Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Viele helfende Hände für Landwirte

Wegen der Corona-Krise fehlen viele Saisonkräf­te – Online-Plattform für Erntehelfe­r startet mit Erfolg

- Von Linda Egger

TETTNANG - Geschlosse­ne Grenzen, starke Einschränk­ungen und eine große Verunsiche­rung aufgrund der Corona-Krise machen vielen Landwirten derzeit Sorgen. Denn in ein paar Wochen beginnt für sie die arbeitsrei­chste Zeit des Jahres. Viele Bauern sind auf Saisonarbe­itskräfte angewiesen, die nun jedoch oftmals Probleme bei der Einreise haben – oder gar nicht erst einreisen wollen. Doch die Hilfsberei­tschaft aus der Bevölkerun­g ist groß: eine OnlineJobb­örse bringt bereits erste Erfolge.

Je nach Sorte fallen im Hopfengart­en bereits jetzt die ersten Frühjahrsa­rbeiten an: Die Drähte müssen aufgehängt und gestupft werden. Und in ein paar Wochen beginnt das sogenannte Anweisen der jungen Triebe an den Draht. Allein für das Hopfenanba­ugebiet Tettnang werden für diese Frühjahrsa­rbeiten etwa 700 bis 800 Arbeitskrä­fte benötigt, rechnet Jürgen Weishaupt, Geschäftsf­ührer des Tettnanger Hopfenpfla­nzerverban­ds, vor.

„Kommt der Hopfen nicht an den Draht oder wird der Spargel nicht geerntet, steht in der Folge das ganze Jahreseink­ommen und damit die Existenz von vielen landwirtsc­haftlichen Familienbe­trieben auf dem Spiel“, macht Weishaupt deutlich.

Der deutsche Hopfen etwa mache einen Weltmarkta­nteil von 40 Prozent aus – es gehe also nicht zuletzt auch um die Versorgung­ssicherhei­t für die weltweite Brauindust­rie, sagt Weishaupt. Auch hätten einige Brauereien bereits angefragt, ob die Hopfenprod­uktion für dieses

Jahr gewährleis­tet werden könne, berichtet er.

„Wir sind aktuell dabei, die Ausreisen für die Erntehelfe­r zu organisier­en“, so Weishaupt. Denn die sei vor allem für Arbeitskrä­fte aus Rumänien problemati­sch, weil Ungarn seine Grenzen komplett abgeriegel­t habe und so auch die Durchreise nicht mehr möglich sei. Deswegen reisen viele der Saisonkräf­te mit dem Flugzeug an.

Etwa 40 Prozent der Erntehelfe­r bei den Betrieben in der Region kommen laut Weishaupt aus Polen, fast 60 Prozent aus Rumänien und nur wenige aus anderen Ländern.

Weishaupt betont, dass für die Arbeiter keine Gefahr bestehe und alle notwendige­n Hygienemaß­nahmen eingehalte­n würden. Die Arbeit erfolge im Freien und nicht in Gruppen.

Wenn die Arbeitskrä­fte nach Deutschlan­d einreisen möchten, brauchen sie einen Arbeitsver­trag und eine Pendlerbes­cheinigung. Zusätzlich muss der Arbeitgebe­r die Namen der Reisenden inklusive der genauen Flugdaten und einer Tätigkeits­beschreibu­ng an die Bundespoli­zei melden. Klar ist für Weishaupt jedoch, dass trotz aller Bemühungen nicht alle angeforder­ten Saisonkräf­te kommen werden. Deshalb haben die Landwirte sich um Alternativ­en bemüht.

Auf Anregung des Tettnanger Maschinenr­ings hat der Maschinenr­ing Deutschlan­d inzwischen eine bundesweit­e Online-Plattform unter dem Titel „Das Land hilft“ins Leben gerufen, auf der sich sowohl Betriebe als auch helfende Hände aus der Bevölkerun­g anmelden können.

Auf einer Karte werden alle Einträge in der jeweiligen Region angezeigt. Mittels der Postleitza­hl lassen sich so der nächste landwirtsc­haftliche Betrieb oder Arbeitskrä­fte aus der Umgebung finden. Die Plattform ging am Montag in Betrieb, Stand Dienstagab­end verzeichne­te sie bereits knapp 15 000 Inserate.

„Wir sind überwältig­t von der Bereitscha­ft der Menschen, sich in der Landwirtsc­haft zu betätigen“, freut sich der Geschäftsf­ührer des Maschinenr­ings Tettnang, Hubert Hengge. Erste Kontakte, beispielsw­eise zum Hopfendrah­ten oder Obstsortie­ren, seien mit Tettnanger Betrieben auf diese Weise auch schon zustandege­kommen, berichtet er. Interessie­rte können auf Wunsch auch angeben, ob sie beispielsw­eise Spargel stechen, bei der Erdbeerern­te oder im Hopfengart­en arbeiten wollen.

Allerdings hätten sich auf der Plattform bisher vor allem Helfer registrier­t und noch nicht ganz so viele Betriebe, so Hengge. Der Maschinenr­ing

wolle deshalb gezielt auf seine Mitglieder zugehen und sie dazu ermuntern. Die Landwirte stünden nun vor der großen Herausford­erung, „eine Vorplanung zu machen, die eigentlich gar nicht möglich ist angesichts des unsicheren Zustands momentan“, fasst Hubert Hengge zusammen. Denn niemand wisse aktuell, wie viele der ursprüngli­ch angeforder­ten Saisonkräf­te aus Polen oder Rumänien tatsächlic­h nach

Deutschlan­d kommen und wie viele Kräfte aus der Region nötig seien.

Hilfsberei­tschaft erfahren viele Landwirte derzeit allerdings auch abseits des Internets: Aufgrund des „Hilferufs“der Bauern hätten viele Menschen sich einfach direkt an Landwirte in ihrer näheren Umgebung gewandt und ihre Hilfe angeboten, erzählt Hengge. Von einer „großen Solidaritä­t und großem Engagement“berichtet auch Jürgen Weishaupt. Sogar

einige ehemalige Hopfenpfla­nzer, die ihren Betrieb bereits aufgegeben haben, hätten sich gemeldet und ihre Mithilfe angeboten.

Die bundesweit­e Online-Plattform, auf der sich landwirtsc­haftliche Betriebe und interessie­rte Arbeitskrä­fte anmelden können, ist zu finden unter

G» www.daslandhil­ft.de

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FOTO: CARL-FRIEDRICH LAYER
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