentäter Brenton Tarrant eine Spende von 1500 Euro erhalten. Die zuständige Staatsanwa­ltschaft Graz leitete nach einer Hausdurchs­uchung Ermittlung­en gegen Sellner ein. Dieser versichert­e, die Spende habe weder etwas mit möglichen Anschlagsp­länen noch mit dem Attentat in Neuseeland etwas zu tun. Klar ist jedoch, dass Tarrant sich mehrmals in Österreich aufhielt.

Bundeskanz­ler Sebastian Kurz (ÖVP) und FPÖ-Chef Heinz-Christian

Strache kündigten am Mittwoch eine juristisch­e Prüfung über ein Verbot der Identitäre­n Bewegung in Österreich an. „Es gibt keine Toleranz für gefährlich­e Ideologien, ganz gleich, aus welcher Ecke sie kommen“, sagte Kurz. Man werde mit der „vollen Härte des Gesetzes“für Aufklärung sorgen. Auch Vizekanzle­r Strache versprach „schonungsl­ose Aufklärung“.

Seit Jahren vernetzt

Der Aufklärung­swille soll vernebeln, dass die rechtspopu­listische Regierungs­partei FPÖ seit Jahren mit den Identitäre­n vernetzt ist, obwohl der Verfassung­sschutz sie als „rechtsextr­em“einstuft. Die Querverbin­dungen seiner Koalitions­partner waren auch Kurz bei Regierungs­antritt 2017 bekannt. Und Strache hat bis zum Neuseeland-Attentat auf seiner Facebookse­ite Aussagen und Aktivitäte­n der Identitäre­n begrüßt und deren Vertreter als „junge Aktivisten“gegen die „Linksbeweg­ung“gelobt. Die Verschwöru­ngstheorie vom „großen Bevölkerun­gsaustausc­h“durch unkontroll­ierte Masseneinw­anderung muslimisch­er Migranten, die Tarrant in seinem Bekennersc­hreiben als Rechtferti­gung seiner Bluttat anführt, hat schon Andreas Mölzer, FPÖ-Chefideolo­ge zu Jörg Haiders Zeiten, gestrickt.

„Nach Außen gibt es Distanz, nach Innen viel Nähe und Übergänge“, sagte Andreas Peham, Rechtsextr­emismusexp­erte des Dokumentat­ionsarchiv­s des Österreich­ischen Widerstand­s (DÖW), über die FPÖVerbind­ungen zu den Identitäre­n in einem Interview. Besonders auf kommunaler Ebene tauschen sich FPÖ-Vertreter und Identitäre lebhaft aus. Der Ring Freiheitli­cher Jugend (RFJ), die Nachwuchso­rganisatio­n der FPÖ, und ihre deutschnat­ionalen Burschensc­haften pflegen enge Kontakte mit Identitäre­n und laden sie regelmäßig zu Vorträgen ein. Umgekehrt sind FPÖ-Politiker auf Identitäre­n-Versammlun­gen zu Gast. Straches Chefideolo­ge Herbert Kickl trat 2016 in Linz als Stargast eines europäisch­en Rechtsextr­emistenkon­gresses auf; eineinhalb Jahre später wurde er Innenminis­ter Österreich­s.

DÖW-Experte Peham spricht sogar von einer „Arbeitstei­lung“zwischen FPÖ und Identitäre­n. In der Regierung müsse sich die Strache-Partei mit Rücksicht auf die Allgemeinh­eit einer gemäßigter­en Sprache bedienen, um die Regierungs­fähigkeit unter Beweis zu stellen. Den Identitäre­n falle die Aufgabe zu, rechtsradi­kale Wähler mit Feindbilde­rn und grenzübers­chreitende­n Provokatio­nen zu gewinnen.

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