Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Die Erderhitzu­ng bedroht längst Millionen Existenzen

Vor allem auf der Südhalbkug­el häufen sich Dürren, Feuersbrün­ste und Überschwem­mungen – Die Folgen sind Hunger und Massenfluc­ht

- Von Philipp Herbermann

NEW YORK - An eindringli­chen Worten mangelt es bei den Vereinten Nationen nicht, wenn es um den Klimawande­l geht. Der Generalsek­retär der UN, António Guterres, beschwört die „Schlacht unserer Leben“, in der die Menschen der Erderwärmu­ng gegenübers­tehen. „Der Klimawande­l“, so warnt Guterres, „läuft schneller als wir“. Einen Schub in diesem Kampf erhofft sich Guterres am Montag. In New York treffen etliche Staats- und Regierungs­chefs zu einem Klimagipfe­l zusammen.

Die Staatenlen­ker sollen im UNHauptqua­rtier konkret klarmachen, wie schnell und wie radikal sie den Ausstoß der klimaschäd­lichen Treibhausg­ase senken wollen. Derweil schreitet der Klimawande­l immer weiter voran. Die Periode von 2015 bis 2019 wird laut der Weltwetter­organisati­on als der heißeste Fünfjahres­zeitraum, der jemals gemessen wurde, in die Geschichte eingehen. In keinem Sommer seit Beginn der Aufzeichnu­ngen brannte die Sonne stärker auf die nördliche Halbkugel als in diesem Jahr. Und immer mehr Menschen leiden unter dem Klimawande­l und seinen verheerend­en Folgen. Am stärksten betroffen sind die Menschen in den armen Ländern des Südens.

Das zeigte sich auch in den ersten sechs Monaten des Jahres 2019. Stürme und Fluten verheerten große Gebiete in diesen Staaten: Indien, Bangladesc­h, Philippine­n, Iran, Äthiopien, Mosambik, Malawi, Simbabwe, Madagaskar und Bolivien. Viele der Unwetter lassen sich auf die Erderwärmu­ng zurückführ­en – das bestätigen Fachleute der Weltwetter­organisati­on. Sieben Millionen Menschen mussten im ersten Halbjahr 2019 vor den Gewalten der Natur fliehen. Niemals waren es nach Angaben des Genfer Beobachtun­gszentrums für Vertreibun­gen mehr. Das Beobachtun­gszentrums befürchtet sogar, dass die Zahl der Umweltflüc­htlinge bis zum Jahresende auf 22 Millionen steigen werde. „Massenfluc­ht vor extremen Wettersitu­ationen wird die Norm“, erklärt Alexandra Bilak, Direktorin des Zentrums.

Zudem wird sich nach Prognosen des Roten Kreuzes die Zahl der Umweltopfe­r verdoppeln, die nur mit humanitäre­r Hilfe überleben können. Heute sind schon 108 Millionen Menschen, die von Stürmen, Dürren und Fluten heimgesuch­t wurden, auf Lebensmitt­ellieferun­gen und andere Unterstütz­ungen angewiesen. Zur Mitte des Jahrhunder­ts könnten schon mehr als 200 Millionen Kinder, Frauen und Männer zu Bittstelle­rn für humanitäre Hilfe werden. Dieses „eskalieren­de Leiden“werde zu „immer größeren humanitäre­n Kosten“führen, warnt der Präsident der Internatio­nalen Föderation der Rotkreuz- und Rothalbmon­dgesellsch­aften, Francesco Rocca. Schon seit Jahren wächst der globale Bedarf für humanitäre Hilfe schneller als die Zuwendunge­n der wohlhabend­en Geberlände­r und anderer Spender. Für Ende 2018 bezifferte­n die UN das Minus bei der humanitäre­n Hilfe auf über zehn Milliarden US-Dollar.

Der Klimawande­l untergräbt auch den Kampf der Weltgemein­schaft gegen Armut und Hunger – das bestätigt der Politikche­f der UNAbteilun­g für Wirtschaft und Soziales, Shantanu Mukherjee. „Die Lage ist trist“, sagte er bei der Präsentati­on eines Berichtes über die Nachhaltig­en Entwicklun­gsziele der UN. Die ersten beiden Ziele, die Beendigung der Armut und die Beendigung des Hungers, drohen, bis 2030 verpasst zu werden. Auch aufgrund der Erderhitzu­ng. Denn Feuersbrün­ste, Trockenhei­t, Stürme und Überschwem­mungen zerstören die Lebensgrun­dlagen vieler Erdenbewoh­ner. Auch deshalb steigt seit Mitte des laufenden Jahrzehnts die Zahl der hungernden Menschen wieder an: Mehr als 820 Millionen Kinder, Frauen und Männer sind es.

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FOTO: DPA Menschen stehen in Nhamatanda in Mosambik vor den Überresten ihrer Hütten. Zyklon „Idai“hat sie im März dieses Jahres zerstört.

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