Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Leon Draisaitl trifft, trifft und trifft – dann regnet es Mützen
Dem Eishockey-Nationalstürmer gelingen beim 8:4 seiner Edmonton Oilers über Los Angeles drei Tore – Noch ein Scorerpunkt fehlt zu 100
EDMONTON (SID/dpa) - Stolz hielt Leon Draisaitl die drei Pucks in die Kamera. „Hat Trick“stand auf jedem einzelnen, schnell mit einem Filzstift auf Klebeband gemalt. „Ein großer Abend“, sagte der deutsche Eishockey-Star der Edmonton Oilers nach seinem ersten Dreierpack in der NHL-Hauptrunde (dort – unabhängig davon, ob in einer Folge erzielt oder nicht – stets als Hattrick gewertet). „Ich habe lange genug dafür gebraucht.“An einem magischen Tag im Rogers Place regnete es gut 90 Sekunden vor der Schlusssirene zum zweiten Mal Mützen von den Rängen, so wie es NHL-Tradition nach einem Hattrick ist. Der 23-jährige Draisaitl hatte zum 8:4-Endstand gegen die Los Angeles Kings getroffen, zuvor waren bereits seinem Teamkollegen Ryan Nugent-Hopkins drei Tore gelungen.
„Es ist großartig, dass verschiedene Jungs ihren Teil beitragen und viele von uns große Nächte erleben“, sagte Draisaitl. Vater Peter, früherer Nationalspieler und bis Mitte Januar Trainer der Kölner Haie, hatte auf der Tribüne allen Grund zum Jubeln. „Das macht Spaß, und wir brauchen das“, sagte Draisaitl junior, er sprach von „wunderschönen Spielzügen von meinen Sturmpartnern – da war es leicht, die Dinger reinzumachen“.
Reicht es noch zu Treffer Nr. 50?
Nach seinen Saisontoren Nummer 44 bis 46 und Vorlage Nummer 53 steht der gebürtige Kölner jetzt bei 99 Scorerpunkten, schon am Donnerstag kann gegen Dallas die 100 fallen. Auch 50 Treffer sind bei sechs weiteren Hauptrundenspielen noch drin. „Ich versuche, nicht darüber nachzudenken“, so Draisaitl. „Ich möchte mir keinen Druck machen.“
Die Oilers schrieben bei Twitter vom „Drat Trick“; den Harley-Davidson-Motorradhelm, der dem Mann des Tages in der Kabine aufgesetzt wird, bekam aber Nugent-Hopkins. Beide hätten ihn verdient gehabt, das Duo schrieb Clubgeschichte: Zuletzt hatten am 20. Dezember 1985 zwei Profis in einer Partie mindestens drei Tore erzielt. Es waren Jari Kurri (vier Treffer) und Paul Coffey (drei) – bei einem 9:4 ... gegen Los Angeles.
Leon Draisaitl hatte im Mai 2017 zwar schon einmal drei Treffer für die Oilers erzielt, damals allerdings in den Play-offs. Da in den Statistiken der nordamerikanischen Profiligen „regular season“und „post season“strikt getrennt werden, gelang ihm jetzt also eine Premiere. Und die Tore konnten sich sehen lassen. Beim 2:1 (5. Minute) umkurvte Draisaitl bei einem Solo alle fünf Gegenspieler und ließ Goalie Jonathan Quick keine Chance. Beim 7:2 (35.) lauerte er am langen Pfosten und schob nach einem Pass cool ein, beim 8:4 (59.) knallte der Nationalspieler den Puck per Direktabnahme wuchtig in die Maschen. „Das nimmt unglaubliche Züge an und ist einfach phänomenal. Ein großer Moment für das deutsche Eishockey“, sagte Franz Reindl. Der Präsident des Deutschen EishockeyBundes ist gerade in seiner Funktion als Exekutivmitglied des Weltverbandes in Nordamerika unterwegs und verfolgte Draisaitls Leistung mit einem Staunen.
Der Deutsche liegt nun auf Rang vier der NHL-Scorerliste, bei den besten Torjägern ist er Zweiter hinter dem russischen Superstar Alex Owetschkin (49 Tore) von den Washington Capitals. Allerdings ist Draisaitl effektiver, 21,9 Prozent seiner Schüsse sind drin, der Stanley-CupChampion steht bei 15,7 Prozent.
Leiden ließ Leon Draisaitl bei seiner Gala ausgerechnet Marco Sturm. Der frühere Bundestrainer ist heute Assistenzcoach bei den Kings, dem schlechtesten Team im Westen, das längst keine Chance mehr hat im Play-off-Rennen. Doch auch für Edmonton wird es eng. Mit 76 Zählern stehen die Kanadier fünf Punkte hinter einem Wildcard-Rang.
Toni Söderholm hofft
Sturms Nachfolger Toni Söderholm („Zu Leon gibt es einfach nichts mehr zu sagen“) hat Draisaitl zuletzt besucht und hofft, dass der Schlüsselspieler bei der WM im Mai in der Slowakei dabei ist. Wird es nichts mit den Play-offs, stößt Leon Draisaitl wohl zur zweiten Vorbereitungsphase Mitte April zum Nationalteam. Mit einem Selbstvertrauen, mit einer Treffsicherheit, die Toni Söderholms Auswahl ganz gewiss brauchen könnte.
Mit einem Reihenkollegen allerdings in Edmonton, den die Nationalmannschaft Leon Draisaitl in dieser Qualität nicht wird bieten können: Connor McDavid – dem mit 112 Punkten zweiterfolgreichsten Spieler der NHL. Toni Söderholm: „Wenn zwei so starke und talentierte Spieler gut miteinander harmonieren, dann geschieht auf dem Eis immer Entscheidendes.“