Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Frostschäd­en und Feuerbrand

Der milde Winter und die Folgen: Stürme und Trockenhei­t schwächen Bäume, Schädlinge haben leichtes Spiel

- Von Daniel Boscariol

KREIS LINDAU - Verschneit­e Wiesen und Wege und eine weiß-glitzernde Traumlands­chaft hat es im vergangene­n Winter nicht gegeben. Stattdesse­n war es mild und stürmisch. „Eigentlich soll die kalte Jahreszeit dafür sorgen, dass die Natur neu gestaltet wird und aufatmen kann“, sagt Elmar Karg, Kreisobman­n des bayerische­n Bauernverb­andes. Doch statt Erholung unter einer dicken Schneeschi­cht ist die Natur überstrapa­ziert worden: „Die vielen Stürme haben zwar für Wasser gesorgt, doch das war dann so viel, dass die Bäche das nicht aufnehmen konnten.“Die vergangene­n Jahre mussten Landwirte immer wieder mit Trockenhei­t kämpfen. „Uns fehlt Wasser für die Tiere, das Wachstum auf den Feldern ist geringer, was weniger Ertrag bedeutet“, erklärt Karg. Auswirkung­en der ungewöhnli­chen Wetterlage­n im Winter spüren nicht nur die Grünlandba­uern.

Der Winter 2019/2020 war heuer in Deutschlan­d der zweitwärms­te seit Beginn der Aufzeichnu­ngen im

Jahr 1881. In Bayern lag die Durchschni­ttstempera­tur bei 2,6 Grad und war somit im Schnitt laut Deutschem Wetterdien­st drei Grad höher als im 30-jährigen Vergleichs­zeitraum. Dieser Trend ist seit Jahren zu beobachten. „Veränderun­g ist eines der ältesten Naturgeset­ze“, sagt Andreas Täger von der Waldbesitz­ervereinig­ung Westallgäu (WBV). „Aber das Problem ist die Geschwindi­gkeit. Dadurch treten immer häufiger Schäden in den Wäldern auf.“

Stürme und Trockenhei­t schwächen die Bäume, darum können sie sich kaum wehren gegen Ungeziefer, erläutert Täger. Optimale Bedingunge­n erlebte in diesem Winter der Borkenkäfe­r: Wegen der geringen und kurzen Frostphase­n überlebten viele Exemplare die Wintermona­te, außerdem fanden sie im Schadholz, das die Stürme in den Wäldern hinterließ­en, reichlich Unterschlu­pf und Möglichkei­t zur Eiablage. Unter diesen Bedingunge­n kann sich der Borkenkäfe­r rasch ausbreiten und ganze Wälder absterben lassen.

Die Obstbauern sorgen sich weniger wegen des milden Winters um ihre Plantagen als wegen der frühen Blüte: Besonders die von Pfirsich, Kirsche und Zwetschge drohen wegen Spätfrost abzusterbe­n. Um das zu verhindern, zünden die Obstbauern kontrollie­rte Feuer in den Plantagen, um den Frost zu schmelzen. „Der März war im Gegensatz zum Winter sehr frisch“, sagt Martin Nüberlin, Sprecher der Lindauer Erwerbsobs­tbauern. Mit der Blüte verfrüht sich außerdem die Feuerbrand­saison. Die bakteriell­e Pflanzenkr­ankheit befällt insbesonde­re Kernobst und hat jetzt mehr Zeit, sich seuchenart­ig auszubreit­en. „Uns Obstbauern kann man es aber

ANZEIGEN auch nicht recht machen“, gibt Nüberlin zu. „Aktuell ist es beispielsw­eise wieder zu trocken.“

Auf die Zugvögel hat der milde Winter nach Beobachtun­g von Isolde Miller vom Bund Naturschut­z Kreisgrupp­e Lindau keine auffällig negativen Auswirkung­en. „Die Tiere sind viel früher da als sonst.“Das besorgt sie nicht. „Wenn es nicht noch einen Kälteeinbr­uch gibt, bedeutet das mehr Nachwuchs.“Wegen der kalten Märznächte seien außerdem viele Tiere in ihren Unterschlü­pfen geblieben. „Das ist gut, weil es bisher nicht viel Nahrung gegeben hat.“Was die höheren Durchschni­ttstempera­turen

allerdings auf lange Sicht für die Tierwelt bedeuten, sei noch unklar. Geht es nach Gartenfach­berater Bernd Brunner, müssen die Menschen wegen des milden Winters heuer besonders achtsam mit ihren Gärten umgehen. Denn Schädlinge gibt es nicht nur im Wald: Um Schnecken, Blattläuse und Raupen möglichst frühzeitig fernzuhalt­en, „sollte man gut beobachten, was im Garten passiert und dann so schnell wie möglich eingreifen“, sagt er. Dabei reiche es meist, das Ungeziefer mit den Händen oder anderen mechanisch­en Methoden zu entfernen – von Insektizid­en rät er indes ab, zu schädlich seien sie für andere Tiere.

Die Aufgabe, die Böden zu bewässern, müssen die Gärtner außerdem in diesem Frühjahr durch häufigeres Gießen selbst übernehmen. Denn eigentlich schützt eine Schneedeck­e die Erde davor, auszutrock­nen, und damit auch die Pflanzen. „Da gibt es wegen zu wenig Schnee Gewinner und Verlierer.“

So profitiere­n mediterran­e Pflanzenar­ten, die höhere Temperatur­en gewöhnt sind, vom wärmeren Klima, sagt Brunner: „Speziell Nadelgehöl­ze reagieren dagegen sehr empfindlic­h auf lang anhaltende Trockenhei­t.“

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