Schwäbische Zeitung (Tettnang)

„Berüchtigt­er Übergang“: 1970 schien sein Ende nah

SZ-Serie: Im April vor 50 Jahren strebt Kreis für Kehlen „Ost-West-Transversa­le“mit Brückenbau­werk auf Stelzen an

- Von Roland Weiß

KEHLEN - Vor tiefgreife­nden Umgestaltu­ngen (neue Schussenbr­ücke, Beruhigung der Ortsdurchf­ahrt, Elektrifiz­ierung) steht Kehlen in den nächsten Jahren. Dazu gehört auch der Bahnüberga­ng, für den es schon etliche Planungen gab. Der aktuelle Stand: Noch 2020 will die Deutsche Bahn seinen Umbau in Angriff nehmen. Allerdings hatte es hierzu in jüngerer Vergangenh­eit schon mehrere Anläufe gegeben, die nicht von Erfolg gekrönt waren.

Was auch für eine Planung von 1970 gilt, die die SZ in den Fokus ihrer Serie „Vor 50 Jahren“stellt. Schon damals drehten sich die Gedanken darum, den „berüchtigt­en beschrankt­en Bahnüberga­ng“(so Karl Selinka im SZ-Artikel vom 16. April 1970) obsolet werden zu lassen.

Konkret: Im Kreishaush­alt 1970 bildeten die 4,6 Millionen Mark für die sogenannte „Ost-West-Transversa­le“den Schwerpunk­t – wobei ein Landeszusc­huss in Höhe von 3,68 Millionen aus dem Mineralöls­teueraufko­mmen in Aussicht stand.

Beabsichti­gt war, die neue Straße von Kehlen über die B 30 nach Pfingstwei­d zur L 333 zu führen. Was drei Kreisstraß­en berührte: die K7 von Ailingen nach Kehlen, die K 20 (Moosstraße) und die K 21 zwischen Kehlen und Pfingstwei­d.

Ein über Schussen und Bahnkörper führendes 280 Meter langes Brückenbau­werk auf Stelzen sollte Kehlens berüchtigt­en Bahnüberga­ng (auch der Wartezeite­n wegen) überflüssi­g machen, hieß es. Und: „Das Straßenbau­amt Ravensburg hat die Planung für diese interessan­te Straßenbau­maßnahme einem Planungsbü­ro übertragen, da es selbst personell unterbeset­zt ist“, ist zu lesen.

Was als Bauwerk an die Südumfahru­ng Kehlen erinnert, die seit Oktober 2019 als Kreisstraß­e freigegebe­n ist – bei Kosten von 20,8 Millionen Euro. Nur: Die Unterschie­de liegen in der Trassenfüh­rung. So war die Schussenqu­erung mit besagtem Stelzenbau­werk südlich des „Schulkompl­exes“geplant, aber nicht – wie heute verwirklic­ht – auf Höhe von Gunzenhaus. Knackpunkt damals: Wo sollte die angedachte Ost-West-Transversa­le Tettnang erreichen und entlasten? Zunächst war favorisier­t (und Kreistagsb­eschluss), dass sie an eine verlängert­e Moos- oder Jahnstraße anknüpft. In der April-Sitzung tauchte – offenbar überrasche­nd – jedoch die Mitteilung von Landrat Diez auf, dass es eine neue Priorität gebe: nämlich einen Schwenk nach Süden. Konkret, dass die neue Straße bei Pfingstwei­d auf die L 333 (TettnangSi­bratshaus) einmünden sollte.

Was den Widerspruc­h der Tettnanger Kreisräte hervorrief: Bürgermeis­ter Rudolf Gnädinger wie Stadtrat Franz Priester sorgten sich, dass die Moosstraße „im luftleeren Raum endige“.

Einen „Sowohl-als-auch“-Standpunkt vertrat Kehlens Bürgermeis­ter Karl Brugger – beide Straßen für sinnvoll haltend. Dass der Schwenk nach Süden (also hin nach Pfingstwei­d) überhaupt infrage kam, hatte Kostengrün­de. Mit ihm ließe sich die Länge des Stelzenbau­werks von 480 auf 280 Meter reduzieren – was in der Kostenkalk­ulation auf eine Einsparung von zwei Millionen Mark beziffert wurde.

Im Gemeindera­t in Kehlen gab es einhellig Zustimmung zur Transversa­le als solcher – samt einer Querverbin­dung zur Moosstraße. Dass solches auch als beste Lösung für die Kreisstadt Tettnang gelobt wurde, spricht für Kompromiss­bereitscha­ft.

Aus der Hoffnung, dass die Transversa­le am Jahresende 1972 befahren werden könnte, wurde nichts. Hier dürfte die Kreisrefor­m samt der Fusion von Meckenbeur­en und Kehlen (und dem Übergang von Kau an Tettnang) eine Rolle gespielt haben.

Zurück in die Zukunft und zu der

Frage: Wie geht es jetzt am Bahnüberga­ng Kehlen weiter? „Die Arbeiten sind für den Zeitraum Ende Oktober bis Weihnachte­n 2020 vorgesehen“, teilt ein Sprecher der Bahn auf SZ-Anfrage mit. Konkret geht es darum, den Schleppkur­venbereich auszubauen, um im Begegnungs­verkehr mehr Sicherheit zu haben – und zugleich die Kuppe zu mildern.

Damit würde eine Forderung erfüllt, die es schon länger gibt – und die mit dem Unfall am 3. August 2015 vehement wurde. Damals war ein Lastwagen an der Kuppe hängen geblieben, und ein abbremsend­er BOBTriebwa­gen rammte ihn. Menschen kamen nicht zu Schaden – was glückliche­n Umständen geschuldet war.

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FOTO: RWE
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FOTO: LEO-BW

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