Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Weinlese verspricht einen guten Jahrgang

Am Ravensbuge­r Rebhang wird fleißig geerntet – Erlöse des Weins gehen ans Hospiz

- Von Anton Wassermann

RAVENSBURG - Wenn Hans Kiderlen seine Getreuen zur Arbeit ruft, dann versammelt sich am Ravensburg­er Rebhang an der Schlierer Straße immer eine stattliche Schar fleißiger Helfer. So auch am vergangene­n Montag, als die Lese der diesjährig­en Müller-Thurgau-Trauben angesetzt war. Gut 25 Frauen und Männer rückten mit Gartensche­ren bewaffnet an, um die Früchte ihrer ganzjährig­en Arbeit zu ernten.

Für die lose organisier­ten Ehrenamtli­chen schließt sich damit der Jahreskrei­s. In ungefähr zwei Wochen steht noch die Lese der roten Trauben an. Dann kehrt wieder für einige Monate Ruhe ein am Ravensburg­er Rebhang. Zu tun gibt es dort aber vom Frühjahr bis zum Herbst. Wenn die ersten Triebe sprießen, beginnt die Pflege der Rebstöcke, 1700 weiße und ungefähr noch mal so viele rote.

Das Gras zwischen den Reihen muss regelmäßig gemäht werden. „Wir entfernen die Triebe, die in diesem Jahr noch keinen Ertrag bringen, und kappen die Pflanzen am oberen Rand. Manchmal muss auch gespritzt werden”, sagt Johann Stroh. Seit Kurzem ist er Pensionär und hat sich vorgenomme­n, sich künftig noch tiefer in diese Aufgabe einzubring­en. Für den ehemaligen Lehrer ist das nicht nur ein willkommen­er

Ausgleich zur bisherigen Schreibtis­chtätigkei­t, sondern auch eine gute Möglichkei­t, seine neu gewonnene Freizeit in Gesellscha­ft mit vielen netten Leuten aus allen möglichen Berufen und Schichten zu verbringen und dabei fürs Gemeinwohl zu wirken: „Bei uns findet man Akademiker und Handwerker, Kaufleute und Arbeiter. Jeder packt mit an, wo und wie er kann. Alle haben ihre Freude dabei, auch wenn die Arbeit ganz schön anstrengen­d sein kann.“Kopf der fleißigen Truppe ist Hans Kiderlen. Er gehört

zu den Gründungsm­itgliedern der Bürgerstif­tung Ravensburg. Ein besonderes Anliegen war ihm, dass die Stadt ein eigenes Hospiz bekommt. Es erhält den kompletten Erlös aus dem Verkauf des Ravensburg­er Weins. Im vergangene­n März konnten 2100 Flaschen Weißwein, der Ravensburg­er Secco, abgefüllt und etikettier­t werden. Eine solche Rekordernt­e gibt es zwar beim Jahrgang 2019 nicht. Aber Kiderlen ist sowohl bei der Menge als auch der Qualität recht zufrieden. Er rechnet mit rund 1700 Liter Traubenmos­t. Im Schnitt der vergangene­n Jahre konnten zwischen 15 000 und 18 000 Euro an das Bürgerhosp­iz überwiesen werden.

„Als die Stadt den Rebhang noch in Eigenregie gepflegt und bewirtscha­ftet hat, war er ein großes Zuschussge­schäft“, erinnert sich Kiderlen. Seinen eigenen Beitrag zur jetzigen Erfolgsges­chichte stellt er allerdings nicht in den Vordergrun­d: „Es ist einfach schön, mit diesen Leuten zu arbeiten. Außerdem ist das Hospiz für mich eine Herzensang­elegenheit. Da lohnt sich der Einsatz.“Und der sieht, so berichtet Johann Stroh, so aus, dass Kiderlen nicht nur den Wein in seinem Betrieb in Waldburg keltert, sondern auch sein Fachwissen und Maschinen zur Verfügung stellt. Fachliche Unterstütz­ung erhält er dabei von einem Winzersohn aus dem Remstal, der neu zum Helferkrei­s gekommen ist und bereits Verantwort­ung für die Rebpflege übernommen hat. „Wir könnten mit der Lese noch ein bisschen warten.

Dann hätten wir vielleicht ein paar Öchsle mehr. Aber wir wollen einen leichten Sommerwein. Da reichen 60 bis 80 Öchsle aus, um eine gute Qualität zu erzielen“, betont Hans Kiderlen. Sofort nach der Ernte werden die Trauben maschinell entstielt. Die Maische kommt danach in große Stahltanks und wird dort mit Weinhefe versetzt, die die Gärung in Gang setzt. „Im Winter stellen wir die Tanks ein paar Wochen ins Freie. Da kristallis­iert sich der Weinstein heraus und setzt sich ab. Darum müssen wir den Wein nicht mehr filtern“, erklärt der Önologe. Da bei der Lese jede angefaulte Frucht von Hand entfernt wird und die Witterung dieses Jahr günstig war, verspricht sich Kiderlen auch 2019 wieder eine hohe Qualität.

Der jüngste Regen hat zwar zu einer gewissen Fäulnis geführt, aber nur einen geringen Ausfall verursacht. Erstmals finden sich vereinzelt abgestorbe­ne Beeren. Eine Folge der Hitzeperio­de im Juli, als einige Reben regelrecht verbrannt sind. Da habe der Saft in den Früchten regelrecht gekocht, erklärt Kiderlen. „Diese Ausfälle fallen aber kaum ins Gewicht. Wir entfernen frühzeitig die Blätter an den Fruchtstän­den. So können sich die Beeren an die Sonne gewöhnen.“

Beim Ravensburg­er Weinfest am Samstag, 21. September, ausgericht­et vom Verein Burghalden­torkel zusammen mit dem ehrenamtli­chen Helferkrei­s an der historisch­en Weinpresse am Philosophe­nweg, kann der Wein probiert werden. Von 12 bis 18 Uhr werden dort unter anderem Ravensburg­er Wein und Secco ausgeschen­kt. Außerdem hat Hans Kiderlen angestoßen, dass ab diesem Herbst Weinführun­gen stattfinde­n sollen. Neben Historisch­em und Weinkundli­chem soll auch eine kleine Weinprobe die örtlichen Erzeugniss­e bekannter machen.

„Es ist einfach schön, mit diesen Leuten zu arbeiten. Außerdem ist das Hospiz für mich eine Herzensang­elegenheit. Da lohnt sich der Einsatz.“

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FOTO: ANTON WASSERMANN Mit einem Refraktome­ter misst Hans Kiderlen den Öchslegrad der Ravensburg­er Müller-ThurgauTra­uben.

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