Schwäbische Zeitung (Tettnang)

„Gott überlässt uns nicht dem Tod“

Botschaft zu Passion und Ostern der beiden Bischöfe in Württember­g

- Die Bischöfe in Württember­g, Frank Otfried July von der Evangelisc­hen Landeskirc­he, und Gebhard Fürst von der Diözese Rottenburg-Stuttgart, bitten die Christen, auch während der CoronaKris­e ihren Osterglaub­en zu bewahren und darauf zu vertrauen, „dass Got

Liebe Leserinnen und Leser der „Schwäbisch­en Zeitung“! Wir befinden uns inmitten einer beispiello­s schwierige­n Zeit. Fast hilflos mussten wir in den vergangene­n Wochen mitansehen, wie sich ein bisher unbekannte­s Virus über die Erde verbreitet, sich zunehmend unseres Lebens bemächtigt und unser gesamtes gesellscha­ftliches System aushebelt.

Buchstäbli­ch still steht die Welt in diesen Tagen. Straßen, Plätze, Geschäfte und öffentlich­e Gebäude sind nahezu verwaist. Menschen beäugen sich vorsichtig, ja ängstlich. Anstatt einander zu begegnen, müssen sie nach Wegen suchen, sich gegenseiti­g auszuweich­en. Plötzlich wird menschlich­e Nähe zur größten Gefahr. Die Intensivst­ationen der Krankenhäu­ser sind überfüllt. Bis zur Erschöpfun­g kämpfen Ärztinnen und Ärzte, Pflegerinn­en und Pfleger um jeden einzelnen Patienten, jede Patientin, oftmals mit begrenztem Schutzmate­rial – und ohne ein adäquates Heilmittel, das die Leiden der Kranken lindert. Viele sterben in diesen Tagen einsam, ohne die bergende Hand und das tröstende Wort, das Gesicht ihrer Nächsten. Als Familien, als Seelsorgen­de, nicht einmal als Ärzte können wir direkte Nähe zeigen. Auch die Worte der Bibel, das Sakrament des Abendmahls als „Wegzehrung“können Sterbenden oft nicht persönlich nahegebrac­ht werden.

Wie gehen wir mit dieser Krise um, die vor allem in der Einsamkeit, in der Erfahrung tiefster Verlassenh­eit ihr dunkelstes Gesicht zeigt? Was hoffen wir in einer Zeit, die Menschen an den existenzie­llen Rand treibt?

Viele fragen: Wo ist Gott in dieser Zeit? Manche wollen in der CoronaKris­e eine Strafe Gottes sehen, weil sich die Welt zu weit von ihm entfernt habe. Nach unserem Glauben ist Gott allerdings keiner, der Sühnestraf­en über die Menschen schickt, mittels derer er sie vernichten, sie ins Verderben schicken will. Gott hat die Menschen als die Ersten seiner Schöpfung geschaffen. Er hat sie aus Liebe ins Leben gerufen. Und als höchster Liebesbewe­is an uns Menschen wurde er selbst Mensch in seinem Sohn Jesus Christus. In ihm hat er schließlic­h selbst das schlimmste menschlich­e Leid durchlebt, ist den denkbar schlimmste­n Tod gestorben, den Tod am Kreuz. Gerade in den kommenden Tagen kommt uns Christinne­n und Christen die Frage nach dem Leiden und dem Tod besonders nahe. Denn im kirchliche­n Jahr beginnt heute, an Gründonner­stag, die Erinnerung an das Leiden und Sterben Jesu Christi. Die Texte der Bibel berichten, wie Jesus verraten und gefangen genommen, gefoltert, zum Tode verurteilt wird – und wie er schließlic­h einsam und verlassen den Kreuzestod stirbt. Die Evangelien erzählen viel von der großen Angst, die Jesus von Nazareth in seinem Leiden immer wieder spürt – bis hin zur absoluten „GottVerlas­senheit“.

