Schwäbische Zeitung (Tettnang)

„Enzensperg­er ignoriert die EU-Verordnung“

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Zum Blockkraft­heizwerk in Kressbronn:

In seiner Beschlussv­orlage für die Gemeindera­tssitzung am 25. September fordert Bürgermeis­ter Enzensperg­er die Weiterführ­ung der Palmölverb­rennung im Blockheizk­raftwerk der Parkrealsc­hule in Kressbronn. Die Gemeinde deckt 45 Prozent ihres gesamten Energiever­brauchs für die öffentlich­en Gebäude durch die Verbrennun­g von rund 180 Tonnen Palmöl im Jahr.

Ungeachtet der mehr als 53 000 Menschen, die die Petition zur Einstellun­g des Palmölbezu­gs in Kressbronn unterschri­eben haben, ignoriert Herr Enzensperg­er sogar die EU-Verordnung vom 13. März 2019, die die Verwendung von Palmöl aus den tropischen Anbaugebie­ten als größten Treiber für den Verlust von Urwäldern und Feuchtgebi­eten weltweit identifizi­ert. Die Bundesregi­erung bestätigte im Juni 2019 auf eine Anfrage der Opposition, dass die bestehende­n Zertifizie­rungssyste­me für den Import von Palmöl überarbeit­et werden müssen, bis das Importverb­ot für die Nutzung in Brennstoff­en 2030 greift.

Die EU-Verordnung findet ungewöhnli­ch klare Worte für die Vernichtun­g von natürliche­n Wald- und Bodentypen, die immense Mengen an CO2 speichern und so die vermeintli­chen Einsparung­en der Treibhausg­asemission­en zunichtema­cht. Diesem EU-Bericht zufolge hat keine andere Energiepfl­anze seit 2008 durch ihren Anbau stärker zum weltweiten Verlust an Urwald- (45 Prozent) und Feuchtgebi­etsflächen (23 Prozent) beigetrage­n.

Herr Enzensperg­er verteidigt den Bezug von Palmöl aus Indonesien und Malaysia, weil es sich nach seiner Einschätzu­ng um einen „ökologisch­en“Brennstoff handle. Heute brennen Hunderte Feuer in diesen Ländern. Die meisten dieser Feuer dienen der Brandrodun­g für die Erweiterun­g der Palmölprod­uktion. Es entbehrt jeder Vernunft, dass sich Herr Enzensperg­er modernen, nachhaltig­en und wirtschaft­lichen Optionen für den Ersatz des Palmöl-Kraftwerks verschließ­t. Es gibt zahlreiche Beispiele dafür, wie Gemeinden durch die Nutzung von Sonnenener­gie, regional bezogenem Brennholz oder durch (Seewasser-)Wärmepumpe­n Dutzende oder Hunderte Gebäude heizen. Kressbronn hat hierfür die besten Voraussetz­ungen.

Herr Enzensperg­er scheint nicht zu merken, wie seine Fehleinsch­ätzung Kressbronn als Standort in Baden-Württember­gs Nachhaltig­keitskonze­pt für den Tourismus isoliert – einem der wichtigste­n Wirtschaft­sfaktoren der Region.

Kressbronn hat nur zwei Optionen – Vorschläge für die Zeit nach Herrn Enzensperg­ers Amtszeit zu sammeln oder im Gemeindera­t fraktionsü­bergreifen­d für eine moderne und nachhaltig­e Nahwärmeve­rsorgung einzustehe­n: Erklärung der Gemeinde, den Palmölbezu­g spätestens zum 31. Dezember 2020 einzustell­en; übergangsw­eise Umstellung des Kraftstoff­bezugs auf Pflanzenöl aus EU-Anbau und Beauftragu­ng eines Strukturgu­tachtens zur Ersetzung des Palmölkraf­twerks.

Heiko Kling, Kressbronn

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