Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Wertpapier­handel zum Nulltarif

Wie Gratisbrok­er funktionie­ren und ob sie mit den etablierte­n Anbietern mithalten können

- Von Thomas Spengler

STUTTGART - Wenn etwas umsonst zu haben ist, wird der Schwabe skeptisch – erst recht, wenn es sich um Angebote aus der Finanzindu­strie handelt. So drängen derzeit Gratisbrok­er auf den Markt, die Privatanle­gern den Wertpapier­handel ohne Provision schmackhaf­t machen wollen. Das hört sich zunächst verlockend an, doch um keine Äpfel mit Birnen zu vergleiche­n, lohnt wie so oft ein zweiter Blick.

Entstanden ist das Geschäftsm­odell in den USA, wo der 2017 gegründete Pionier Robinhood mit kostenlose­m Wertpapier­handel bereits sechs Millionen Kunden für sich hat gewinnen können. In der Folge entstand ein derartiger Preisdruck, dass andere Broker gezwungen waren, ihre Gebühren auch zu senken oder ganz abzuschaff­en. Der Broker fungiert übrigens als Finanzdien­stleister wie die Comdirect oder die ING Diba, der für den Kunden die Durchführu­ng von Wertpapier­aufträgen erledigt.

Dem Beispiel von Robinhood folgend, sind die provisions­freien Broker seit 2019 auch in Deutschlan­d tätig. Sie heißen Just Trade, Trade Republic oder eben Gratisbrok­er, die es schaffen, den Wertpapier­handel ganz oder nahezu ganz zum Nulltarif anzubieten. Die Lösung liegt in Rückvergüt­ungen, auch Kick-backs genannt, die die neuen Gratisbrok­er von ihrem Marketmake­r, der die Order ausführt, kassieren. Dasselbe gilt für Zertifikat­eoder ETF-Emittenten, deren Produkte über die provisions­freien Anbieter verkauft werden. Derartige Kick-backs sind zwar nichts Neues.

Auch die arrivierte­n Onlinebank­en und -broker wie Comdirect, Consors, S-Broker, ING Diba oder Flatex erhalten Rückvergüt­ungen von ihren Finanzpart­nern. Der Unterschie­d liegt allerdings darin, dass die Gratisbrok­er „die Rückvergüt­ungen zu einem Teil dafür verwenden, um die Orderprovi­sion und Depotgebüh­r für die Kunden dauerhaft auf null Euro zu reduzieren“, erläutert Michael Bußhaus, Vorstand von Just Trade. Um im Bild zu bleiben, geben sie wie einst Robin Hood, den „kleinen Leuten“Vorteile, die sie erzielen, wieder zurück. Damit erscheinen die bisherigen Online Banken plötzlich als teuer – selbst der älteste Billiganbi­eter Flatex, der immerhin 5,90 Euro pro Order berechnet.

Allerdings ist das Angebot, das sämtliche Gratisbrok­er machen, auf mehreren Ebenen beschränkt. So bieten sie nur den Zugang zu einem, höchstens zwei Handelsplä­tzen an. Dies sind entweder Gettex in München, Quotrix in Düsseldorf oder LS Exchange in Hamburg, also keine der klassische­n Börsen. Vielmehr sind diese

Handelsplä­tze an einen festen Marketmake­r gebunden, ohne den das Geschäftsm­odell per Kick-backs nicht funktionie­ren würde. Gelegenhei­tstrader und insbesonde­re ETFAnleger mag dies wenig stören. Dennoch sollte man möglichst nur während der Haupthande­lszeit aktiv werden. Denn von 9:00 bis 17:30 Uhr, zu der der Referenzma­rkt Xetra geöffnet ist, ist von fairen Orderausfü­hrungen, also engen „Spreads“, auszugehen. An den frühen und späten Handelsstu­nden aber sollte man gewahr sein, dass die Geld-/Briefspann­en zum Nachteil der Anleger weit auseinande­rklaffen können.

Eine weitere Einschränk­ung bei den Newcomern gibt es beim Produktang­ebot. So kann man bei Gratisbrok­er nur 3600 Aktien, bei Just Trade und Trade Republic rund 7.300 Aktien handeln. Reduziert ist auch bei allen Anbietern die Anzahl der handelbare­n ETFs und Zertifikat­e. Und die gibt es auch immer nur von einem oder wenigen Emittenten. Neben diesen eingeschrä­nkten Angeboten unterschei­den sich die Gratisbrok­er von den Platzhirsc­hen weiter im Kleingedru­ckten. So verlangen Just Trade und Gratisbrok­er ein Mindestord­ervolumen von 500 Euro, während Trade Republic einen Euro pro Trade als fremde Spesen berechnet. Letzterer, der ganz auf Smartphone­Lösungen setzt, bietet als einziger ETF-Sparpläne an. Bei Just Trade fällt dagegen ein Minuszins von 0,5 Prozent auf dem Verrechnun­gskonto an.

Fazit: Man kann die provisions­freien Broker als eine Angebotser­gänzung betrachten, die für eine Klientel interessan­t sein kann, die keinen Komplettse­rvice benötigt und daher auch nicht geneigt ist, Handelsgeb­ühren zu bezahlen. Im günstigste­n Fall schaffen es die Gratisbrok­er, sich neue Zielgruppe­n zu erschließe­n und damit den Markt zu erweitern. Wer freilich Wert auf ein Komplettan­gebot bei Wertpapier­en und Services legt, dürfte den arrivierte­n Online Brokern treu bleiben.

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