Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Ausländische Kräfte sind nötig
Was gern in den Debatten um die Pflege vergessen wird: Sieben von zehn Pflegebedürftigen in Deutschland werden zu Hause betreut. Zumeist von den eigenen Angehörigen. Zu einem großen Teil aber auch durch osteuropäische Helfer. Denn die stehen den Pflegebedürftigen rund um die Uhr zur Verfügung. Was beim Engagieren eines deutschen Pflegedienstes für die allermeisten Haushalte unbezahlbar wäre. Sprich: Die Pflege wird durch Schwarzarbeit sichergestellt.
Das ist seit Jahren ein Fakt. Um den die Politik bisher aber lieber einen Bogen gemacht hat. Ist doch die Not mit unbesetzten Pflegestellen in Altersheimen und Kliniken schon groß genug. In Zeiten von Corona ist das Problem jedoch nicht mehr zu ignorieren. Schließlich dürfen nur noch legal beschäftigte Betreuungspersonen die Grenze überqueren – das sind in Deutschland wohl aber nur etwa zehn Prozent. Dazu kommt die Angst der Pflegehelfer, sich selbst oder ihre Schutzbefohlenen mit dem Virus anzustecken. Folge: 150 000 bis 200 000 alte Menschen können quasi über Nacht nicht mehr durch osteuropäische Betreuungspersonen versorgt werden.
Vor diesem Hintergrund sind klare Rahmenbedingungen für die Vollzeitbetreuung daheim, für grundsätzlich legale, damit finanzierbare und abgesicherte Beschäftigungsverhältnisse nötig. In der Hoffnung auf Zeiten, wo die Grenzen innerhalb der EU wieder durchlässig werden. Denn die Hoffnung, dass es gelingen könnte, in einer alternden Gesellschaft, die einen eklatanten Mangel an Pflegekräften hat, aus den eigenen Ressourcen alle nötigen Pflegekräfte zu mobilisieren, ist schlicht illusorisch.
Wer nicht den japanischen Weg gehen will, wo Roboter möglichst viel an Pflege übernehmen sollen, muss nicht nur alle Möglichkeiten nutzen, Bundesbürger für Pflegejobs zu gewinnen, er muss auch mit gutem Geld, guten Arbeitsbedingungen und guten Worten diejenigen auf Zeit oder für immer ins Land holen, die gewillt sind, bei uns als Mensch einen anderen Menschen zu unterstützen – ihn zu waschen, zu stützen, mit ihm zu reden.
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