Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Punk mit Gefühl
„Weil du nur einmal lebst – Die Toten Hosen auf Tour“: Mitreißende Konzertausschnitte und nachdenkliche Töne
Bei ihrem ersten Konzert 1982 in Bremen wurden sie noch irrtümlicherweise als „Die Toten Hasen“angekündigt. 37 Jahre und geschätzte 2000 Konzerte später gehören Die Toten Hosen längst zu den wichtigsten Bands des Landes. Mit welcher Kraft und Leidenschaft die Düsseldorfer heute noch unterwegs sind, zeigt der Dokumentarfilm „Weil du nur einmal lebst“.
Die Ursprünge der Toten Hosen liegen in der Blütezeit des Punk. Die Musiker grenzten sich mit ihren bunten Outfits und ihrer Musik schon früh von der schwarzen Düsternis der Bewegung ab und wurden damit zu den ersten deutschen Vertretern des Fun-Punk. Seit Jahren füllen sie große Hallen und bewegen sich mit Hymnen wie „Tage wie diese“textlich eher auf der Höhe des neudeutschen Gefühligkeits-Pop von Max Giesinger & Co.
Regisseurin Cordula Kablitz-Post folgte den Musikern auf der Tour mit dem Titel „Weil du nur einmal lebst“im Jahr 2018, die die Band kreuz und quer durch die Republik, aber auch nach Argentinien führte. Die erzählerischen Elemente sind vertraut: Konzertmitschnitte wechseln mit Aufbau-, Backstage-und Probensequenzen, Szenen von den Überlandfahrten
im Tour-Bus mit Momenten, in denen sich die Bandmitglieder über ihre Befindlichkeiten äußern. Vom ersten Moment an wird deutlich, dass in der Band auch jenseits der Bühne nur einer das Sagen hat: jener Andreas Frege, der bereits als Schüler Campino gerufen wurde. Die beiden Gitarristen hören auf Namen wie Breiti und Kuddel und finden das offenbar ganz okay. Die Musiker machen auch keinen Hehl daraus, dass sie keine begnadeten Instrumentalisten sind, sondern auch alte Gassenhauer immer wieder proben müssen.
Das Salz in der Suppe sind in „Weil du nur einmal lebst“die mitreißenden Konzertmitschnitte, in denen sich viel von der Energie der Auftritte vermittelt. Das funktioniert vor allem deshalb, weil Cordula Kablitz-Post mit Paul Dugdale einen erfahrenen Co-Regisseur verpflichtet hat, der schon eine Vielzahl von Musikvideos und Konzertmitschnitten internationaler Pop-Größen realisiert hat.
Ein dramatischer Einschnitt während der Tour – aber rückblickend ein Glücksfall für die Produktion – war der Hörsturz von Campino bei einem Konzert in der Berliner Waldbühne. Die anschließenden Szenen gehören zu den stärksten. Plötzlich sieht man den Sänger zerknirscht Kräutertee nippen und wird Zeuge, wie er sich nicht nur um seine eigene Zukunft als Frontmann sorgt.
Im letzten Viertel landet der Film in Argentinien, wo die Toten Hosen seit Jahrzehnten Kultstatus genießen, weil sie nach dem Ende der Militärdiktatur eine der ersten ausländischen Gruppen waren, die hier auftraten. Der Film kommt den Musikern ziemlich nahe, ohne dass diese intime Einblicke in ihr Privatleben gewähren würden. Zugleich kann man sich aber des Eindrucks nicht erwehren, dass es keine einzige Sequenz gibt, die Campino nicht abgesegnet hat. Insofern verströmt der Film auch etwas vom Flair eines distanzlosen PR-Films. (KNA/dpa)
Weil du nur einmal lebst – Die Toten Hosen auf Tour. Regie: Cordula Kablitz-Post, Paul Dugdale. Deutschland 2019. 112 Minuten. FSK ab 6.