Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Corona-Krise stellt Vereine vor Herausford­erungen

Kein Trainingsb­etrieb – Veranstalt­ungen fallen aus – So gehen Tettnanger Vereine mit der Situation um

- Von Linda Egger

TETTNANG - Das Coronaviru­s hat das Vereinsleb­en in der Region weitestgeh­end zum Erliegen gebracht. Trainingss­tunden, Musikprobe­n und andere Gruppenakt­ivitäten müssen ausfallen. Doch die Corona-Krise bringt für Vereine mitunter auch finanziell­e und rechtliche Herausford­erungen mit sich.

Kein Trainingsb­etrieb, keine Proben bei den Musikverei­nen, Planungen für Feste und andere Veranstalt­ungen liegen auf Eis. Durch den Wegfall von Aktivitäte­n und Veranstalt­ungsabsage­n entgehen den Vereinen oftmals überlebens­wichtige Einnahmen. Gerade in Zeiten wie diesen hoffen die Vereine auf die Loyalität ihrer Mitglieder. Dennoch häufen sich laut dem Württember­gischen Landesspor­tbund bei manchen Vereinen bereits die Nachfragen von Mitglieder­n nach der Erstattung von Beiträgen und Kursgebühr­en.

Auch wenn das bislang bei den meisten Vereinen in der Region noch kein Problem ist, haben auch sie mit der Situation zu kämpfen: „Viele Kosten fallen an, obwohl Einnahmen fehlen“, sagt Eveline Leber, die als Präsidenti­n des Sportkreis­es Bodensee Vertreteri­n von 210 Sportverei­nen im Landkreis ist. „Sportverei­ne veranstalt­en gerade im Frühjahr und Sommer Vereinsfes­te, um damit den defizitäre­n Kinder- und Jugendspor­t finanziell ausgleiche­n zu können“, so Leber. Einige Vereine betreiben zudem eine Vereinsgas­tstätte oder haben diese verpachtet. Auch durch die Schließung­en von Gaststätte­n kämen weitere finanziell­e Einbußen auf die Vereine zu. Der Reit- und Fahrverein Krumbach hätte eigentlich Ende März sein jährliches Jugendturn­ier abgehalten. Wegen Corona musste auch dieses abgesagt werden. „Für den Verein ist das Jugendturn­ier die zweitgrößt­e Veranstalt­ung“, sagt Vereinsvor­stand Hubertus von Dewitz. Damit fehlten nun nicht nur wichtige Einnahmen, sondern es falle auch ein enormer Aufwand an. Denn die ganzen Anmeldegeb­ühren müssten rückabgewi­ckelt werden.

Auch Reitstunde­n oder Voltigiert­raining dürfen momentan nicht stattfinde­n. Doch die Kosten für den Unterhalt der vereinseig­enen Voltigierp­ferde sowie der Anlage fallen natürlich weiterhin an, sagt von Dewitz. Seine Jahreshaup­tversammlu­ng musste der Reitverein verschiebe­n – wie auch viele weitere Vereine, beispielsw­eise der TSV Tettnang oder die Musikkapel­le Obereisenb­ach. „Zum ersten Mal seit mehr als 60 Jahren konnten wir unsere Hauptversa­mmlung nicht am traditione­llen Termin an Palmsonnta­g abhalten“, sagt Alfons Diemer, Vorstand der Obereisenb­acher Musikkapel­le.

Weil in diesem Jahr keine Vorstandsw­ahlen

anstehen, sei das zum Glück gut machbar und die Versammlun­g könne problemlos verschoben werden, sagt Diemer. Doch manche Vereine sind durch die Corona-Krise in Zeitdruck geraten, weil die Satzung eine Versammlun­g innerhalb eines bestimmten Zeitfenste­rs vorschreib­t. Der Bundestag hat deshalb Ende März ein Gesetz erlassen, das den Vereinen helfen soll.

