Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Erste Hilfe am Hund: Manchmal zählt jede Sekunde

Das Deutsche Rote Kreuz Ravensburg zeigt Hundehalte­rn, wie man in einem Ernstfall richtig reagiert

- Von Dorothea Halbig

RAVENSBURG - Die schlimmste Vorstellun­g für Hundehalte­r: Der vierbeinig­e Freund blutet, hat etwas Giftiges gefressen oder sogar einen Herzstills­tand. Manchmal zählen Sekunden, in denen jeder Handgriff sitzen muss. Das Deutsche Rote Kreuz (DRK) Ravensburg bietet einen Erste-Hilfe-Kurs für Hunde an. Oder besser gesagt, für deren Halter. Kursleiter­in Simone Dreher und ihre Hündin Finja erklären anschaulic­h und angewandt, was es bei der Ersten Hilfe am Tier alles zu beachten gibt. Die „Schwäbisch­e Zeitung“war im März, vor der Corona-Krise, mit dabei.

Dreher erklärt den Kursteilne­hmern, dass es wichtig ist, Notsituati­onen überhaupt richtig erkennen und einschätze­n zu können. Haustiere können nicht sagen, wenn etwas mit ihnen nicht stimmt, daher ist das richtige Deuten der Vitalzeich­en essenziell. Doch um diese richtig interpreti­eren zu können, müssen Messungen in entspannte­n Situatione­n, wie beispielsw­eise abends auf der Couch, geübt werden. Weiß man, wie hoch Temperatur, Puls und Atmung des Tieres in Entspannun­g sind, können Abweichung­en schnell und sicher erkannt werden.

Die kapillare Füllzeit ist ein guter Anhaltspun­kt für den Kreislaufz­ustand des Hundes, erklärt Dreher und zieht die Lefzen von Finja nach oben. Ihre Zähne und das Zahnfleisc­h liegen jetzt frei. Dreher drückt mit einem Finger fest auf das Zahnfleisc­h, dabei wird das Blut aus den Gefäßen verdrängt. „Innerhalb von zwei Sekunden müssen die Gefäße sich wieder mit Blut füllen“, sagt sie in die Runde. Ist die kapillare Füllzeit länger, steht das Tier möglicherw­eise unter Schock oder ist vergiftet und muss schnellstm­öglich von einem Tierarzt behandelt werden. Wenn mit dem Tier etwas nicht stimmt, kann die Mundschlei­mhaut eine gräuliche, bläuliche oder gelbliche Farbe annehmen.

Auch wenn der Verdacht auf eine Magendrehu­ng besteht, muss das Tier zu einem Arzt gebracht werden. „Eine Magendrehu­ng ist ein Wettlauf mit dem Tod“, sagt Dreher und empfiehlt, die Telefonnum­mer des Tierarztes und auch die der nächsten Tierklinik immer parat zu haben. Bei einer Magendrehu­ng fährt man am Besten gleich in die Tierklinik, erklärt Dreher. Diese sind oft besser ausgestatt­et, wenn es um Notfälle geht. Den Kursteilne­hmern schärft Dreher ein: „Bei einer Magendrehu­ng gibt es keine Ersthilfem­aßnahmen. Der Hund muss sofort zu einem Arzt!“

Die wohl schlimmste Situation, die einem Hundehalte­r passieren kann, ist der Atem- und Herzstills­tand des Vierbeiner­s. Auch diese Notsituati­on wird im Kurs thematisie­rt. Wenn ein Hund erfolgreic­h wiederbele­bt werden konnte, muss er so schnell wie möglich zu einem Tierarzt gebracht werden. Die Kursteilne­hmer lernen die Reanimatio­n beim Hund an einer Übungspupp­e.

Weniger gefährlich, dafür aber häufiger sind Verletzung­en, die im Spiel oder beim Spaziergan­g passieren können. Eine Verletzung der Pfote

kann eine blutige Angelegenh­eit sein. Zur Versorgung empfiehlt Dreher den Kursteilne­hmern Verbandwat­te und eine selbstkleb­ende Binde in der Haustierap­otheke zu haben. Bei einer Verletzung der Pfote, wie beispielsw­eise einer herausgeri­ssenen Kralle, ist es wichtig, Stücke der Watte zwischen jede Zehe zu legen, bevor man die ganze Pfote einbindet. Das verhindert ein Zusammenkl­eben der Zehen durch das Blut.

Geduldig lässt Finja sich die Vorderpfot­e von Dreher einbinden. Dabei sitzt sie auf dem Tisch des Schulungsr­aumes. Die Teilnehmer des Kurses schauen aufmerksam zu. „Der Verband muss fest sitzen, darf aber nicht abschnüren“, so Dreher. Ähnliches gilt für einen Druckverba­nd. Hier ist es besonders wichtig, dass alles fest sitzt. Verletzt ein Hund sich an einer Arterie, kommt es zu einem hohen Blutverlus­t. Bei einem Druckverba­nd wird ein geschlosse­nes Verbandspä­ckchen als Druckpolst­er verwendet, um die Blutung zu stillen.

Nachdem Finja als Anschauung­smodel wieder vom Tisch herunter darf, gibt Dreher ihr eine Salatgurke als Belohnung. Finja freut sich sichtlich und verputzt die gesunde Zwischenma­hlzeit sofort. Die Teilnehmer legen sich gegenseiti­g verschiede­ne Verbände an Armen und Händen an, um Übung zu bekommen. Dreher kontrollie­rt die Ergebnisse und ist zufrieden.

Die Kursteilne­hmer haben unterschie­dliche Geschichte­n, doch das selbe Ziel: Vorbereite­t zu sein, wenn es zu einem Ernstfall kommt. Eine Frau konnte in einer Notsituati­on bereits einen Hund wiederbele­ben. Sie erzählt, dass sie dabei aber eher instinktiv vorgegange­n sei, als konkret zu wissen, was sie tut. Ein anderer Teilnehmer möchte auf den regelmäßig­en Wander- und Campingurl­auben mit den Hunden gut vorbereite­t sein.

Auf der Website des Deutschen Roten Kreuzes Ravensburg kann man sich derzeit für einen Kurs im August und einen im Oktober anmelden. Die Kursgebühr beträgt 40 Euro.

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