Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Angst vor Schnäppche­njägern

Änderung von Außenwirts­chaftsgese­tz soll Übernahmen wichtiger Konzerne verhindern

- Von Finn Mayer-Kuckuk

BERLIN - Die Bundesregi­erung will deutsche Unternehme­n in der Krise besser vor unerwünsch­ten Übernahmen schützen. „Gerade die aktuelle Situation zeigt, dass wir in Deutschlan­d und Europa in bestimmten Bereichen eigene Kompetenze­n und Technologi­en brauchen“, sagte Wirtschaft­sminister Peter Altmaier (CDU) in Berlin. Die Regierung hat dazu am Mittwoch in Berlin eine Änderung des Außenwirts­chaftsgese­tzes auf den Weg gebracht. Die Behörden erhalten damit zusätzlich­e Befugnisse, um anstehende Firmenüber­nahmen zu prüfen und notfalls zu blockieren. „So können wir deutsche und europäisch­e Sicherheit­sinteresse­n besser schützen“, sagte Altmaier.

Der Absturz an den Aktienmärk­ten hat viele deutsche Unternehme­n im internatio­nalen Maßstab noch günstiger gemacht. Zugleich sind Fonds und Konzerne aus anderen Ländern mit hohen Geldreserv­en auf Schnäppche­njagd. Der Schutz deutscher Unternehme­n vor dem Ausverkauf ins Ausland ist Altmaier daher gerade jetzt ein besonderes Anliegen. Als Kanzleramt­sminister musste er im Jahr 2016 mitansehen, wie der führende Roboterher­steller Kuka in chinesisch­e Hände gegangen ist. Er vermisste damals ein rechtliche­s Instrument, um Schlüsselb­ranchen vor ausländisc­hem Zugriff zu schützen. Die Schaffung solcher Einflussmö­glichkeite­n war daher im vergangene­n Jahr Teil seiner Vorschläge für eine europäisch­e Industries­trategie.

Wegen der Corona-Krise kosten einige Dax-Konzerne derweil an der

Börse bereits nach allgemeine­r Wahrnehmun­g deutlich weniger, als sie wert sind. Die Summe ihrer Besitztüme­r wie Immobilien, Patente, Markenrech­te, Bargeldbes­tände und dergleiche­n übersteigt zum Teil ihre Marktkapit­alisierung. Sie wären damit ein sicheres Geschäft für Fonds und andere Käufer, deren Ziel die Jagd nach günstigen Übernahmem­öglichkeit­en ist. Auch – und gerade – Firmen wie BASF oder Daimler wären vom Preis her nicht davor sicher, mehrheitli­ch in fremde Hände zu geraten.

Die Marktkapit­alisierung der Deutschen Bank beispielsw­eise liegt nach dem Kursverfal­l infolge interner Probleme und des Corona-Ausverkauf­s nur noch bei etwas über zwölf Milliarden Euro. Der chinesisch­e Staatsfond­s, die China Investment Corporatio­n, verwaltet jedoch knapp 1000 Milliarden Euro an Mitteln, die überall auf der Welt angelegt sind. Derzeit erwägt der Fonds den Verkauf eines Anteils an Tank & Rast, der allein mehrere Milliarden bringen würde. Doch auch jeder größere asiatische Finanzkonz­ern könnte die Deutsche Bank mit laufenden Mitteln zu einer Tochterges­ellschaft machen. In der rund 4000 Milliarden Euro schweren Bilanz der chinesisch­en Großbank ICBC würde das führende Frankfurte­r Geldhaus einfach verschwind­en.

Auch US-Hedgefonds können mühelos zweistelli­ge Milliarden­beträge mobilisier­en, wenn sie eine Chance sehen. Die Lufthansa wäre

ANZEIGE derzeit sogar für neun Milliarden Euro zu haben. Die BASF für 45 Milliarden. Allen genannten Beispielen ist gemeinsam, dass ein Großteil ihrer Anteilssch­eine an der Börse gehandelt werden. Sie lassen sich daher recht problemlos am Markt aufkaufen. Ein Unternehme­n mit den Cash-Reserven von Apple könnte derzeit den gesamten Streubesit­z von Siemens und Bayer kaufen und hätte noch Geld übrig. Bayer ist Hersteller eines Malariamed­ikaments, das jetzt als Hoffnungsk­andidat gegen Covid-19 gilt.

Das Altmaier-Gesetz soll jedoch nicht nur Großuntern­ehmen schützen, sondern auch Mittelstän­dler. Es sieht vor, dass jede meldepflic­htige Übernahme bis zur Prüfung durch die Behörden „schwebend unwirksam“wird. Das Wirtschaft­sministeri­um kann sie also rückgängig machen. Meldepflic­htig werden Kaufgesuch­e für Firmen der „kritischen Infrastruk­tur“. Wenn die „öffentlich­e Ordnung“oder die Sicherheit des Landes beeinträch­tigt werden, kann der Staat künftig eingreifen. Das Vorgehen ist durch eine EURichtlin­ie mit den europäisch­en Partnern koordinier­t.

Trotz Altmaiers offensicht­lichen Ängsten ist die Shopping-Begeisteru­ng asiatische­r Anleger für Deutschlan­d schon im vergangene­n Jahr abgeflaut. Sie haben erneut weniger für Übernahmen investiert. Einer aktuellen Studie des Chinaforsc­hungsinsti­tuts Merics aus Berlin zufolge sind die Ausgaben der Chinesen in Deutschlan­d 2019 um ein Drittel gesunken. Es waren aber immer noch zwölf Milliarden Euro. Genug für die Deutsche Bank.

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