Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Maulwurfpa­radies Säbener Straße

Durchgeste­ckte Informatio­nen wie im Fall Neuer haben bei Bayern beinahe Tradition

- Von Patrick Strasser

MÜNCHEN - Der Maulwurf, beheimatet in Münchens Säbener Straße, hat einen Bart. Man muss ihn sich als grauhaarig­en Zottel vorstellen. Nicht nur deshalb, weil er ja aktuell keinen Friseur auf das Gelände des FC Hollywood einfliegen lassen kann. Der Maulwurf ist alt und erfahren, weise und lernfähig hingegen nicht. Mit großer Freude und schöner Regelmäßig­keit betreibt er seine Spielchen beim FC Bayern, indem er dafür sorgt, dass immer wieder brisante Interna aus der Bayern-Kabine oder von Vertragsge­sprächen – wie nun in der Sache Manuel Neuer – via diverse Medien an die Öffentlich­keit gelangen und das Binnenklim­a von Fall zu Fall vergiften. Schon in den 1990ern beschwerte­n sich die Platzhirsc­h-Kontrahent­en Lothar Matthäus und Jürgen Klinsmann („Ich warte nur noch darauf, wann mein ganzer Vertrag als Kopie in der „Bild“-Zeitung steht“) über wundersame Offenlegun­gen explosiver Details.

„Es ist wie in der Familie auch: Wenn sie zusammenhä­lt, ist es leicht, wenn nicht, geht sie auseinande­r“, sagte Niko Kovac, bis letzten November Bayern-Cheftraine­r angesichts mehrerer sehr hoher Maulwurfs-Hügel, allesamt Stolperste­ine in seiner Amtszeit. Der Kroate bemühte sogar die Historie, um an Mr. X zu appelliere­n: „In der Geschichte gab es genug Beispiele, ob es Troja war, ob es Cäsar war. Wir müssen zusammenha­lten, vom Zeugwart bis zum Trainer.“Machen sie aber nicht. Zu reizvoll ist das geheime Durchsteck­en von TopSecret-Infos aus egoistisch­en Motiven. Und immer wieder unterhalts­am. Ein Rückblick, welche Trainer es jüngst in Münchens Undercover­Szene durch Under-Grasnarben-Infos erwischt hat:

(Juli 2018 – November 2019): Bereits Anfang November 2018 machte er erste Bekanntsch­aft mit dem Maulwurf. Aufstellun­gen wurden aus der Kabine nach außen kommunizie­rt, die Unzufriede­nheit von Ersatzspie­lern ebenso. Selbst Kovacs interne Beschwerde­n über das laxe Aufwärmen seiner Ersatzspie­ler war kurz darauf öffentlich nachzulese­n. Also bat er seine Spieler, keine Interna mehr an die Presse zu tragen – was auch herauskam. „Ich bin's nicht“, meinte der Bayern-Trainer bei der Suche des Schuldigen zynisch und verplapper­te sich gegenüber einem Reporter: „Wenn Sie die beiden erwischen...“Schnell ruderte er zurück. „Ach, die beiden sage ich schon. Das war ein Verspreche­r. Wenn Sie denjenigen erwischen,

GNiko Kovac

dann geben Sie mir vielleicht Bescheid und ich spreche mal mit ihm.“

(Juli 2016 – September 2017): Der Italiener, so der geleakte Vorwurf, soll die spanische Fraktion um Thiago und Co. im Bayern-Kader präferiert haben, was naturgemäß den anderen Spielern, die dadurch auf die Bank verdrängt wurden, missfiel. Der gesamten Mannschaft missfielen die Trainingsi­nhalte, man fühlte sich unterforde­rt, beschwerte sich bei den Bossen – was danach in den Medien landete.

GCarlo Ancelotti

Pep Guardiola: (Juli 2013 – Juni 2016): In seiner ersten Saison war es wohl ein Spieler, der taktische Feinheiten verriet. „Denjenigen schmeiße ich raus“, soll Guardiola getobt haben, „er wird nie wieder unter mir spielen.“TV-Experte Matthäus dazu: „Das wäre berufliche­r Selbstmord, das kann sich kein Spieler im Kader des FC Bayern erlauben.“Die Fahndung verlief erfolglos. 2016 gerieten erneute maulwurfar­tige Interna aus der Kabine an die Öffentlich­keit. „Welcher Spieler ist der anonyme

Spieler? Wo spielt dieser Anonymus?“, fragte Pep in einer Medienrund­e erzürnt. Vor seinem Abschied aus München stellte er entnervt klar: „Diese Person trifft nicht mich, sie trifft die Mannschaft und den Verein. Es ist ein Problem für den Verein.“

Das Schlusswor­t gehört Thomas Müller, trotz seiner Mitteilung­sbedürftig­keit in all den Jahren unverdächt­ig, sagte er einmal: „Es ist bei uns schwierig, dass die Gespräche hinter den vier Wänden bleiben. Wir haben durchlässi­ge Ziegel.“Ach so!

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FOTO: PETER KNEFFEL/DPA

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