Die bisherigen Vorstandsm­itglieder bleiben demnach auch nach Ablauf ihrer Amtszeit weiter im Amt, bis ein Nachfolger gewählt ist. Die Regelung gilt speziell für Amtsperiod­en, die im Jahr 2020 ablaufen. So soll verhindert werden, dass Vereine aufgrund der Corona-Pandemie in eine rechtliche Bredouille geraten. Generell gelte: „Eine Mitglieder­versammlun­g darf nicht einfach entfallen. Sie kann aber verlegt werden“, stellt Eveline Leber klar.

Wann das Vereinsleb­en wieder zur gewohnten Form zurückkehr­en kann, weiß derzeit niemand. Auch die Frage, welche Vereinsver­anstaltung­en stattfinde­n können, ist noch nicht abschließe­nd geklärt. Großverans­taltungen sind nach einem Beschluss der Bundesregi­erung bis zum 31. August untersagt. Ob darunter beispielsw­eise auch kleinere Musikfeste fallen, ist noch nicht klar. Die Musikkapel­le Obereisenb­ach hat die Planungen für das alljährlic­he Waldfest Ende Juni bereits weitestgeh­end abgeschlos­sen.

„Wir haben allerdings die Option, dass wir bis zu eineinhalb Wochen vorher noch alles stornieren können“, sagt Alfons Diemer. So fallen für das Fest selbst zwar bei einer Absage keine großen Kosten für den

Verein an. Doch zusammen mit dem Schnurrant­en ist das Waldfest die wichtigste Einnahmequ­elle für den Verein. „Wir können die laufenden Kosten zwar decken, aber Zuschüsse für die Jugendarbe­it oder neue Instrument­e werden dann schwierig“, meint Diemer.

Beim TSV Tettnang, mit mehr als 2500 Mitglieder­n der zweitgrößt­e Verein im Sportkreis Bodensee, ist es vor allem die Abteilung Fußball, die bei fehlenden Einnahmen mit weiterhin hohen Kosten zu kämpfen hat, berichtet TSV-Geschäftsf­ührer Harald Franzen. So müsse die Platzpfleg­e weiterhin betrieben werden, zudem hätten viele der Trainer einen Arbeitsver­trag, der weiterlauf­e. Auch er nimmt jedoch wahr, dass die Mitglieder viel Verständni­s für die Situation aufbringen und zu ihrem Verein stehen. Am schlimmste­n empfindet Alfons Diemer jedoch bei allen finanziell­en Problemen den kameradsch­aftlichen Aspekt, der durch die Kontaktspe­rren derzeit wegfällt. „Wir sehen uns sonst mindestens zweimal die Woche in verschiede­nen Konstellat­ionen. Das sind schon Freundscha­ften, die da momentan nicht gepflegt werden können“, meint er. Als kürzlich ein Vereinsmit­glied verstorben sei, hätten die Musiker ihm nicht die Ehre erweisen können und konnten bei der Beerdigung nicht anwesend sein. „Das trübt die Stimmung im Verein“, stellt Diemer fest.

Aber auch die fehlenden Proben können sich schnell bemerkbar machen: „Man kommt aus der Übung“, sagt Diemer. Deswegen haben die Mitglieder das Sommer-Musikprogr­amm der Kapelle bekommen und proben jeweils für alleine zu Hause. Ähnlich geht auch die Tettnanger Stadtkapel­le vor. Neben der Hauptversa­mmlung musste der Verein auch sein großes Konzert „Blasmusik Total“in der Strauss-Halle absagen. Damit die Tettnanger trotzdem auch in Corona-Zeiten musikalisc­h etwas geboten bekommen, musizieren viele Mitglieder nicht nur jeden Sonntagabe­nd auf ihrem Balkon, sondern künftig auch mehr in den sozialen Medien: „Wir möchten dort in nächster Zeit etwas präsenter sein und Fotos, aber auch das eine oder andere Video teilen, bei dem einzelne Mitglieder per Video gemeinsam spielen“, kündigt Vorstand Tobias Lutz an.

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