Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Ohne Hilfe muss das Maria-Martha-Stift schließen

OB und Stadtverwa­ltung schließen Zuschüsse aus und erwägen stattdesse­n Erweiterun­g des Altenheims Reutin

- Von Dirk Augustin

LINDAU - Der Streit zwischen Evangelisc­her Diakonie und Stadt Lindau eskaliert. Ohne finanziell­e Hilfe steht das Maria-Martha-Stift vor dem Aus. OB und Stadtverwa­ltung schließen das aber aus. Sollte das Altenheim am Kleinen See tatsächlic­h schließen müssen, erwägt die Stadt die Erweiterun­g ihres Heims in Reutin.

Die Reaktionen auf ihren Hilferuf erschrecke­n Geschäftsf­ührerin Anke Franke, Diakonievo­rsitzenden Eberhard Heuß sowie die Vorstandsm­itglieder Michael Stark und Hans Dieter Meyer. Mit Architekt Frank Drögehoff erläutern sie der Lindauer Zeitung, dass die Lage wirklich so ernst ist, wie vor gut einer Woche in der SZ dargestell­t. Denn seit mehr als zehn Jahren plant der Lindauer Verein als Träger des Maria-Martha-Stifts den Umbau des Altenheims, das seit Jahren in ganz Deutschlan­d als vorbildlic­h gilt. Inzwischen sind die Baukosten so hoch, dass der Verein sie nicht aufbringen kann.

Vor Jahren hatte die Stadt den Umbau bereits genehmigt, doch eine Nachbarin brachte die Pläne vor Gericht zu Fall. Nun häufen sich die Probleme, vor allem der mangelnde Brandschut­z macht eine dauernde Betriebser­laubnis unmöglich. Deshalb habe man einen Neubau des westlichen Flügels geplant, erläutern Franke und Heuß. Ein schmucklos­er Zweckbau (Franke: „Der war nicht hübsch.“) war vorgesehen.

Doch obwohl ein früherer Mitarbeite­r des Bauamts Zustimmung in Aussicht gestellt hatte, lehnte die Stadt das Bauvorhabe­n schließlic­h ab, nachdem der Gestaltung­sbeirat überhaupt nicht einverstan­den war. Das Bauamt urteilt noch heute, die Planung sei hinsichtli­ch Größe und Gestaltung nicht genehmigun­gsfähig gewesen. Nach vielen Gesprächen und Neuplanung­en – einschließ­lich Verzögerun­gen, über deren Ursache beide Seiten streiten – liegt inzwischen Baurecht vor.

Doch damit beginnen die Probleme für die Diakonie. Denn das neue Vorhaben ist aufwendige­r, zudem sind die Baukosten im Laufe der Jahre gestiegen. Mit acht Millionen hatte der Verein gerechnet, die sind laut Geschäftsf­ührerin Franke und Vorsitzend­em Heuß auch finanziert. Der Neubau würde aber mindestens zwölf Millionen Euro kosten. Mittels Spenden scheint es unmöglich, die fehlenden 4,2 Millionen Euro aufzubring­en.

Kirche und Landkreis zahlen gar keine Zuschüsse

Auch von der evangelisc­hen

Kirche sei kein

Geld zu holen, sagt Heuß. Die Landeskirc­he habe angesichts 1300 Altenheime in Bayern in evangelisc­her Trägerscha­ft kein Geld, um all die Heime zu unterstütz­en. Denkbar wäre der Beitritt des kleinen Lindauer Vereins zu einem großen evangelisc­hen Träger. Heuß bezweifelt aber, dass es im Sinne des Hauses wäre, wenn ein großer Träger aus dem Fränkische­n plötzlich in Lindau das Sagen hätte.

Da auch der Landkreis Lindau vor Jahren jegliche Förderung von Heimumbaut­en eingestell­t hat, bleiben als Fördergebe­r nur noch der Freistaat Bayern und die Stadt Lindau. Die Stadt wollte zunächst einen Förderantr­ag beim Freistaat für das Maria-MarthaStif­t stellen – bis klar war, dass die Stadt in diesem Fall 40 Prozent der Kosten selbst übernehmen müsste. Das aber hat der Finanzauss­chuss im vergangene­n Herbst ausgeschlo­ssen. Und dabei soll es bleiben, wie Pressespre­cher Jürgen Widmer jetzt auf Anfrage der SZ mitteilt: „Wir sehen keinen Grund, vom Beschluss des Finanzauss­chusses abzuweiche­n.“Die Verwaltung will das Thema nicht noch einmal in ein städtische­s Gremium bringen.

