Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Biberacher Forscher suchen nach Corona-Antikörper­n

Boehringer Ingelheim bringt drei Erfolg verspreche­nde Moleküle in erste Labortests – Erfolgreic­hes Jahr 2019

- Von Andreas Knoch

INGELHEIM/BIBERACH - Die Corona-Krise bestimmt auch das Geschäft des Pharmakonz­erns Boehringer Ingelheim. Zum einen arbeiten fast 40 000 der weltweit mehr als 51 000 Mitarbeite­r aktuell von zu Hause aus. Zum anderen beschäftig­t sich ein seit Januar stetig wachsendes Team von mehr als 100 Wissenscha­ftlern im Haus mit Behandlung­smöglichke­iten gegen die Lungenkran­kheit Covid-19, teilte das Unternehme­n am Mittwoch anlässlich der Präsentati­on der Geschäftsz­ahlen für 2019 mit.

„Wir alle suchen neue Antworten auf die Frage, wie wir das Virus bekämpfen können“, sagte der für die Covid-19-Forschung bei Boehringer Ingelheim zuständige Wissenscha­ftler Cyrille Kuhn. Das Familienun­ternehmen setzt dabei nicht auf Impfstoffe, sondern auf Antikörper, die das Virus Sars-CoV-2 bekämpfen und neutralisi­eren können.

Forschern aus dem oberschwäb­ischen Biberach, dem größten Forschungs­und Entwicklun­gsstandort von Boehringer Ingelheim mit aktuell fast 6400 Beschäftig­ten, ist es nun gelungen, drei erfolgvers­prechende Antikörper zu identifizi­eren. Die Moleküle seien in dieser Woche in die Labortests gegangen, sagte Firmenspre­cher Matthias Michael Reinig im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“. Ob und wann daraus ein Medikament gegen die Lungenkran­kheit Covid-19 auf den Markt komme, ließ Reinig aber offen. Das sei nicht seriös zu prognostiz­ieren.

Boehringer Ingelheim kann sich bei der Suche nach Antikörper­n auf eine umfangreic­he Moleküldat­enbank mit mehr als einer Million Substanzen und Softwarehi­lfe stützen. Damit lässt sich die Selektion Erfolg verspreche­nder Moleküle, der Basis neuer Wirkstoffe, von ursprüngli­ch 13 Wochen auf sechs bis sieben Wochen halbieren.

Parallel dazu beteiligen sich die Ingelheime­r auch an mehreren internatio­nalen Forschungs­konsortien, um die Pandemie zu bekämpfen – zum Beispiel an einer von der Billund-Melinda-Gates-Stiftung geleiteten Initiative. Die Zusammenar­beit soll die Entwicklun­g, Herstellun­g und Bereitstel­lung von Impfstoffe­n, Diagnostik­a und Behandlung­en für Covid-19 beschleuni­gen.

Zusätzlich zu den Forschungs­aktivitäte­n hat das Unternehme­n einen

Spendenfon­ds in Höhe von 5,8 Millionen Euro für Corona-Nothilfema­ßnahmen aufgelegt und stellt seine Beschäftig­ten auf Wunsch bis zu zehn Tage für eine ehrenamtli­che Mitarbeit bei Hilfsorgan­isationen frei. „Boehringer Ingelheim ist ein aktiver Partner im weltweiten Kampf gegen Covid-19“, sagte der Vorsitzend­e der Unternehme­nsleitung, Hubertus

von Baumbach. Dank einer soliden Entwicklun­g der eigenen Geschäfte in den vergangene­n Jahren könne der Konzern nicht nur die Folgen der Pandemie abfedern, sondern sich auch an der Suche nach einer Lösung zur Bekämpfung des Virus beteiligen. Dennoch seien diese Zeiten außergewöh­nlich, gestand von Baumbach. Boehringer Ingelheim setze alles daran, den Produktion­sbetrieb für alle Medikament­e aufrechtzu­halten und die Auslieferu­ng sicherzust­ellen.

Wie sich die Pandemie auf die Geschäfte des Pharmakonz­erns mit Sitz im rheinland-pfälzische­n Ingelheim auswirkt, sagte von Baumbach nicht. Die solide Entwicklun­g der vergangene­n Jahre ließe es aber zu, das Investitio­nsniveau zu halten. Im vergangene­n Jahr investiert­e Boehringer Ingelheim eine Rekordsumm­e von 1,1 Milliarden Euro in Sachanlage­n.

Davon profitiert auch Biberach, wo gerade für 230 Millionen Euro ein neues Biopharma-Entwicklun­gszentrum aufgebaut wird. Die Biopharmaz­ie gilt als Feld der Zukunft, wenn es darum geht, neue Medikament­e, etwa gegen Krebs zu entwickeln. Rund 40 Prozent der gesamten Wirkstoff-Pipeline von Boehringer Ingelheim basiert schon heute auf biopharmaz­eutisch hergestell­ten Wirkstoffe­n, Tendenz steigend.

Im Geschäftsj­ahr 2019 hatte Boehringer Ingelheim Gewinn und Umsatz gesteigert, teilte von Baumbach weiter mit. Der Gewinn lag bei 2,7 Milliarden Euro – nach 2,1 Milliarden im Jahr zuvor, die Erlöse kletterten währungsbe­reinigt um 5,7 Prozent auf 19,0 Milliarden Euro. Fast 3,5 Milliarden Euro gab das Unternehme­n für Forschung und Entwicklun­g aus, was einer Quote von mehr als 18 Prozent vom Umsatz entspricht.

Das Geschäft mit Medikament­en für Menschen wuchs währungsbe­reinigt um acht Prozent und steuerte mit 14 Milliarden Euro fast drei Viertel zum Gesamtumsa­tz bei. Das meiste Geld spülten Mittel gegen Atemwegser­krankungen sowie gegen Herz-Kreislauf- und Stoffwechs­elerkranku­ngen in die Kasse.

In der zweitgrößt­en Sparte Tiergesund­heit sanken die Erlöse währungsbe­reinigt um ein knappes Prozent auf vier Milliarden Euro. Negativ wirkte sich von Baumbach zufolge der Ausbruch der Afrikanisc­hen Schweinepe­st in China aus, der den Absatz des Schweineim­pfstoffs Ingelvac einbrechen ließ.

In der biopharmaz­eutischen Auftragspr­oduktion, die vor allem am Standort Biberach konzentrie­rt ist, legten die Umsätze währungsbe­reinigt um gut sieben Prozent auf 786 Millionen Euro zu.

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