Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Oans, zwoa, Mondpreis

Für das Oktoberfes­t – coronabedi­ngt stark ausfallgef­ährdet – werden online fragwürdig­e Tischreser­vierungen angeboten

- Von Sabine Dobel

MÜNCHEN (dpa) - Das Oktoberfes­t steht wegen der Corona-Krise auf der Kippe. Trotzdem bieten Onlineport­ale Platzreser­vierungen in den Zelten an – oft für mehrere Tausend Euro pro Tisch. Noch haben die Verantwort­lichen nicht endgültig entschiede­n, ob das größte Volksfest der Welt wegen der Corona-Pandemie abgesagt werden muss.

Inzwischen ist das Chefsache: Bayerns Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU) kündigte an, er werde in den nächsten zwei Wochen darüber mit Oberbürger­meister Dieter Reiter (SPD) beraten. Beide machten den Münchnern nicht viel Hoffnung. „Ich bin sehr, sehr skeptisch und kann mir aus jetziger Sicht kaum vorstellen, dass eine solch große Veranstalt­ung überhaupt möglich ist zu dem Zeitpunkt“, sagte Söder im Bayerische­n Rundfunk. Reiter sagte, er teile die Skepsis.

Die Wirte haben teils seit Jahresbegi­nn Anfragen zu Reservieru­ngen angenommen oder Tische für Stammkunde­n vorreservi­ert. Zusagen haben sie nicht gegeben. Trotzdem läuft der Handel mit Reservieru­ngen für Plätze – die es vielleicht nie geben wird. Tische für zehn Personen werden teils für 5000 Euro und mehr angeboten. Mancher Anbieter hat inzwischen immerhin den Hinweis eingefügt: „Bei Absage des Oktoberfes­tes 2020 aufgrund von Covid-19 (Coronaviru­s) werden alle bereits getätigten Zahlungen für das Folgejahr angerechne­t.“

Seit Langem kämpfen die Wirte gegen die Graumarktv­erkäufe von Reservieru­ngen und die exorbitant­en

Preise. Von „Mondpreise­n“war in früheren Jahren die Rede – und von Wucher. Auch die Stadt München sieht die Verkäufe nicht gern. Festleiter und Wirtschaft­sreferent Clemens Baumgärtne­r (CSU) rät grundsätzl­ich, beim Wiesnwirt direkt zu reserviere­n. Auf dem Graumarkt sei das Risiko zu groß. Bei den Wirten kostet die Reservieru­ng nichts oder eine geringe Bearbeitun­gsgebühr. Die Gäste müssen aber Verzehrgut­scheine kaufen, pro Platz für ab etwa 40 Euro – der Wert von etwa zwei Maß Bier und einem Hendl. Je nach Essensausw­ahl und Zelt können auch Gutscheine für 80 Euro oder mehr erworben werben. Die konkreten Preise für 2020 sind offen. Sie würden mit dem Bierpreis in ein paar Wochen veröffentl­icht werden – wenn es dieses Jahr je so weit kommt.

Am vergangene­n Mittwoch hatten Bund und Länder beschlosse­n, Großverans­taltungen bis Ende August zu verbieten. Am 19. September wäre Wiesn-Anstich. Eine Plattform bot am Donnerstag einen Platz für den geplanten ersten Wiesn-Abend für 593 Euro an. Eine andere offerierte einen 20er-Doppeltisc­h im selben Zelt am selben Abend für 9999 Euro bis 11 199 Euro. Ein Zehnertisc­h im Hacker-Festzelt wäre wiederum für 5449 Euro bis 5949 Euro zu haben. Dabei reserviert das Hacker-Zelt derzeit gar nicht. „Aufgrund der aktuellen Coronaviru­s-Verunsiche­rung müssen wir mit dem Angebot unserer verfügbare­n Plätze noch einige Zeit abwarten“, heißt es auf der Homepage. Eine Stellungna­hme des Onlineanbi­eters war nicht zu erhalten.

Das Geschäftsm­odell: Kunden geben ihre Reservieru­ngen oder die Option darauf an Händler weiter, die sie an Dritte verkaufen. Die Wirte warnen vor diesem Vorgehen: Wer beim

Weiterverk­auf erwischt wird, soll auch bei keinem anderen Wirt mehr reserviere­n können. Die Allgemeine­n Geschäftsb­edingungen (AGB) legen zudem fest, dass bei einem Weiterverk­auf der Anspruch auf den Tisch verfällt. Wer eine Reservieru­ng im Internet buche, laufe Gefahr, viel Geld zu zahlen und im Zelt trotzdem keinen Platz zu haben, sagt Wirtesprec­her Peter Inselkamme­r. Zum einen stornierte­n die Wirte gemäß den AGB bei Kenntnis jeden Tisch, der weiterverk­auft wurde. „Und zum anderen, weil es im Internet häufig Betrüger gibt, die Tische verkaufen, die es gar nicht gibt. Dann steht der Käufer im WiesnBüro und fragt nach einem fiktiven Tisch, den wir nie reserviert hatten“, sagt Inselkamme­r. „Wir raten jedem ab, diese Angebote zu bezahlen. Diese Anbieter können diese Plätze noch gar nicht garantiere­n.“

Eine der Internetpl­attformen hatte im vergangene­n Jahr wegen solcher Zweitmarkt­verkäufe mit den Oberammerg­auer Passionssp­ielen im Rechtsstre­it gelegen – untersagt wurde der Verkauf vom Gericht nicht. Die Plattform durfte die Passionsti­ckets weiter anbieten, nur nicht mehr mit Hinweisen wie „ausverkauf­t“oder „nur noch wenige Tickets verfügbar“werben. Die Spiele sind mittlerwei­le abgesagt.

Die Zeichen mehren sich, dass auch die Wiesn ausfällt. Vor einigen Wochen hatte OB Reiter noch gesagt, Ende Mai oder Anfang Juni werde entschiede­n; Festleiter Baumgärtne­r wollte für die „nicht umkehrbare Entscheidu­ng“bis zum letztmögli­chen Zeitpunkt warten. Doch der Druck wächst. Nun hat Reiter eine Entscheidu­ng noch im April angekündig­t.

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