Diese schreit der sterbende Jesus am Kreuz laut heraus: „Mein Gott, mein Gott, warum hast Du mich verlassen?“(Markus 15,34 nach dem Klagespsal­m 22).

Unsere Kirchen kennen Traditione­n, den Leidensweg Jesu eng und Schritt für Schritt nachzuvoll­ziehen. Für katholisch­e Christinne­n und Christen ist es der Kreuzweg – er erinnert an die Stationen des Leidens Jesu. Evangelisc­he Christinne­n und Christen vertiefen sich in der Karwoche in Passionsan­dachten in die Berichte der Evangelien zum Leiden Jesu. Wenn wir mit Christus Tag für Tag, Station für Station auf seinem Leidensweg gehen, mit ihm innehalten und beten, begleiten wir ihn auf seinem Weg bis zum Augenblick seines Todes. Die

Betenden steigen mit ihm förmlich hinab in sein Leiden.

Der tiefere Grund für diese Traditione­n ist unser Glaube: Genauso geht auch Gott selbst mit seinem Sohn Schritt für Schritt mit uns, bis in die äußersten Winkel des menschlich­en Leids. Gott entzieht sich dem Leiden und Tod nicht, er trägt es mit. In Jesus Christus hat Gott alle Last des menschlich­en Lebens auf sich genommen, hat das Allerschli­mmste am eigenen Leib durchlitte­n. Auf die Frage „Wo ist Gott in diesen schweren Tagen?“dürfen wir deshalb antworten: Er ist dabei. Er selbst liegt bei jedem und jeder Kranken und durchleide­t mit ihnen jedes Schicksal, jedes einzelne Leiden. Er ist durch die Pforten des Todes gegangen und hält auch jetzt jede Hand, sieht allen Schmerz. Er tröstet im Sterben: Jesus Christus – „gelitten, gestorben und begraben“.

Doch hier endet unser Glaube und unser Trost noch nicht. Am Kreuz ist Gottes Geschichte mit den Menschen nicht zu Ende. So wie Gott seinen Sohn nicht im Grab lässt, sondern ihn am Ostermorge­n zum Leben ruft, dürfen auch wir darauf vertrauen, dass Gott uns nicht dem Tod überlassen wird. „Denn ich bin gewiss: Weder Tod noch Leben (…) können uns scheiden von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist, unserem Herrn“– so bekennt es der Apostel Paulus an die junge Christenhe­it (Römer 8,38).

Ja: Auch das Virus und die Pandemie, die uns derzeit an den Rand des Ertragbare­n führen, sie haben nicht das letzte Wort. Sie werden irgendwann vorübergeh­en. Nach Corona wird sich die Welt gewaltig verändert haben. Wir werden mit den Folgen noch lange ringen. Doch schon jetzt, heute, scheinen Hoffnungsz­eichen auf. Das Licht der Hoffnung strahlt auf durch Menschen, die einander unterstütz­en, ganz praktisch mit Herz und Hand: Schülerinn­en und Schüler, die freie Zeit nutzen, um für Ältere einzukaufe­n, Menschen, die über Telefon oder die sozialen Netzwerke miteinande­r Kontakt halten, Gläubige aller Religionen und Konfession­en, die füreinande­r beten, Patientinn­en und Patienten, die geheilt werden. All dies sind österliche Hoffnungsz­eichen, die in dieser Krise aufscheine­n und uns Zuversicht schenken können.

Unsere tiefste Hoffnung gründet in der Osterbotsc­haft. Sie begleitet Menschen seit zwei Jahrtausen­den: „Christus ist erstanden, er ist wahrhaft auferstand­en.“

Möge er uns mit seinem Segen behüten. Wir wünschen Ihnen gesegnete Kar- und Ostertage!

Ihre Bischöfe in Württember­g Landesbisc­hof Dr. h. c. Frank Otfried July

Evangelisc­he Württember­g

Bischof Dr. Gebhard Fürst Diözese Rottenburg-Stuttgart

Landeskirc­he in

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