Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Kunsthistoriker
Thomas D. Trummer (Foto: Miro Kuzmanovic) hat in Graz Kunstgeschichte, Philosophie und Musik studiert. Er leitet seit Mai 2015 das Kunsthaus Bregenz in Vorarlberg und ist zudem seit 2017 Mitglied des Hochschulrats der Akademie der Bildenden Künste Karlsruhe. Der gebürtige Steirer hat sich als Experte für zeitgenössische Kunst einen Namen gemacht. So war er unter anderem in Mainz, München, Köln, Wien und den USA als Kurator tätig. Der 52-Jährige ist verheiratet und hat drei Kinder. te. Dies ist sehr wertvoll. Doch nicht alle davon sind professionell. Für das Kunsthaus kann ich sagen, dass wir von Schnellschüssen nichts halten, die Qualität ist uns wichtig. Im Vergleich zu klassischen Museen haben wir den Vorteil, dass unser Archiv reich an Dokumentationsmaterial ist. Es gibt Filme, Clips, Aufzeichnungen von Künstler*innen-Gesprächen und vieles mehr. Das hilft uns in der Corona-Pause. Letztlich wird sich im Web die Marke durchsetzen. Und das KUB hat eine herausragende und solide Marke.
Der Besuch einer Ausstellung, eines Konzerts oder einer Lesung bietet ja viel mehr als ein digitaler Rundgang oder ein Livestream. Könnte es trotzdem sein, dass Kulturveranstaltungen künftig vermehrt nur noch online angeboten werden?
im Gegenteil. Ich bin davon überzeugt, dass die Kunsterfahrung vor Ort, nachdem wir uns aus dieser Umklammerung wieder befreit haben, eine wichtige Rolle spielen wird. Schon jetzt werten wir die persönliche Begegnung in der Öffentlichkeit, am Arbeitsplatz, beim Einkaufen oder wo auch immer anders als zuvor. Denn wir haben mittlerweile ein neues Sensorium für körperliche Distanzen entwickelt. Eine menschliche Begegnung, eine Berührung oder gar ein Kuss sind kostbarer als früher, sie sind rarer und ein stärkeres Zeichen. Wir sind zwar im Moment noch unbeholfen, aber wir nehmen die Anwesenheit der Mitmenschen behutsamer wahr. Diese Unsicherheit löst in uns wichtige Fragen aus: Wo stehe ich? Wo stehst du? Wie können wir einander begegnen? Diese neue Sensibilität ist wertvoll. Und genauso wird es mit der Kunst sein. Wenn ich etwa ins Kunsthaus gehe, dann werde ich diesen Besuch als etwas Besonderes und Unverwechselbares erleben. Weil ich weiß, ich bin an einem Ort, der riecht, ich höre den Hall, sehe das wechselnde Licht, registriere mein eigenes Befinden. Dies alles sind Erfahrungen der Anwesenheit, die es so im Digitalen nicht gibt.
Peter Weibel, Leiter des Zentrums für Kunst und Medien (ZKM) in Karlsruhe, sieht das ganz anders. Er hat neulich in einem Essay für die „Neue Zürcher Zeitung“geschrieben, dass jetzt die Telegesellschaft Wirklichkeit wird. Er geht in seiner These sogar so weit, dass übersteigerte Architekturen wie Stadien, Opern- oder Kunsthäuser sich schon bald als überflüssig erweisen werden. Wie stehen Sie zu solchen Aussagen?