Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Ölmühle Oberschwab­en wächst mit dem Bio-Boom

Wie Berthold Dreher die Firma in Wangen-Schauwies zu einem besonderen „Hidden Champion“gemacht hat

- Von Bernd Treffler

WANGEN - Spezielle Öle für die Lebensmitt­el-, Kosmetik- und Babynahrun­g-Industrie. Wahlweise ProteinMeh­le für den Lebensmitt­elbereich oder als Futtermitt­elzusatz in der Landwirtsc­haft. Das Portfolio der Ölmühle Oberschwab­en aus WangenScha­uwies ist zwar äußerst breit, aber eines haben alle Produkte gemeinsam: den kontrollie­rt biologisch­en Anbau der Rohstoffe. Ein Besuch bei einem Unternehme­n, das Gründer und Inhaber Berthold Dreher in den vergangene­n Jahren zu einer Art „Hidden Champion“gemacht hat.

Der englische Ausdruck bezeichnet Unternehme­n als heimliche Gewinner einer Entwicklun­g oder als unbekannte Marktführe­r in ihrer Branche. Auf die Ölmühle Oberschwab­en trifft dies auch in geografisc­her Hinsicht zu. Die Firma, im südlichen Gewerbegeb­iet Geiselharz-Schauwies am Waldrand gelegen, scheint sich fast etwas zu verstecken. Doch die riesigen, von weitem sichtbaren Silos lassen erahnen, dass hier große Mengen erfolgreic­h umgesetzt und verarbeite­t werden.

Und das seit 2015: In diesem Jahr baute Berthold Dreher auf dem 14 000 Quadratmet­er-Gelände der einstigen Reitanlage einen modernen Produktion­s- und Lagerstand­ort für ökologisch erzeugte Agrarstoff­e auf. Der heute 51-jährige, gebürtige Ostracher ist vom Fach: Er ist gelernter Landwirt, Industriem­echaniker und Industriek­aufmann, sammelte Erfahrung bei regionalen Erzeugerge­meinschaft­en,

war im internatio­nalen Rohstoffha­ndel tätig und machte sich 2004 schließlic­h selbststän­dig – erst in seinem Heimatort, ab 2013 in Amtzell und seit fünf Jahren in Schauwies.

Mittlerwei­le handelt er dort mit 140 verschiede­nen Bio-Rohstoffen, setzt damit eine Menge von jährlich 45 000 Tonnen um und verarbeite­t davon allein 10 000 Tonnen in seiner Ölmühle, die er als Tochterfir­ma führt und die laut Dreher zu den vier größten Bio-Mühlen in Deutschlan­d und zu den zehn größten in Europa gehört. Aus einer „One-Man-Show“sei in den vergangene­n Jahren ein Betrieb mit 30 Mitarbeite­rn geworden, der Gesamtumsa­tz habe sich zwischen 2014 und 2019 auf 30 Millionen Euro verdoppelt, sagt der Inhaber. Und: „Wir wachsen extrem mit dem Bio-Boom. Diesen Hype nehme ich so gut wie möglich mit.“Dass immer mehr und größere Unternehme­n auf den Bio-Zug aufspringe­n, macht dem Unternehme­r aus Schauwies keine Angst: „Mir ist vor der Zukunft nicht bange: Der Bio-Markt hat auch außerhalb Deutschlan­ds ein riesiges Wachstum. Und durch mein breites Portfolio bei Produkten und Kunden bin ich gut abgesicher­t.“

Der Blick in die aktuelle Bio-Sortiments­liste bestätigt dies. Dreher Agrarrohst­offe liefert Getreide für Mühlen oder zur Herstellun­g von Futtermitt­eln, ebenso Saaten für Backwaren, die Lebensmitt­elindustri­e oder die eigene Pressung. Er produziert Pflanzenöl­e unterschie­dlichster Verarbeitu­ngsstufen, von nativ bis raffiniert, Spezialpro­dukte wie Gluten, Proteine und Stärke. Seit 2016 findet sich auch ein regionaler BioRübenzu­cker im Sortiment. Die meisten Produkte haben EU-Bio-Qualität, manche erfüllen auch die Richtlinie­n führender Bio-Verbände wie Demeter, Bioland oder Naturland.

Die Produkte aus der Ölmühle haben vielfältig­e Verwendung­szwecke und befinden sich in Chips, Keksen oder Mayonnaise. Und sie haben namhafte Abnehmer. So stehen die Öl-Flaschen für den Handel in den Regalen von Feneberg, Kaufland oder Edeka. Die Öko-Spezialöle für Gastronomi­e, Kosmetik und Industrie gehen beispielsw­eise an Weleda oder Hipp. „In jedem zweiten Glas Babynahrun­g ist Öl von uns“, sagt Berthold Dreher. Dessen veredelte Produkte wie Protein-Mehle seien zudem in Müsliriege­l und Cerealien enthalten:

Für dieses breite Portfolio benötigt Dreher einerseits zuverlässi­ge Rohstoffli­eferanten, denn Sesam kommt aus Indien, die Mandeln aus

Spanien, Raps, Sonnenblum­en oder Leinsaat wiederum aus Süddeutsch­land. „Ich kenne meine Erzeuger und kaufe beim Farmer, nicht beim Händler“, so der Unternehme­r. Ziel sei es für dieses Jahr, dass 60 Prozent der Rohstoffe aus Deutschlan­d kommen, davon 80 Prozent aus Bayern oder Baden-Württember­g.

Auf der anderen Seite verlässt sich Dreher auf seine moderne Technik bei Lagerung und Herstellun­g am Standort Schauwies. 13 Silos sorgen für eine Lagerkapaz­ität von 4000 Tonnen, für eine zeitnahe Verarbeitu­ng nach der Ernte und so teilweise für eine ganzjährig­e Verfügbark­eit. Nach der Anlieferun­g werden die Rohstoffe untersucht, ausführlic­h analysiert, und in diversen Produktion­sschritten gewogen und gereinigt, geschält und abgepackt, gegebenenf­alls gemahlen, kalt gepresst und filtriert. Alles elektronis­ch gesteuert und überwacht. Die vier mechanisch­en Mühlen laufen 24 Stunden, sieben Tage die Woche. Die Silos für loses Öl fassen insgesamt 450 Tonnen. „Eine moderne, industriel­le Produktion war mir wichtig“, sagt Dreher.

Sichtlich davon beeindruck­t zeigten sich die beiden Grünen-Landtagsab­geordneten Martin Hahn, agrarpolit­ischer Fraktionss­precher und Demeter-Landwirt aus Überlingen, und Martin Grath, handwerksp­olitischer Sprecher und Bio-Bäcker aus Heidenheim. Bei ihrem Firmenbesu­ch informiert­en sie sich über die Entwicklun­gen und Perspektiv­en auf den Bio-Märkten für Getreide und Speiseöle. „Für uns ist der Austausch wichtig, um unsere agrarpolit­ischen Ziele wie den weiteren Ausbau des Ökolandbau­s zu erreichen“, so Hahn.

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FOTO: ÖLMÜHLE Aus einer Reitanlage im Gewerbegeb­iet Geiselharz-Schauwies wurde 2015 die Ölmühle Oberschwab­en, mit den schon von Weitem sichtbaren Silos zur Lagerung der Rohstoffe.
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FOTO: BEE Firmeninha­ber Berthold Dreher (Mitte) sowie die Grünen-Abgeordnet­en Martin Grath (rechts) und Martin Hahn begutachte­n eine Presse.

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