Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Nach der Unterschrift auf den OP-Tisch
Der teuerste Zugang der Bundesliga ist perfekt – Hernández kommt, fällt aber erst mal aus
MÜNCHEN (dpa) - „Wenn Sie wüssten, wen wir schon alles haben“, hatte Bayern-Präsident Uli Hoeneß kürzlich vollmundig angekündigt. Jetzt hat der zweite Starspieler nach Stuttgarts Benjamin Pavard für die neue Saison unterschrieben. Mit Lucas Hernández treiben die Münchener den geplanten teuersten Umbruch ihrer Geschichte weiter voran. Für die festgeschriebene Ablösesumme von 80 Millionen Euro kommt der französische Weltmeister von Atlético Madrid und wird zum teuersten Spieler der Bundesligageschichte.
„Ich bin sehr glücklich, dass wir in Lucas Hernández einen der besten Defensivspieler der Welt und Weltmeister verpflichten konnten“, sagte Bayern-Sportdirektor Hasan Salihamidzic. Bisheriger Rekordtransfer des Tabellenführers ist Corentin Tolisso, auch Franzose, den sich die Münchner vor zwei Jahren 41,5 Millionen Euro kosten ließen. Jetzt machen die Bayern in einem seitdem freilich noch weiter erhitzten Markt mal eben das Doppelte locker.
Hernández unterschreibt einen Fünfjahresvertrag bis zum 30. Juni 2024. Etwas kurios und – womöglich auch etwas riskant: Da bei der obligatorischen sportmedizinischen Untersuchung eine Schädigung des Innenbandes im rechten Knie festgestellt wurde, kam Hernández noch am Mittwoch in Absprache mit Atlético unters Messer. Zum Saisonstart 2019/20 soll der 23 Jahre alte Verteidiger nach Prognose von Vereinsarzt Hans-Wilhelm MüllerWohlfahrt aber einsatzfähig sein.
Mit dem von Vereinspräsident Uli Hoeneß angekündigten „größten Investitionsprogramm“der Clubgeschichte stoßen die Bayern in neue Dimensionen vor.
Dass die Verpflichtung wenige Tage nach der öffentlich gemachten Zustimmung von Hoeneß und Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge zur Club-WM kommt, lässt sich nur schwer trennen. Irgendwie müssen die Mega-Transfers ja gestemmt werden. Aus dem legendären Festgeldkonto allein können die Münchner derlei Transfers zumindest nicht auf Dauer stemmen.
Und so lässt wohl auch die Aussicht auf neue Geldquellen, wie sie die Club-WM von FIFA-Boss Gianni Infantino verspricht, neue Zeiten beim Rekordmeister anbrechen.
Ein schweres „Nein“an Atlético
Hernández selbst begründete den Wechsel sportlich. „Der FC Bayern München ist einer der besten Clubs in Europa und der Welt. Ich bin stolz, künftig um alle Titel für Bayern kämpfen zu können.“Zugleich betonte der 23-Jährige: „Dies ist die schwierigste und wichtigste Entscheidung, die ich in meiner sportlichen Karriere treffen musste. Atlético bedeutet mir sehr viel, denn hier bin ich als Fußballer und als Mensch groß geworden und der Spieler geworden, der ich heute bin. Es hat mich viel gekostet, „Nein“zu Atlético zu sagen, aber ich entscheide mich für eine neue Herausforderung beim FC Bayern München.“
Hernández, 1996 in Marseille geboren, spielt seit 2007 für Atlético Madrid, durchlief dort alle JuniorenMannschaften und bestritt von der Saison 2014/15 an 110 Pflichtspiele für die Profis. Hernández hatte erst im vergangenen Jahr betont: „Ich fühle mich als Spanier. Spanien hat mir alles gegeben. Ich sage es mal ganz klar: Ich spreche besser Spanisch als Französisch.“Ob er Ähnliches irgendwann über Deutsch sagen kann?
Bei Hernández soll es für Bayern nicht bleiben, dreht sich das Rad des Umbruchs doch bereits weiter. Pavards Zugang für 35 Millionen ist seit Monaten fix. Zudem hat sich der Rekordmeister die Dienste von Jann Fiete Arp (19) vom Zweitligisten Hamburger SV gesichert – der selbst entscheiden kann, ob er 2019 oder 2020 an die Isar wechselt. Den intensiv umworbenen Flügeldribbler Callum Hudson-Odoi will der FC Chelsea laut „Times“selbst dann nicht ziehen lassen, wenn der 18-Jährige seinen bis zum Sommer 2020 befristeten Vertrag nicht verlängert. Danach könnte Hudson-Odoi ablösefrei wechseln. Der englische Nationaltrainer Gareth Southgate ist überzeugt, dass Hudson-Odoi in London gut aufgehoben ist. Doch der frischgebackene Nationalspieler wünscht sich mehr Spielzeit. Mindestens 30 Millionen Euro haben die Münchner geboten. Doch die Geldbörse ist derzeit weiter offen. Mit dem für Leipzig spielenden Stuttgarter Timo Werner sollen die Gespräche weit fortgeschritten sein. Rund 200 Millionen Euro soll Bayern bereit sein, in diesem Sommer an Ablösen auszugeben.
100 Millionen Euro für Havertz
Der nächste Rekordtransfer könnte dann 2020 folgen: Der Leverkusener Kai Havertz ist begehrt. In München, aber nicht nur. Laut „Sport Bild“soll Leverkusen für den 19-Jährigen den Wahnsinnsbetrag von 100 Millionen Euro aufgerufen. Seinen aktuellen Marktwert taxiert „transfermarkt.de“auf 65 Millionen Euro.
Havertz' Bilanz ist eindrucksvoll: In 80 Bundesligaspielen erzielte er 17 Tore und bereitete 19 vor. „Einen soften Umbruch hinzulegen, das ist die Kunst“, hatte Hoeneß bei Sport 1 zuletzt gesagt – womöglich wagt der Rekordmeister nun den radikalen.
„Dies ist die schwierigste und wichtigste Entscheidung, die ich in meiner sportlichen Karriere treffen musste.“