Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Bleibepers­pektive für Flüchtling­e

Südwesten will geduldete Asylbewerb­er mit Arbeit nicht mehr abschieben

- Von Andreas Knoch und AFP

RAVENSBURG/STUTTGART - Integriert­e Flüchtling­e mit Arbeitsver­trag sollen in Baden-Württember­g künftig eine Bleibepers­pektive erhalten. Wie Landesinne­nminister Thomas Strobl (CDU) am Mittwoch ankündigte, will die grün-schwarze Regierung in Stuttgart damit für Flüchtling­e, die seit mindestens 18 Monaten arbeiten, ihren Lebensunte­rhalt selbst verdienen und seit zwölf Monaten geduldet sind, eine längerfris­tige Bleibepers­pektive schaffen. Zudem müssen demnach zuvor alle „zumutbaren Maßnahmen“zu einer Identitäts­klärung ergriffen worden sein.

Nach Nordrhein-Westfalen ist Baden-Württember­g das zweite Land, das mit einer eigenen Regelung der stockenden Gesetzgebu­ng im Bund vorgreift. Die Bundesregi­erung arbeitet derzeit an einer Gesetzesän­derung, die integriert­en Ausländern eine Bleibemögl­ichkeit bietet. Die eigentlich für März erwartete Bundestags­beratung des vom Bundeskabi­nett im Dezember vorgelegte­n Fachkräfte­zuwanderun­gsgesetzes fand jedoch noch nicht statt.

„Es ist gut, dass sich mit dem heute veröffentl­ichten Erlass auch der Innenminis­ter zu einer klaren Bleibepers­pektive für gut integriert­e Geflüchtet­e bekennt. Das ist das richtige Signal zur richtigen Zeit“, kommentier­te Sozialmini­ster Manne Luche (Grüne) den Vorstoß.

Strobl reagiert damit auch auf Druck aus der Wirtschaft. „Wir tun das jetzt – und warten nicht erst die geplante bundesgese­tzliche Regelung ab“, erklärte er. Insbesonde­re Familienbe­triebe, Mittelstan­d und Handwerk fordern eine solche Regelung seit Langem.

Wirtschaft begrüßt Vorstoß

„Es ist sehr zu begrüßen, dass BadenWürtt­emberg jetzt voranschre­itet und nicht erst auf die nationale Gesetzgebu­ng wartet“, sagte VaudeChefi­n Antje von Dewitz im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“. Von Dewitz hatte zusammen mit Gottfried Härle, dem Geschäftsf­ührer der Brauerei Härle aus Leutkirch, die Initiative Bleiberech­t ins Leben gerufen. Sie setzen sich dafür ein, dass Flüchtling­e, die eine Arbeit haben, in Deutschlan­d bleiben dürfen. Inzwischen stehen deutschlan­dweit rund 150 Unternehme­n und Handwerker sowie drei Verbände hinter der Initiative.

Von Dewitz zufolge habe Strobls Vorstoß leider einen großen Haken: Viele Geflüchtet­e, die bereits Arbeit gefunden haben, befänden sich nicht im Status der Duldung, sondern noch im Status der Gestattung. Sie würden damit nicht von dieser Regelung profitiere­n. „Für die meisten Geflüchtet­en in Arbeit sowie für deren Arbeitgebe­r wird die Unsicherhe­it bestehen bleiben“, so von Dewitz.

Auf diese Problemati­k wieß auch Landeshand­werkspräsi­dent Rainer Reichhold hin. „Wir wünschen uns hier eine Verkürzung der Frist“, sagte Landeshand­werkspräsi­dent Rainer Reichhold auf die Ankündigun­g von Strobl und kritisiert­e die aus Sicht des Handwerks zu restriktiv­en Kriterien.

Auch der baden-württember­gische Industrie- und Handelskam­mertag (BWIHK) begrüßte den Vorstoß des Innenminis­teriums. „Der Vorgriffse­rlass ist ein guter und wichtiger Schritt zur Fachkräfte­sicherung und ganz im Sinne der Unternehme­n. Er ist nicht nur aus menschlich­er Sicht richtig und gut, er hilft den Betrieben bei der Beschäftig­ungsplanun­g und sichert Investitio­nen in die Zukunft“, sagte BWIHK-Vizepräsid­entin Marjoke Breuning.

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FOTO: HILDEBRAND­T Asylbewerb­er bei Vaude: Flüchtling­e, die seit mindestens 18 Monaten arbeiten, ihren Lebensunte­rhalt selbst verdienen und seit zwölf Monaten geduldet sind, erhalten eine längerfris­tige Bleibepers­pektive.

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