Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Wer zahlt für ungenutzte Monatskart­en der Schüler im Südwesten?

Der Busverkehr auf dem Land hängt finanziell an den Schülertic­kets – Land, Kommunen, Busunterne­hmer und Eltern ringen ums Geld

- Von Kara Ballarin

STUTTGART - Die Situation ist vertrackt: Eltern verstehen nicht, warum sie für die ungenutzte­n Bustickets ihrer Kinder zahlen sollen. Busunterne­hmer fürchten Einbußen, die sie schlimmste­nfalls in die Insolvenz treiben könnten. Alle warten auf versproche­nes Geld vom Land. Ob das bereits geflossen ist oder nicht – dazu gibt es verschiede­ne Einschätzu­ngen.

Seit Mitte März sind in BadenWürtt­emberg die Schulen geschlosse­n. Wie es nach den Osterferie­n weitergeht: unklar. Die Verkehrsve­rbünde ziehen derweil weiter die monatliche­n Gebühren für die Tickets der Schüler ein. 200 Millionen Euro fließen vom Land jedes Jahr an die

Kreise – bis 2023 soll die Summe auf 250 Millionen Euro steigen. Mit dem Geld bestellen diese den nötigen Busverkehr. Laut Landkreist­ag legen die Kreise eigene Mittel drauf, weil das Landesgeld nicht ausreicht. Einen wesentlich­en Beitrag zum Busverkehr leisten auch die Eltern. Nach Einschätzu­ng der „Initiative Eltern für Elternrech­te“sind das derzeit etwa 260 Millionen Euro pro Jahr.

Bei Stephan Ertle aus Leutkirch, einem Sprecher der Initiative, melden sich dieser Tage viele Eltern. Manche seien von ihrer Schule darauf hingewiese­n worden, das BusAbo auszusetze­n. „Es gibt aber auch Fälle, bei denen die Verkehrsve­rbünde die Rücknahme des Abos abgelehnt haben“, berichtet er. Lange schon kämpft seine Initiative dafür, die Eltern im Land von den Kosten für die Schülerbef­örderung zu befreien. Der Streit hat inzwischen das Bundesverw­altungsger­icht erreicht.

In einem Brief haben sich Ertle und seine Mitstreite­r an die Regierende­n und die Fraktionen im Stuttgarte­r Landtag gewandt. Sie fordern, die Eltern endlich zu entlasten. „Die Initiative Eltern für Elternrech­te (...) reibt sich angesichts der wiederholt­en öffentlich­en Aufrufe von Busunterne­hmerverbän­den und nun zuletzt sogar von Verkehrsmi­nister Hermann verwundert und auch stark verärgert die Augen“, heißt es in dem Brief. Minister Winfried Hermann (Grüne) hatte die Eltern Ende März gebeten, weiter für die Schülertic­kets zu zahlen. „Alle sollten jetzt verantwort­ungsbewuss­t ihren Beitrag

leisten“, erklärte Hermann und kündigte Ausgleichs­maßnahmen an.

Das Land hat den Kommunen 100 Millionen Euro als Soforthilf­e gegeben. Das seien zunächst Abschlagsz­ahlungen, abgerechne­t werde nach Ende der Krise, erklärt ein Sprecher von Finanzmini­sterin Edith Sitzmann (Grüne). Steckt auch das Geld zur Kompensati­on der Bustickets darin? „Ja, das Geld ist darin enthalten“, erklärt der Sprecher.

„Das sehen wir nicht so“, sagt Nathalie Münz, stellvertr­etende Hauptgesch­äftsführer­in des Landkreist­ags. An die Landkreise flössen 21 der 100 Millionen Euro. Die Kreise bezahlen die Busunterne­hmen weiterhin, auch wenn diese ihre Leistungen zurückgefa­hren hätten. „Das ist unser Beitrag“, sagt Münz. Würden die

Kreise aber die Bustickets refinanzie­ren, bliebe von dem Landesgeld nichts für andere Leistungen – etwa um Eltern von Gebühren während der Kita-Schließung­en zu entlasten. „Genau über diesen Punkt verhandeln wir jetzt mit dem Land“, sagt sie.

Auf weitere Verhandlun­gen zwischen Kommunen und Finanzmini­sterin verweist auch ein Sprecher von Verkehrsmi­nister Hermann. Der Appell an die Eltern, das Abo nicht zu kündigen, bleibe bis dahin bestehen. Die Rückerstat­tung komme. Woher, ist noch unklar. Die Elterninit­iative verweist auf Bundesgeld und zitiert in einem Brief das Bundesverk­ehrsminist­erium. Auf dessen Homepage ist als eine der Kernaufgab­en während der Corona-Krise genannt: „Aufrechter­haltung einer stabilen

Grundverso­rgung im Regionalve­rkehr und ÖPNV.“Laut Hermanns Sprecher arbeiteten die Länderverk­ehrsminist­er gemeinsam mit Bundesmini­ster Andreas Scheuer (CSU) an einem Rettungssc­hirm. Greifbar sei dieser aber noch nicht.

Die Busunterne­hmen im Land stecken derweil in der Klemme. „Ich bin frustriert“, sagt Witgar Weber, Geschäftsf­ührer des Verbands BadenWürtt­embergisch­er Omnibusunt­ernehmer. Wie viele Eltern ihre Abos gekündigt haben, wisse er nicht: „Das Geld fehlt aber einfach.“18 Millionen Euro seien nötig, um den Eltern einen Monat zu erstatten. Wenn diese ihre Zahlungen stoppten und das Geld vom Land weiter auf sich warten lasse, „dann wird spätestens im Mai die große Panik ausbrechen“.

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