Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Wo war Thomas Rohmer?
Beim Regionalliga-Spiel blieb der Platz auf der Ulmer Bank leer – Der Spielleiter wollte Bürgermeister werden
ULM - Aus einer Niederlage lernen – der Satz gehört zur Grundausstattung eines jeden Sportlers. Thomas Rohmer (Foto: privat) hat am Wochenende eine Niederlage erlebt, die er abseits des Fußballplatzes einstecken musste. Lernen, so sagte es der Spielleiter des SSV Ulm 1846 Fußball der „Schwäbischen Zeitung“, möchte er daraus aber trotzdem. Schließlich ging es um mehr als Sport. Rohmer bestritt einen politischen Wettkampf in seiner Heimatgemeinde Schwendi. Er wollte Bürgermeister werden. Das hat nicht geklappt. Er hat gerade mal vier Prozent bekommen. Dennoch sagt er: „Es war eine lehrreiche und eine besondere Erfahrung. Wer weiß, wofür es gut ist.“
Was bleibt ist die Abwesenheit bei Ulm: Denn eigentlich verpasst Rohmer keine Partie des Ulmer Regionalligisten. Als Spielleiter ist es seine Aufgabe, sich um die organisatorischen Dinge des Clubs zu kümmern. Wann fährt der Bus zum Auswärtsspiel? Wo übernachtet die Mannschaft? Wohin fährt sie ins Trainingslager und so weiter. Ein Organisationstalent sei er schon als Kind gewesen, erzählt er. Rund zwei Stunden pro Tag, schätzt Rohmer, kostet ihn der Posten. Es gebe Phasen, da sind es mehr und Phasen, da sind es weniger. Nebenher arbeitet er in der Versicherungsbranche, hat ein eigenes Immobilienunternehmen, ist Fußball-Abteilungsleiter bei den Sportfreunden Schwendi und war bis zum Wochenende Bürgermeisterkandidat.
Aber bei allem Stress ein Spiel verpassen? „Das ist nicht meine Art“, sagt er. Am Samstag war es allerdings soweit: Rohmers Platz auf der Bank der Ulmer Spatzen blieb leer. Normalerweise wuselt der Spielleiter bei den Partien durchs Donaustadion, schüttelt Hände, unterhält sich mit den Spielern und organisiert. Beim 1:0-Sieg der Ulmer gegen Mainz II war das nicht so, denn Thomas Rohmer war im Wahlkampf. Das Herz habe ihm geblutet, sagte er. Dass die Ulmer mit 1:0 gewonnen haben, dürfte die Blutung etwas gestillt haben.
Genau vier Prozent aller Wähler votierten für Thomas Rohmer. Von den insgesamt drei Kandidaten heimste er die wenigsten Stimmen ein. „Im ersten Augenblick war das eine kleine Enttäuschung“, erzählt er. Er findet aber auch: „Anzutreten war eine mutige Entscheidung.“Mit 36 ist Rohmer nicht im typischen Bürgermeisteralter und ein politischer Quereinsteiger ohne große Erfahrung ist er obendrein. Als Parteiloser war er ins Rennen gegangen, weil er meinte, dass kommunalpolitische Entscheidungen nicht abhängig von einer Partei sein sollten. Durch seine Kandidatur wollte er sich für seine Heimat stark machen, den Entschluss fasste er in letzter Sekunde.
Am 25. Februar hatte er sich beworben, am letzten Tag der Frist – nur einen Monat vor der Wahl. Vier Wochen also, um einen kompletten Wahlkampf aufzuziehen und Wähler zu mobilisieren. „In den vergangenen vier Wochen war mein Fernseher keine Sekunde lang an“, erzählt er. Intensiv sei die Zeit gewesen und „zum Teil hart“. „Alt, jung, Männlein, Weiblein“– aus jeder Lebenssituation der Bürger in der 6700-Seelengemeinde habe er etwas gelernt. Der Zuspruch der Leute sei groß gewesen. Wie er sich seine Niederlage erklärt? „Vielleicht war ich zu jung oder wegen meiner vielen Aufgaben zu breit gefächert.“Einen weiteren Ausflug in die Politik soll es nicht mehr geben. Gerade weil er so viele Posten hat, mache ihm die Niederlage nicht allzu viel aus. „Die Erde dreht sich weiter.“Im Fußball sowieso.