Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Merkel wirbt in New York für Klimaschutz
Große Koalition verteidigt Paket gegen Kritik – Söder rechnet mit internationaler Beachtung
BERLIN/NEW YORK (dpa) - Wenige Tage nach der Vorstellung des Klimapakets will Kanzlerin Angela Merkel (CDU) heute beim Klimagipfel in New York für den weltweiten Kampf gegen die Erderwärmung werben. Auf internationalem Parkett könnte das Urteil über die deutschen Vorhaben zur Reduzierung des Kohlendioxid-Ausstoßes wesentlich freundlicher ausfallen als zu Hause. Viele Länder haben bisher kaum Programme zum Klimaschutz.
In Deutschland ließen Opposition, Umweltschützer und Wirtschaftsverbände weiter kaum ein gutes Haar an den Plänen der Bundesregierung. Die Grünen kündigten an, über den Bundesrat Änderungen erreichen zu wollen. Die Partei ist derzeit an neun Landesregierungen beteiligt und müsste Teilen des Gesetzespaketes im Bundesrat zustimmen.
Der CSU-Vorsitzende Markus Söder verteidigte dagegen das Klimapaket. Die Kanzlerin werde international große Beachtung für die Pläne Deutschlands finden, sagte Bayerns Ministerpräsident am Sonntagabend in der ARD. „Denn wir sind von den Industrienationen jetzt das Land, das am führendsten vorangeht“, wenn es um Klimaschutz, aber auch Erhalt von Wohlstand und Konjunktur gehe.
Auch Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) nahm die Vorhaben der Regierung in Schutz. Eine Regierung müsse „alle Menschen mitnehmen“und deshalb „Schritt für Schritt“und „überlegt“handeln, sagte sie beim ersten UN-Jugendgipfel für den Klimaschutz in New York.
Die Spitzen der Großen Koalition hatten sich am Freitag auf das milliardenschwere Paket geeinigt. Damit soll Deutschland seine Klimaziele für 2030 erreichen. Als zentrales Element bekommt CO2 einen Preis – anfangs zehn Euro pro Tonne. Von dem Einstiegspreis „sind keine Verhaltensänderungen zu erwarten, hier stand offenbar der Verzicht auf harte Belastungen im Vordergrund“, kritisierte Hubertus Bardt, Geschäftsführer des Instituts der deutschen Wirtschaft, im „Handelsblatt“.
Beim UN-Klimagipfel werden fünf Regierungsmitglieder vertreten sein. Dass dazu drei Regierungsflugzeuge im Einsatz sind, stieß am Wochenende auf Unverständnis. Der GrünenPolitiker Tobias Lindner sprach bei „Spiegel online“von ökologischem Unsinn und Steuergeldverschwendung. Schulze betonte hingegen: „Wir reisen hier alle zu unterschiedlichen Zeitpunkten an, wir haben hier eine Menge Termine.“
NEW YORK - Was er vom Klimagipfel hält, demonstrierte der amerikanische Präsident mit einer Selbstverständlichkeit, als ginge ihn das Thema nichts an. Donald Trump wird wohl am Montag durch Abwesenheit glänzen, wenn sich Staats- und Regierungschefs aus 60 Ländern in seiner Heimatstadt New York zum „Climate Action Summit“versammeln. Zeitgleich wird er auf einer kurzfristig anberaumten Konferenz über Religionsfreiheit reden, ebenfalls im Hauptquartier der Vereinten Nationen, nur eben in einem kleineren Saal. Es ist ein diplomatischer Affront, den Mary Robinson, einst Präsidentin Irlands, heute UN-Hochkommissarin für Menschenrechte, gewollt undiplomatisch kommentiert. „Er will den Ablenkungsfaktor, nehme ich an.“
Eine Phalanx der Skeptiker
Ansonsten dürfte es Gretas Gipfel werden, trotz aller Prominenz, die sich angesagt hat. Frankreich ist durch Emmanuel Macron vertreten, Deutschland durch Angela Merkel, Großbritannien durch Boris Johnson, Indien durch seinen Ministerpräsidenten Narendra Modi, um nur ein paar Namen zu nennen. Doch zu Beginn, beim „Jugenddialog“mit UN-Generalsekretär António Guterres, steht eine 16 Jahre alte Schülerin aus Schweden im Rampenlicht, die vor einem Jahr international unbekannt war: Greta Thunberg, das Gesicht der Bewegung „Fridays for Future“. Es ist der Höhepunkt ihrer Amerikareise, die verhalten begann, dann aber für Paukenschläge sorgte.
