Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Corona-Krise stellt Vereine vor Herausforderungen
Kein Trainingsbetrieb – Veranstaltungen fallen aus – So gehen Tettnanger Vereine mit der Situation um
TETTNANG - Das Coronavirus hat das Vereinsleben in der Region weitestgehend zum Erliegen gebracht. Trainingsstunden, Musikproben und andere Gruppenaktivitäten müssen ausfallen. Doch die Corona-Krise bringt für Vereine mitunter auch finanzielle und rechtliche Herausforderungen mit sich.
Kein Trainingsbetrieb, keine Proben bei den Musikvereinen, Planungen für Feste und andere Veranstaltungen liegen auf Eis. Durch den Wegfall von Aktivitäten und Veranstaltungsabsagen entgehen den Vereinen oftmals überlebenswichtige Einnahmen. Gerade in Zeiten wie diesen hoffen die Vereine auf die Loyalität ihrer Mitglieder. Dennoch häufen sich laut dem Württembergischen Landessportbund bei manchen Vereinen bereits die Nachfragen von Mitgliedern nach der Erstattung von Beiträgen und Kursgebühren.
Auch wenn das bislang bei den meisten Vereinen in der Region noch kein Problem ist, haben auch sie mit der Situation zu kämpfen: „Viele Kosten fallen an, obwohl Einnahmen fehlen“, sagt Eveline Leber, die als Präsidentin des Sportkreises Bodensee Vertreterin von 210 Sportvereinen im Landkreis ist. „Sportvereine veranstalten gerade im Frühjahr und Sommer Vereinsfeste, um damit den defizitären Kinder- und Jugendsport finanziell ausgleichen zu können“, so Leber. Einige Vereine betreiben zudem eine Vereinsgaststätte oder haben diese verpachtet. Auch durch die Schließungen von Gaststätten kämen weitere finanzielle Einbußen auf die Vereine zu. Der Reit- und Fahrverein Krumbach hätte eigentlich Ende März sein jährliches Jugendturnier abgehalten. Wegen Corona musste auch dieses abgesagt werden. „Für den Verein ist das Jugendturnier die zweitgrößte Veranstaltung“, sagt Vereinsvorstand Hubertus von Dewitz. Damit fehlten nun nicht nur wichtige Einnahmen, sondern es falle auch ein enormer Aufwand an. Denn die ganzen Anmeldegebühren müssten rückabgewickelt werden.
Auch Reitstunden oder Voltigiertraining dürfen momentan nicht stattfinden. Doch die Kosten für den Unterhalt der vereinseigenen Voltigierpferde sowie der Anlage fallen natürlich weiterhin an, sagt von Dewitz. Seine Jahreshauptversammlung musste der Reitverein verschieben – wie auch viele weitere Vereine, beispielsweise der TSV Tettnang oder die Musikkapelle Obereisenbach. „Zum ersten Mal seit mehr als 60 Jahren konnten wir unsere Hauptversammlung nicht am traditionellen Termin an Palmsonntag abhalten“, sagt Alfons Diemer, Vorstand der Obereisenbacher Musikkapelle.
Weil in diesem Jahr keine Vorstandswahlen
anstehen, sei das zum Glück gut machbar und die Versammlung könne problemlos verschoben werden, sagt Diemer. Doch manche Vereine sind durch die Corona-Krise in Zeitdruck geraten, weil die Satzung eine Versammlung innerhalb eines bestimmten Zeitfensters vorschreibt. Der Bundestag hat deshalb Ende März ein Gesetz erlassen, das den Vereinen helfen soll.
Die bisherigen Vorstandsmitglieder bleiben demnach auch nach Ablauf ihrer Amtszeit weiter im Amt, bis ein Nachfolger gewählt ist. Die Regelung gilt speziell für Amtsperioden, die im Jahr 2020 ablaufen. So soll verhindert werden, dass Vereine aufgrund der Corona-Pandemie in eine rechtliche Bredouille geraten. Generell gelte: „Eine Mitgliederversammlung darf nicht einfach entfallen. Sie kann aber verlegt werden“, stellt Eveline Leber klar.
Wann das Vereinsleben wieder zur gewohnten Form zurückkehren kann, weiß derzeit niemand. Auch die Frage, welche Vereinsveranstaltungen stattfinden können, ist noch nicht abschließend geklärt. Großveranstaltungen sind nach einem Beschluss der Bundesregierung bis zum 31. August untersagt. Ob darunter beispielsweise auch kleinere Musikfeste fallen, ist noch nicht klar. Die Musikkapelle Obereisenbach hat die Planungen für das alljährliche Waldfest Ende Juni bereits weitestgehend abgeschlossen.
„Wir haben allerdings die Option, dass wir bis zu eineinhalb Wochen vorher noch alles stornieren können“, sagt Alfons Diemer. So fallen für das Fest selbst zwar bei einer Absage keine großen Kosten für den
Verein an. Doch zusammen mit dem Schnurranten ist das Waldfest die wichtigste Einnahmequelle für den Verein. „Wir können die laufenden Kosten zwar decken, aber Zuschüsse für die Jugendarbeit oder neue Instrumente werden dann schwierig“, meint Diemer.
Beim TSV Tettnang, mit mehr als 2500 Mitgliedern der zweitgrößte Verein im Sportkreis Bodensee, ist es vor allem die Abteilung Fußball, die bei fehlenden Einnahmen mit weiterhin hohen Kosten zu kämpfen hat, berichtet TSV-Geschäftsführer Harald Franzen. So müsse die Platzpflege weiterhin betrieben werden, zudem hätten viele der Trainer einen Arbeitsvertrag, der weiterlaufe. Auch er nimmt jedoch wahr, dass die Mitglieder viel Verständnis für die Situation aufbringen und zu ihrem Verein stehen. Am schlimmsten empfindet Alfons Diemer jedoch bei allen finanziellen Problemen den kameradschaftlichen Aspekt, der durch die Kontaktsperren derzeit wegfällt. „Wir sehen uns sonst mindestens zweimal die Woche in verschiedenen Konstellationen. Das sind schon Freundschaften, die da momentan nicht gepflegt werden können“, meint er. Als kürzlich ein Vereinsmitglied verstorben sei, hätten die Musiker ihm nicht die Ehre erweisen können und konnten bei der Beerdigung nicht anwesend sein. „Das trübt die Stimmung im Verein“, stellt Diemer fest.
Aber auch die fehlenden Proben können sich schnell bemerkbar machen: „Man kommt aus der Übung“, sagt Diemer. Deswegen haben die Mitglieder das Sommer-Musikprogramm der Kapelle bekommen und proben jeweils für alleine zu Hause. Ähnlich geht auch die Tettnanger Stadtkapelle vor. Neben der Hauptversammlung musste der Verein auch sein großes Konzert „Blasmusik Total“in der Strauss-Halle absagen. Damit die Tettnanger trotzdem auch in Corona-Zeiten musikalisch etwas geboten bekommen, musizieren viele Mitglieder nicht nur jeden Sonntagabend auf ihrem Balkon, sondern künftig auch mehr in den sozialen Medien: „Wir möchten dort in nächster Zeit etwas präsenter sein und Fotos, aber auch das eine oder andere Video teilen, bei dem einzelne Mitglieder per Video gemeinsam spielen“, kündigt Vorstand Tobias Lutz an.