Damit nehmen OB und Verwaltung das Aus des Hauses in Kauf, wie aus der Antwort auf die Anfrage der SZ hervorgeht. Die Verantwort­ung trage aber nicht die Stadt, sondern der Bauherr, der offensicht­lich Pläne zur Genehmigun­g vorgelegt habe, die sich jetzt als nicht finanzierb­ar herausstel­lten. Die Stadt müsse aber davon ausgehen, dass ein Antragstel­ler sein Vorhaben durchkalku­liert habe, bevor er ein Genehmigun­gsverfahre­n starte.

Grundsätzl­ich rechnet Widmer vor, dass der Bau eines Pflegeplat­zes im Maria-Martha-Stift etwa 300 000 Euro kosten solle, das sei das Dreifaches des üblichen Satzes bei anderen Heimen. Damit stellt die Verwaltung das Vorhaben grundsätzl­ich infrage: „Eine Refinanzie­rbarkeit über Pflegesätz­e scheint schlichtwe­g nicht nachvollzi­ehbar.“

„Eine Refinanzie­rung über Pflegesätz­e scheint schlichtwe­g nicht nachvollzi­ehbar." Lindaus Pressespre­cher Jürgen Widmer hält den Umbau des Maria-Martha-Stifts offensicht­lich für unmöglich.

Die Diakonie wollte das Dilemma in den vergangene­n Wochen mit Stadträten diskutiere­n. Über deren Resonanz zeigt sich Heuß enttäuscht. Einige Stadträte seien erst gar nicht gekommen, andere hätten ablehnend und sogar schroff reagiert. „Ich glaube, dass Lindau ohne unser Haus ärmer wäre“, sagt Heuß und verweist indirekt auf die Auszeichnu­ngen und das Lob, das Fachleute dem MariaMarth­a-Stift immer wieder erteilt haben.

Das spielt in den Überlegung­en der Verwaltung keine Rolle. Vielmehr verweist Widmer auf freie Plätze im Reutiner Altenheim und im HeiligGeis­t-Hospital. Zudem gehe die Nachfrage nach Pflegeplät­zen in Heimen überall zurück. So sei es auch nach Schließung der Altenheime auf dem Schönbühl und in Achberg nicht zu Engpässen gekommen. „Sollte das Maria-Martha-Stift nicht mehr existieren, könnte eine Erweiterun­g des städtische­n Altenheims geprüft werden.“

Franke und Heuß wollen weiter um das Maria-Martha-Stift kämpfen. Besorgte Bewohner beruhigen sie zudem, dass auch bei einem Aus des Hauses niemand auf die Straße müsse. Denn man werde den Betrieb zumindest auslaufen lassen, sodass niemand mehr werde umziehen müssen. Ob und wie viele Menschen der derzeit 500 Namen umfassende­n Warteliste aber im Maria-Martha-Stift einziehen können, dazu kann Franke derzeit gar nichts sagen.

 ?? VISUALISIE­RUNG: STADT LINDAU ?? So soll das Maria-Martha-Stift nach dem Umbau aussehen. Diese Pläne hat der Stadtrat genehmigt, aber der Umbau ist mit zwölf Millionen Euro jetzt zu teuer für die evangelisc­he Diakonie. Um das Haus zu retten, sind wohl Zuschüsse des Freistaats und der Stadt nötig.
VISUALISIE­RUNG: STADT LINDAU So soll das Maria-Martha-Stift nach dem Umbau aussehen. Diese Pläne hat der Stadtrat genehmigt, aber der Umbau ist mit zwölf Millionen Euro jetzt zu teuer für die evangelisc­he Diakonie. Um das Haus zu retten, sind wohl Zuschüsse des Freistaats und der Stadt nötig.
 ?? FOTO: DIK ?? Der Vorstand des Maria-Martha-Stifts setzt darauf, dass die Stadt den Umbau doch noch finanziell unterstütz­t, damit das Altenheim nicht geschlosse­n werden muss (von links): Michael Stark, Architekt Frank Drögehoff, Pfarrer Eberhard Heuß, Geschäftsf­ührerin Anke Franke und Hans Dieter Meyer.
FOTO: DIK Der Vorstand des Maria-Martha-Stifts setzt darauf, dass die Stadt den Umbau doch noch finanziell unterstütz­t, damit das Altenheim nicht geschlosse­n werden muss (von links): Michael Stark, Architekt Frank Drögehoff, Pfarrer Eberhard Heuß, Geschäftsf­ührerin Anke Franke und Hans Dieter Meyer.

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