Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Die ungewohnte Zeit des Rasenpflegers
Für das Grün im Schwarzwald-Stadion hat die Coronavirus-Pause auch etwas Gutes
FREIBURG (dpa) - Mit Volker Finke fand Freiburgs Greenkeeper Alfred Melcher schnell eine Gemeinsamkeit. Bei seinem ersten Besuch im Büro des Ex-Trainers habe er gefragt, ob er rauchen dürfe, schilderte Melcher einmal auf der Vereinshomepage: „Ich glaube, seit Finke dann sah, dass ich den gleichen Tabak wie er selbst bevorzugte, hatte ich schon einen Stein bei ihm im Brett.“
Es ist eine nette Anekdote, die zeigt, wie lange der 64-Jährige schon beim SC Freiburg dazu gehört. Seit fast 20 Jahren arbeitet der RasenFachmann für den badischen Bundesligisten, eine solch ungewohnte Zeit wie jetzt in der CoronavirusKrise hat er natürlich auch noch nicht erlebt. Immerhin hat die Zwangspause ihm ermöglicht, den Rasen in einen hervorragenden Zustand zu bringen. Wenn es nach dem Gras im Schwarzwald-Stadion gehen würde, könnte die unterbrochene Saison sofort fortgesetzt werden.
„Die Spieler haben Topbedingungen, wenn es wieder losgeht“, sagte Melcher. Wie ein großer grüner Teppich liegt der Platz im verlassenen Stadion. Nur Melcher dreht ein paar Runden, um „Luft und Lockerung“in den Rasen zu bringen. „Dazu habe ich in der Saison keine Chance, da pflücken sie das alle zwei Wochen auseinander“, sagte er.
Fast 97 Prozent der Schäden aus den Bundesligaspielen seien mittlerweile zugewachsen, schätzte er. Außerdem konnte das Gras Wurzeln bilden, sodass er deutlich stabiler und belastbarer ist als normalerweise zu dieser Zeit. Im November sei der Rasen in keinem guten Zustand und die Wurzeln mit zwei bis drei Zentimetern viel zu kurz gewesen. Jetzt sticht Melcher ein Quadrat heraus und präsentiert rund zehn Zentimeter
langes Wurzelwerk. Die Voraussetzungen für erfolgreichen Freiburger Fußball sind geschaffen. „Wir wollen den Ball ordentlich laufen lassen, ein guter Rasen ist daher Teil unserer Art Fußball zu spielen“, sagte Sportvorstand Jochen Saier.
Momentan hat das PlatzwartTeam weniger zu tun als sonst. Es werden Überstunden abgebummelt und Urlaub genommen. Ein bis zweimal in der Woche wird gemäht, der normale Rhythmus liegt bei dreimal. Das Gras wächst nicht so schnell, weil die Nächte noch sehr kalt waren.
Die Heimspieltage fehlen Melcher derzeit am meisten, auch wenn er damit die meiste Arbeit hat. Er selbst hat nie Vereinsfußball gespielt. „Da ich kein so guter Schüler war, erlaubten meine Eltern das nicht. Aber hobbymäßig hab ich leidenschaftlich gekickt und, manche sagen, richtig gut“, schilderte er einst. „In den 70ern war ich so ein bisschen ein Hippie und natürlich Fan von Borussia Mönchengladbach mit Günter Netzer. Ich komme ja aus der Gegend, aus Alsdorf bei Aachen.“
Sein „zweiter Herzensverein“wäre eigentlich Mitte April zu Gast im Schwarzwald-Stadion gewesen. Bis mindestens Ende des Monats aber setzt die Bundesliga jetzt noch aus. Inzwischen trainieren die Profis von Trainer Christian Streich immerhin wieder, eingeschränkt und in kleinen Gruppen, aber auch im Schwarzwald-Stadion.
Sollte die Bundesligasaison erst im Juni oder Juli beendet werden, würde das auch für den Rasen „Stress bedeuten“, wie der Greenkeeper erklärt. Falls es im Sommer möglicherweise nur eine kurze Pause gibt, bleibt auch dem Rasen keine Chance zur Erholung.