Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Bleibeperspektive für Flüchtlinge
Südwesten will geduldete Asylbewerber mit Arbeit nicht mehr abschieben
RAVENSBURG/STUTTGART - Integrierte Flüchtlinge mit Arbeitsvertrag sollen in Baden-Württemberg künftig eine Bleibeperspektive erhalten. Wie Landesinnenminister Thomas Strobl (CDU) am Mittwoch ankündigte, will die grün-schwarze Regierung in Stuttgart damit für Flüchtlinge, die seit mindestens 18 Monaten arbeiten, ihren Lebensunterhalt selbst verdienen und seit zwölf Monaten geduldet sind, eine längerfristige Bleibeperspektive schaffen. Zudem müssen demnach zuvor alle „zumutbaren Maßnahmen“zu einer Identitätsklärung ergriffen worden sein.
Nach Nordrhein-Westfalen ist Baden-Württemberg das zweite Land, das mit einer eigenen Regelung der stockenden Gesetzgebung im Bund vorgreift. Die Bundesregierung arbeitet derzeit an einer Gesetzesänderung, die integrierten Ausländern eine Bleibemöglichkeit bietet. Die eigentlich für März erwartete Bundestagsberatung des vom Bundeskabinett im Dezember vorgelegten Fachkräftezuwanderungsgesetzes fand jedoch noch nicht statt.
„Es ist gut, dass sich mit dem heute veröffentlichten Erlass auch der Innenminister zu einer klaren Bleibeperspektive für gut integrierte Geflüchtete bekennt. Das ist das richtige Signal zur richtigen Zeit“, kommentierte Sozialminister Manne Luche (Grüne) den Vorstoß.
Strobl reagiert damit auch auf Druck aus der Wirtschaft. „Wir tun das jetzt – und warten nicht erst die geplante bundesgesetzliche Regelung ab“, erklärte er. Insbesondere Familienbetriebe, Mittelstand und Handwerk fordern eine solche Regelung seit Langem.
Wirtschaft begrüßt Vorstoß
„Es ist sehr zu begrüßen, dass BadenWürttemberg jetzt voranschreitet und nicht erst auf die nationale Gesetzgebung wartet“, sagte VaudeChefin Antje von Dewitz im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“. Von Dewitz hatte zusammen mit Gottfried Härle, dem Geschäftsführer der Brauerei Härle aus Leutkirch, die Initiative Bleiberecht ins Leben gerufen. Sie setzen sich dafür ein, dass Flüchtlinge, die eine Arbeit haben, in Deutschland bleiben dürfen. Inzwischen stehen deutschlandweit rund 150 Unternehmen und Handwerker sowie drei Verbände hinter der Initiative.
Von Dewitz zufolge habe Strobls Vorstoß leider einen großen Haken: Viele Geflüchtete, die bereits Arbeit gefunden haben, befänden sich nicht im Status der Duldung, sondern noch im Status der Gestattung. Sie würden damit nicht von dieser Regelung profitieren. „Für die meisten Geflüchteten in Arbeit sowie für deren Arbeitgeber wird die Unsicherheit bestehen bleiben“, so von Dewitz.
Auf diese Problematik wieß auch Landeshandwerkspräsident Rainer Reichhold hin. „Wir wünschen uns hier eine Verkürzung der Frist“, sagte Landeshandwerkspräsident Rainer Reichhold auf die Ankündigung von Strobl und kritisierte die aus Sicht des Handwerks zu restriktiven Kriterien.
Auch der baden-württembergische Industrie- und Handelskammertag (BWIHK) begrüßte den Vorstoß des Innenministeriums. „Der Vorgriffserlass ist ein guter und wichtiger Schritt zur Fachkräftesicherung und ganz im Sinne der Unternehmen. Er ist nicht nur aus menschlicher Sicht richtig und gut, er hilft den Betrieben bei der Beschäftigungsplanung und sichert Investitionen in die Zukunft“, sagte BWIHK-Vizepräsidentin Marjoke Breuning.