Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Frostschäden und Feuerbrand
Der milde Winter und die Folgen: Stürme und Trockenheit schwächen Bäume, Schädlinge haben leichtes Spiel
KREIS LINDAU - Verschneite Wiesen und Wege und eine weiß-glitzernde Traumlandschaft hat es im vergangenen Winter nicht gegeben. Stattdessen war es mild und stürmisch. „Eigentlich soll die kalte Jahreszeit dafür sorgen, dass die Natur neu gestaltet wird und aufatmen kann“, sagt Elmar Karg, Kreisobmann des bayerischen Bauernverbandes. Doch statt Erholung unter einer dicken Schneeschicht ist die Natur überstrapaziert worden: „Die vielen Stürme haben zwar für Wasser gesorgt, doch das war dann so viel, dass die Bäche das nicht aufnehmen konnten.“Die vergangenen Jahre mussten Landwirte immer wieder mit Trockenheit kämpfen. „Uns fehlt Wasser für die Tiere, das Wachstum auf den Feldern ist geringer, was weniger Ertrag bedeutet“, erklärt Karg. Auswirkungen der ungewöhnlichen Wetterlagen im Winter spüren nicht nur die Grünlandbauern.
Der Winter 2019/2020 war heuer in Deutschland der zweitwärmste seit Beginn der Aufzeichnungen im
Jahr 1881. In Bayern lag die Durchschnittstemperatur bei 2,6 Grad und war somit im Schnitt laut Deutschem Wetterdienst drei Grad höher als im 30-jährigen Vergleichszeitraum. Dieser Trend ist seit Jahren zu beobachten. „Veränderung ist eines der ältesten Naturgesetze“, sagt Andreas Täger von der Waldbesitzervereinigung Westallgäu (WBV). „Aber das Problem ist die Geschwindigkeit. Dadurch treten immer häufiger Schäden in den Wäldern auf.“
Stürme und Trockenheit schwächen die Bäume, darum können sie sich kaum wehren gegen Ungeziefer, erläutert Täger. Optimale Bedingungen erlebte in diesem Winter der Borkenkäfer: Wegen der geringen und kurzen Frostphasen überlebten viele Exemplare die Wintermonate, außerdem fanden sie im Schadholz, das die Stürme in den Wäldern hinterließen, reichlich Unterschlupf und Möglichkeit zur Eiablage. Unter diesen Bedingungen kann sich der Borkenkäfer rasch ausbreiten und ganze Wälder absterben lassen.
Die Obstbauern sorgen sich weniger wegen des milden Winters um ihre Plantagen als wegen der frühen Blüte: Besonders die von Pfirsich, Kirsche und Zwetschge drohen wegen Spätfrost abzusterben. Um das zu verhindern, zünden die Obstbauern kontrollierte Feuer in den Plantagen, um den Frost zu schmelzen. „Der März war im Gegensatz zum Winter sehr frisch“, sagt Martin Nüberlin, Sprecher der Lindauer Erwerbsobstbauern. Mit der Blüte verfrüht sich außerdem die Feuerbrandsaison. Die bakterielle Pflanzenkrankheit befällt insbesondere Kernobst und hat jetzt mehr Zeit, sich seuchenartig auszubreiten. „Uns Obstbauern kann man es aber
ANZEIGEN auch nicht recht machen“, gibt Nüberlin zu. „Aktuell ist es beispielsweise wieder zu trocken.“
Auf die Zugvögel hat der milde Winter nach Beobachtung von Isolde Miller vom Bund Naturschutz Kreisgruppe Lindau keine auffällig negativen Auswirkungen. „Die Tiere sind viel früher da als sonst.“Das besorgt sie nicht. „Wenn es nicht noch einen Kälteeinbruch gibt, bedeutet das mehr Nachwuchs.“Wegen der kalten Märznächte seien außerdem viele Tiere in ihren Unterschlüpfen geblieben. „Das ist gut, weil es bisher nicht viel Nahrung gegeben hat.“Was die höheren Durchschnittstemperaturen
allerdings auf lange Sicht für die Tierwelt bedeuten, sei noch unklar. Geht es nach Gartenfachberater Bernd Brunner, müssen die Menschen wegen des milden Winters heuer besonders achtsam mit ihren Gärten umgehen. Denn Schädlinge gibt es nicht nur im Wald: Um Schnecken, Blattläuse und Raupen möglichst frühzeitig fernzuhalten, „sollte man gut beobachten, was im Garten passiert und dann so schnell wie möglich eingreifen“, sagt er. Dabei reiche es meist, das Ungeziefer mit den Händen oder anderen mechanischen Methoden zu entfernen – von Insektiziden rät er indes ab, zu schädlich seien sie für andere Tiere.
Die Aufgabe, die Böden zu bewässern, müssen die Gärtner außerdem in diesem Frühjahr durch häufigeres Gießen selbst übernehmen. Denn eigentlich schützt eine Schneedecke die Erde davor, auszutrocknen, und damit auch die Pflanzen. „Da gibt es wegen zu wenig Schnee Gewinner und Verlierer.“
So profitieren mediterrane Pflanzenarten, die höhere Temperaturen gewöhnt sind, vom wärmeren Klima, sagt Brunner: „Speziell Nadelgehölze reagieren dagegen sehr empfindlich auf lang anhaltende Trockenheit.“