Zu sagen, Greta Thunberg hätte die Herzen der Amerikaner im Sturm erobert, wäre sicher übertrieben. So ausgeprägt wie in keinem anderen westlichen Land hält sich die Phalanx der Skeptiker, die das Szenario einer vom Menschen verursachten Erderwärmung für einen Witz halten. Thunberg hat die Lage treffend, in prägnanter Kürze beschrieben. In den USA, sagte sie, fühle es sich an, als rede man über den Klimawandel wie über etwas, an das man entweder glauben oder nicht glauben könne. „Wo ich herkomme, sieht man es eher so: Es ist Fakt.“
So sehr das konservative Amerika mit der Aktivistin fremdelt, das linksliberale Amerika hat in ihr seine neue Ikone gefunden. Als sie am Freitag im Battery Park an der Südspitze Manhattans an ein Pult tritt, redet sie, so schätzen es die Veranstalter, zu einer Viertelmillion Menschen. Es ist die größte Klimademonstration in der Geschichte des Landes, und Thunberg, spricht so unaufgeregt, so ernsthaft, so schnörkellos wie immer. „Wir gehen nicht auf die Straße, unsere Bildung opfernd, damit die Erwachsenen Selfies mit uns machen und uns erzählen können, dass sie wirklich, wirklich bewundern, was wir tun. Wir tun das, damit wir sie zum Handeln zwingen.“Die Politiker, die sich beim Klimagipfel versammelten, hätten nur eine Chance: Sie könnten beweisen, dass sie handeln,.
Tags darauf sitzt sie in einem Kleid mit großen Karos in einem giftgrünen Sessel in der UN-Zentrale, neben ihr, mit demonstrativ offenem Hemdkragen, António Guterres. Jugendklimagipfel heißt die Veranstaltung. Guterres greift auf, was Thunberg im Battery Park sagte. Er klingt wie ihr Echo. Ein Problem, das die Führungskräfte dieser Welt hätten, tadelt er, sei dieses: „Sie reden zu viel, und sie hören nicht genug zu“. Als er 2017 sein Amt antrat, erzählt er, habe er eine gewisse Apathie in der Klimapolitik beobachtet, im merkwürdigen Kontrast zu dramatischen Naturereignissen. Nun aber, mit der Jugendbewegung, spüre er neuen Schwung, auch wenn es noch immer so aussehe, als verliere man das Rennen. „Ich möchte Sie darin bestärken, dass Sie meine Generation herausfordern“, sagt der Portugiese, an Thunberg gewandt. „Meine Generation hat im Großen und Ganzen versagt.“
Der Auftakt war eher bescheiden
Angefangen hatte es eher bescheiden. Als die Aktivistin an einem schwülheißen Augusttag, an Bord des Segelschiffs Malizia II, den Yachthafen von New York erreichte, waren es mehr Medienvertreter als Sympathisanten, die gekommen waren, um sie zu begrüßen. Dann aber saß sie am Tisch des Satirikers Trevor Noah im Studio der „Daily Show“. Übers Fernsehen erreichte sie erstmals ein größeres Publikum, danach schrieben manche Kolumnisten von einem Zusammenprall der Kulturen. Im amerikanischen Diskurs, wo man gern ausschmückt, schnell zum Superlativ neigt, sind derart trockene, nüchterne Beiträge die Ausnahme. Auch das erklärt die Faszination für Greta Thunberg.
„Wie und wo sie auftritt, interessiert mich ehrlich gesagt nicht“, antwortete sie bei Noah auf eine Frage nach ihrer Mutter. Einst Opernsängerin, flog sie um die Welt. Nun, da sie aufs Fliegen verzichtet, singt sie Musicals. „Sie musste ihre Karrierepläne ändern, aber so schlimm war das nun auch wieder nicht“, sagt ihre Tochter. Im Kongress in Washington, wo sie ihre Rede auf eine Minute beschränkte und anstelle eines Statements eine UN-Studie zur globalen Erwärmung einreichte, klang sie wie eine genervte Lehrerin, die nicht begreift, dass manche es einfach nicht begreifen. „Ich sehe keinen Grund, nicht auf die Wissenschaft zu hören. Das ist keine politische Frage, hier geht es um Wissenschaft.“Und als Barack Obama sie mit den Worten lobte, dass sie beide ein Team seien, antwortete sie mit nichts als einem knappen „Ja“. Greta sei die Jeanne d’Arc des Klimawandels, schrieb neulich das Magazin „New York“. Vielleicht hat Thunberg geschmunzelt über die typisch amerikanische Großspurigkeit.