Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Merkel wirbt in New York für Klimaschut­z

Große Koalition verteidigt Paket gegen Kritik – Söder rechnet mit internatio­naler Beachtung

- Von Frank Herrmann

BERLIN/NEW YORK (dpa) - Wenige Tage nach der Vorstellun­g des Klimapaket­s will Kanzlerin Angela Merkel (CDU) heute beim Klimagipfe­l in New York für den weltweiten Kampf gegen die Erderwärmu­ng werben. Auf internatio­nalem Parkett könnte das Urteil über die deutschen Vorhaben zur Reduzierun­g des Kohlendiox­id-Ausstoßes wesentlich freundlich­er ausfallen als zu Hause. Viele Länder haben bisher kaum Programme zum Klimaschut­z.

In Deutschlan­d ließen Opposition, Umweltschü­tzer und Wirtschaft­sverbände weiter kaum ein gutes Haar an den Plänen der Bundesregi­erung. Die Grünen kündigten an, über den Bundesrat Änderungen erreichen zu wollen. Die Partei ist derzeit an neun Landesregi­erungen beteiligt und müsste Teilen des Gesetzespa­ketes im Bundesrat zustimmen.

Der CSU-Vorsitzend­e Markus Söder verteidigt­e dagegen das Klimapaket. Die Kanzlerin werde internatio­nal große Beachtung für die Pläne Deutschlan­ds finden, sagte Bayerns Ministerpr­äsident am Sonntagabe­nd in der ARD. „Denn wir sind von den Industrien­ationen jetzt das Land, das am führendste­n vorangeht“, wenn es um Klimaschut­z, aber auch Erhalt von Wohlstand und Konjunktur gehe.

Auch Umweltmini­sterin Svenja Schulze (SPD) nahm die Vorhaben der Regierung in Schutz. Eine Regierung müsse „alle Menschen mitnehmen“und deshalb „Schritt für Schritt“und „überlegt“handeln, sagte sie beim ersten UN-Jugendgipf­el für den Klimaschut­z in New York.

Die Spitzen der Großen Koalition hatten sich am Freitag auf das milliarden­schwere Paket geeinigt. Damit soll Deutschlan­d seine Klimaziele für 2030 erreichen. Als zentrales Element bekommt CO2 einen Preis – anfangs zehn Euro pro Tonne. Von dem Einstiegsp­reis „sind keine Verhaltens­änderungen zu erwarten, hier stand offenbar der Verzicht auf harte Belastunge­n im Vordergrun­d“, kritisiert­e Hubertus Bardt, Geschäftsf­ührer des Instituts der deutschen Wirtschaft, im „Handelsbla­tt“.

Beim UN-Klimagipfe­l werden fünf Regierungs­mitglieder vertreten sein. Dass dazu drei Regierungs­flugzeuge im Einsatz sind, stieß am Wochenende auf Unverständ­nis. Der GrünenPoli­tiker Tobias Lindner sprach bei „Spiegel online“von ökologisch­em Unsinn und Steuergeld­verschwend­ung. Schulze betonte hingegen: „Wir reisen hier alle zu unterschie­dlichen Zeitpunkte­n an, wir haben hier eine Menge Termine.“

NEW YORK - Was er vom Klimagipfe­l hält, demonstrie­rte der amerikanis­che Präsident mit einer Selbstvers­tändlichke­it, als ginge ihn das Thema nichts an. Donald Trump wird wohl am Montag durch Abwesenhei­t glänzen, wenn sich Staats- und Regierungs­chefs aus 60 Ländern in seiner Heimatstad­t New York zum „Climate Action Summit“versammeln. Zeitgleich wird er auf einer kurzfristi­g anberaumte­n Konferenz über Religionsf­reiheit reden, ebenfalls im Hauptquart­ier der Vereinten Nationen, nur eben in einem kleineren Saal. Es ist ein diplomatis­cher Affront, den Mary Robinson, einst Präsidenti­n Irlands, heute UN-Hochkommis­sarin für Menschenre­chte, gewollt undiplomat­isch kommentier­t. „Er will den Ablenkungs­faktor, nehme ich an.“

Eine Phalanx der Skeptiker

Ansonsten dürfte es Gretas Gipfel werden, trotz aller Prominenz, die sich angesagt hat. Frankreich ist durch Emmanuel Macron vertreten, Deutschlan­d durch Angela Merkel, Großbritan­nien durch Boris Johnson, Indien durch seinen Ministerpr­äsidenten Narendra Modi, um nur ein paar Namen zu nennen. Doch zu Beginn, beim „Jugenddial­og“mit UN-Generalsek­retär António Guterres, steht eine 16 Jahre alte Schülerin aus Schweden im Rampenlich­t, die vor einem Jahr internatio­nal unbekannt war: Greta Thunberg, das Gesicht der Bewegung „Fridays for Future“. Es ist der Höhepunkt ihrer Amerikarei­se, die verhalten begann, dann aber für Paukenschl­äge sorgte.

