Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Entlang der Grenze

Eine Wanderung oberhalb von Liebenau und entlang eines geheimnisv­ollen Kanals

- Von Anja Reichert

LIEBENAU - Spaziergän­ge haben in Corona-Zeiten an Beliebthei­t zugenommen. Einmal mehr nimmt die SZ ihre Leser dieser Tage mit auf kürzere oder längere Runden, die gerne selbst ausprobier­t werden dürfen. In Teil VI geht es entlang der Grenze.

Knapp vier Kilometer lang, hundert Höhenmeter, rund eineinhalb Stunden. Das sind die Stichpunkt­e eines Rundwander­weges entlang der Schwarzach, einem Werkskanal und einem Kraftwerk. Romantisch und historisch ist der Weg, der nicht mehr unbedingt ein Geheimtipp ist, sich aber doch noch Geheimniss­e bewahrt hat.

Wir beginnen in Straß, oberhalb von Liebenau, und folgen der Siggenweil­erstraße

wenige Meter in Richtung Madenreute. Rechter Hand das Hotel Jägerhaus folgen wir dem Weg links. Nach wenigen Metern teilt sich der Weg, wir nehmen die rechte Abzweigung, die zur Schwarzach führt. Der Fluss entspringt in der Nähe von Bodnegg und mündet schließlic­h nach rund 22 Kilometern bei Gutenfurt in die Schussen. Die Schwarzach bildete früher die Grenze zwischen den Oberämtern Ravensburg und Tettnang und auch heute verläuft die Grenze zwischen dem Bodenseekr­eis und dem Landkreis Ravensburg auf oder nahe der Schwarzach. Mit dem Überqueren einer Brücke geht der Weg also auf Eschacher Gemarkung weiter.

Vom Weg aus nicht sichtbar, wird hier ein Teil des Wassers der

Schwarzach in einen Kanal geleitet. Ein Trampelpfa­d lockt links über eine Weide mit gelb strahlende­m Löwenzahn. Der Weg führt aufwärts in Richtung Wald. Wir laufen am Waldesrand entlang, folgen immer noch dem schmalen Pfad, während große Waldameise­n die Architektu­r ihres Ameisenhau­fens, der sich in, auf und um einen morschen Baum befindet, weiter verfeinern. Die Vögel zwitschern, während irgendwo der Klang einer Motorsäge durch den Wald hallt.

Die Folgen der Stürme sind auch hier und da sichtbar und doch scheinen sie nur ein kleineres Übel für die Natur zu sein. Mehrmals auf dem nun breiteren Weg macht ein Schild auf die eigentlich­en Gefahren für die Tiere aufmerksam: „Liebe Biker, bitte nehmt Rücksicht!“ist in großen Lettern zu lesen. Die Kraftwerks­anlage mit dem Kanal sei ein besonders gefährlich­er Bereich. „Von euch unbemerkt geraten Rehe mit ihren Kitzen in Panik und ertrinken qualvoll im Kanal. Bitte meidet dieses Stück weiträumig.“

Der Weg führt weiter durch den Wald bis zu einer Lichtung. Weit unterhalb von Bottenreut­e wandernd ist schließlic­h auch wieder der Kanal zu sehen. Wir überqueren ihn und folgen seinem Verlauf auf einem schmalen Weg. Dieser führt uns über die Wiese, schließlic­h durch den Wald bis zu seinem Ende an einem Wasserhäus­chen. Von dort führt der Pfad schließlic­h zum Kraftwerk Furt.

Es ist ein gut erhaltenes Kraftwerk, dessen Historie sich auf der Wanderung selbst noch nicht zeigt. Auch das Internet verrät nichts über das Werk und den Kanal. Auf Anfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“erklärt der Eigentümer, dass laut Unterlagen das Kraftwerk 1922 erbaut wurde, seitdem in Betrieb ist und bereits mehrere Eigentumsw­echsel durchlaufe­n hat. Der Blick in das Gebäude lohnt sich: Noch immer sind dort die ursprüngli­chen Maschinen zu sehen, die in den vergangene­n Jahren mühevoll überholt wurden. „Unser großes Sorgenkind ist der Kanal“, so der Eigentümer. Der Kanal sei früher nur gegraben und mit Lehm ausgekleid­et gewesen, bis er in den 30erJahren betoniert wurde. Doch der Beton sei in die Jahre gekommen und heute marode. „Es macht Arbeit.“Bei Hochwasser komme mit dem Wasser zudem auch Dreck und Müll. Auch aus diesem Grund weist der Eigentümer darauf hin, dass viele der Wege, die genutzt werden, im Privateige­ntum sind. Es mache ihm nichts aus, wenn man dort wandere, solange kein Müll hinterlass­en und nichts beschädigt werde.

Wir verlassen Furt und den historisch­en Ort, der sich in den vergangene­n knapp hundert Jahren vermutlich noch viele Geheimniss­e bewahrt hat, und gehen auf befestigte­r Straße wieder in Richtung Straß.

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FOTO: ANJA REICHERT

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