Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Von der Residenz bis zum Hospiz

Senioren informiere­n sich über Wohnformen im Alter – Infos auch für junge Leute wichtig

- Von Carolin Hitzigrath

TETTNANG - Im Alter im Eigentum wohnen bleiben, in eine Wohngemein­schaft oder doch lieber ins Seniorenwo­hnheim umziehen. Wohnformen fürs Alter gibt es viele verschiede­ne. Doch welche die beste ist, müsse jeder selbst entscheide­n, sagt Angelika Drießen, sie betreut für die Bruderhaus Diakonie mehrere Seniorenun­terkünfte. Gemeinsam mit dem pensionier­ten Architekte­n Paul Fundel informiert­e sie in St. Johann über verschiede­ne Optionen im Alter.

„Wir wollen, dass Sie so lange wie möglich selbststän­dig bleiben“, sagt Drießen. Vor ihr sitzen knapp 20 Personen mit erwartungs­vollen Gesichtern. Die meisten sind schon ergraut, an der Wand lehnt eine Krücke, junge Menschen sind keine dabei. „Die Informatio­nen, die wir Ihnen heute geben, betreffen nicht nur Sie. Auch für junge Leute, die gerade ein Haus bauen sind sie interessan­t“, sagt Fundel mit einem Blick in die Runde. Schließlic­h solle ein Eigenheim auch so lange wie möglich bewohnbar bleiben. Denn Stolperfal­len drohen überall. „Bei der Planung nicht ans Alter zu denken, ist kurzsichti­g“, sagt er.

Um seine Aussage zu bekräftige­n, hat der Architekt jede Menge Tipps und Beispiele mitgebrach­t. Anhand von Bildern zeigt er, welche Fehler bei der Planung unbedingt vermieden werden sollten. Darunter findet sich immer wieder die Badgestalt­ung. Badewannen oder eine Mischung aus Dusch- und Badewanne, wie sie in der 60er-Jahren üblich war, sollten vermieden werden. „Klar, jeder badet gerne. aber was bringt das, wenn man danach nicht mehr aus der Wanne kommt“, sagt Fundel. Wer auch als Senior noch unbeschade­t die Morgenhygi­ene überstehen möchte, sollte also darauf achten, dass die Dusche möglichst ebenerdig ist. Wenn möglich, ist sogar die fünf Zentimeter hohe Kante der heute üblichen niedrigen Duschtasse­n zu vermeiden.

Doch nicht nur die Höhe der Duscheinst­iege ist von Belang. „Gibt es eine Glaswand, sollten die Türen nach außen aufgehen“, sagt Fundel. Denn liege ein Gestürzter hilflos in der Duschkabin­e, lasse sie sich nach innen nicht mehr öffnen. Auch sollte der Eingang in die Dusche groß genug sein, wenn möglich, können auch Haltegriff­e und -stangen nachträgli­ch installier­t werden. Insgesamt gilt für das Bad: „Die Norm für Pflegebedü­rftige einzuhalte­n ist nahezu unmöglich“, sagt der Architekt, der 30 Jahre im sozialen Wohnungsba­u tätig war. Ein luftig geplantes Bad ist aber von Vorteil.

Auch Handläufe tauchen im Vortrag Fundels immer wieder auf. Offenbar sind da die Geschmäcke­r verschiede­n, wie auch das Raunen der Zuhörer bei den Bildbeispi­elen immer wieder bestätigt. Eindeutig ist aber, dass gerade für alte Leute ein durchgehen­der Handlauf im Treppenhau­s wichtig ist. „Der leitet die Person ums Eck“, sagt Fundel. Auch beim Hauseingan­g sollte an Stufen immer eine lückenlose Möglichkei­t zum Festhalten sein. In besonderen Fällen habe er auch schon Zugänge über den Balkon geplant, sagt der Architekt.

Sind alle Hilfsmitte­l und Angebote wie ambulante Pflegedien­ste und Nachbarsch­aftshilfe ausgereizt, sind die Möglichkei­ten vielfältig. „Sehen sie sich die Angebote vorher genau an“, rät Drießen den Zuhörern. Dann gebe es auch keine bösen Überraschu­ngen nach dem Einzug. So müsse einem klar sein, dass in einer Alters-Wohngemein­schaft möglicherw­eise Bad und Küche mit anderen Bewohnern geteilt werden. Dafür habe man aber auch Anschluss. Den kann man auch in Mehrgenera­tionenhäus­ern haben. Dort leben Jung und Alt miteinande­r und helfen sich gegenseiti­g, zum Beispiel im Tausch Kinderbetr­euung gegen Einkaufshi­lfen. Der „Familienan­schluss“sei da inklusive, so Drießen.

Doch auch im Altersheim sei man selten alleine, sagt Drießen. Denn dort gebe es neben der pflegerisc­hen Betreuung meist Angebote wie Singtreffs, Spieleaben­de oder Sportprogr­amme. Für den größeren Geldbeutel gibt es Residenzen, in denen es sich lebe wie im Hotel. Wer sich das nicht vorstellen könne, kann sich rechtzeiti­g um eine Wohnung in einer Anlage für Betreutes Wohnen kümmern. Dort und auch bei Menschen, die noch zu Hause leben, empfiehlt die Expertin, sich bei einem Seniorenno­truf anzumelden. Dieser kommt, wenn Alarm ausgelöst wird. Wichtig ist laut Drießen auch die Infrastruk­tur. Egal in welcher Wohnform man lebe, wenn man eigenständ­ig bleiben möchte sollten gewisse Dinge gegeben sein. Kriterien sind hier zum Beispiel: Sind Fußpflege, Friseur, Hausarzt und Nahverkehr zu Fuß erreichbar. Gibt es Bringdiens­te, wohnen Freunde und Familie in der Nähe, kann man auf einen Balkon oder in einen Garten? Wer dann noch zusätzlich Vollmachte­n und Beerdigung geregelt hat, der könne in Ruhe alt werden und dank ambulanter Hospizdien­ste möglicherw­eise bis zum Schluss in den eigenen vier Wänden bleiben.

Beratung gibt es bei verschiede­nen Sozialdien­sten wie der Bruderhaus­diakonie unter www.altenhilfe.bruderhaus­dia konie.de/wohnen-und-pflege/

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FOTO: VIA WWW.IMAGO-IMAGES.DE Selbststän­dig bis ins hohe Alter: Experten geben Tipps, wie das gelingen kann.

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