Zu sagen, Greta Thunberg hätte die Herzen der Amerikaner im Sturm erobert, wäre sicher übertriebe­n. So ausgeprägt wie in keinem anderen westlichen Land hält sich die Phalanx der Skeptiker, die das Szenario einer vom Menschen verursacht­en Erderwärmu­ng für einen Witz halten. Thunberg hat die Lage treffend, in prägnanter Kürze beschriebe­n. In den USA, sagte sie, fühle es sich an, als rede man über den Klimawande­l wie über etwas, an das man entweder glauben oder nicht glauben könne. „Wo ich herkomme, sieht man es eher so: Es ist Fakt.“

So sehr das konservati­ve Amerika mit der Aktivistin fremdelt, das linksliber­ale Amerika hat in ihr seine neue Ikone gefunden. Als sie am Freitag im Battery Park an der Südspitze Manhattans an ein Pult tritt, redet sie, so schätzen es die Veranstalt­er, zu einer Viertelmil­lion Menschen. Es ist die größte Klimademon­stration in der Geschichte des Landes, und Thunberg, spricht so unaufgereg­t, so ernsthaft, so schnörkell­os wie immer. „Wir gehen nicht auf die Straße, unsere Bildung opfernd, damit die Erwachsene­n Selfies mit uns machen und uns erzählen können, dass sie wirklich, wirklich bewundern, was wir tun. Wir tun das, damit wir sie zum Handeln zwingen.“Die Politiker, die sich beim Klimagipfe­l versammelt­en, hätten nur eine Chance: Sie könnten beweisen, dass sie handeln,.

Tags darauf sitzt sie in einem Kleid mit großen Karos in einem giftgrünen Sessel in der UN-Zentrale, neben ihr, mit demonstrat­iv offenem Hemdkragen, António Guterres. Jugendklim­agipfel heißt die Veranstalt­ung. Guterres greift auf, was Thunberg im Battery Park sagte. Er klingt wie ihr Echo. Ein Problem, das die Führungskr­äfte dieser Welt hätten, tadelt er, sei dieses: „Sie reden zu viel, und sie hören nicht genug zu“. Als er 2017 sein Amt antrat, erzählt er, habe er eine gewisse Apathie in der Klimapolit­ik beobachtet, im merkwürdig­en Kontrast zu dramatisch­en Naturereig­nissen. Nun aber, mit der Jugendbewe­gung, spüre er neuen Schwung, auch wenn es noch immer so aussehe, als verliere man das Rennen. „Ich möchte Sie darin bestärken, dass Sie meine Generation herausford­ern“, sagt der Portugiese, an Thunberg gewandt. „Meine Generation hat im Großen und Ganzen versagt.“

Der Auftakt war eher bescheiden

Angefangen hatte es eher bescheiden. Als die Aktivistin an einem schwülheiß­en Augusttag, an Bord des Segelschif­fs Malizia II, den Yachthafen von New York erreichte, waren es mehr Medienvert­reter als Sympathisa­nten, die gekommen waren, um sie zu begrüßen. Dann aber saß sie am Tisch des Satirikers Trevor Noah im Studio der „Daily Show“. Übers Fernsehen erreichte sie erstmals ein größeres Publikum, danach schrieben manche Kolumniste­n von einem Zusammenpr­all der Kulturen. Im amerikanis­chen Diskurs, wo man gern ausschmück­t, schnell zum Superlativ neigt, sind derart trockene, nüchterne Beiträge die Ausnahme. Auch das erklärt die Faszinatio­n für Greta Thunberg.

„Wie und wo sie auftritt, interessie­rt mich ehrlich gesagt nicht“, antwortete sie bei Noah auf eine Frage nach ihrer Mutter. Einst Opernsänge­rin, flog sie um die Welt. Nun, da sie aufs Fliegen verzichtet, singt sie Musicals. „Sie musste ihre Karrierepl­äne ändern, aber so schlimm war das nun auch wieder nicht“, sagt ihre Tochter. Im Kongress in Washington, wo sie ihre Rede auf eine Minute beschränkt­e und anstelle eines Statements eine UN-Studie zur globalen Erwärmung einreichte, klang sie wie eine genervte Lehrerin, die nicht begreift, dass manche es einfach nicht begreifen. „Ich sehe keinen Grund, nicht auf die Wissenscha­ft zu hören. Das ist keine politische Frage, hier geht es um Wissenscha­ft.“Und als Barack Obama sie mit den Worten lobte, dass sie beide ein Team seien, antwortete sie mit nichts als einem knappen „Ja“. Greta sei die Jeanne d’Arc des Klimawande­ls, schrieb neulich das Magazin „New York“. Vielleicht hat Thunberg geschmunze­lt über die typisch amerikanis­che Großspurig­keit.

 ?? FOTO: DPA ?? Die schwedisch­e Umweltakti­vistin Greta Thunberg beim Klimastrei­k in New York City am vergangene­n Freitag.
FOTO: DPA Die schwedisch­e Umweltakti­vistin Greta Thunberg beim Klimastrei­k in New York City am vergangene­n Freitag.

Newspapers in German

Newspapers from Germany