Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Entlang der Grenze
Eine Wanderung oberhalb von Liebenau und entlang eines geheimnisvollen Kanals
LIEBENAU - Spaziergänge haben in Corona-Zeiten an Beliebtheit zugenommen. Einmal mehr nimmt die SZ ihre Leser dieser Tage mit auf kürzere oder längere Runden, die gerne selbst ausprobiert werden dürfen. In Teil VI geht es entlang der Grenze.
Knapp vier Kilometer lang, hundert Höhenmeter, rund eineinhalb Stunden. Das sind die Stichpunkte eines Rundwanderweges entlang der Schwarzach, einem Werkskanal und einem Kraftwerk. Romantisch und historisch ist der Weg, der nicht mehr unbedingt ein Geheimtipp ist, sich aber doch noch Geheimnisse bewahrt hat.
Wir beginnen in Straß, oberhalb von Liebenau, und folgen der Siggenweilerstraße
wenige Meter in Richtung Madenreute. Rechter Hand das Hotel Jägerhaus folgen wir dem Weg links. Nach wenigen Metern teilt sich der Weg, wir nehmen die rechte Abzweigung, die zur Schwarzach führt. Der Fluss entspringt in der Nähe von Bodnegg und mündet schließlich nach rund 22 Kilometern bei Gutenfurt in die Schussen. Die Schwarzach bildete früher die Grenze zwischen den Oberämtern Ravensburg und Tettnang und auch heute verläuft die Grenze zwischen dem Bodenseekreis und dem Landkreis Ravensburg auf oder nahe der Schwarzach. Mit dem Überqueren einer Brücke geht der Weg also auf Eschacher Gemarkung weiter.
Vom Weg aus nicht sichtbar, wird hier ein Teil des Wassers der
Schwarzach in einen Kanal geleitet. Ein Trampelpfad lockt links über eine Weide mit gelb strahlendem Löwenzahn. Der Weg führt aufwärts in Richtung Wald. Wir laufen am Waldesrand entlang, folgen immer noch dem schmalen Pfad, während große Waldameisen die Architektur ihres Ameisenhaufens, der sich in, auf und um einen morschen Baum befindet, weiter verfeinern. Die Vögel zwitschern, während irgendwo der Klang einer Motorsäge durch den Wald hallt.
Die Folgen der Stürme sind auch hier und da sichtbar und doch scheinen sie nur ein kleineres Übel für die Natur zu sein. Mehrmals auf dem nun breiteren Weg macht ein Schild auf die eigentlichen Gefahren für die Tiere aufmerksam: „Liebe Biker, bitte nehmt Rücksicht!“ist in großen Lettern zu lesen. Die Kraftwerksanlage mit dem Kanal sei ein besonders gefährlicher Bereich. „Von euch unbemerkt geraten Rehe mit ihren Kitzen in Panik und ertrinken qualvoll im Kanal. Bitte meidet dieses Stück weiträumig.“
Der Weg führt weiter durch den Wald bis zu einer Lichtung. Weit unterhalb von Bottenreute wandernd ist schließlich auch wieder der Kanal zu sehen. Wir überqueren ihn und folgen seinem Verlauf auf einem schmalen Weg. Dieser führt uns über die Wiese, schließlich durch den Wald bis zu seinem Ende an einem Wasserhäuschen. Von dort führt der Pfad schließlich zum Kraftwerk Furt.
Es ist ein gut erhaltenes Kraftwerk, dessen Historie sich auf der Wanderung selbst noch nicht zeigt. Auch das Internet verrät nichts über das Werk und den Kanal. Auf Anfrage der „Schwäbischen Zeitung“erklärt der Eigentümer, dass laut Unterlagen das Kraftwerk 1922 erbaut wurde, seitdem in Betrieb ist und bereits mehrere Eigentumswechsel durchlaufen hat. Der Blick in das Gebäude lohnt sich: Noch immer sind dort die ursprünglichen Maschinen zu sehen, die in den vergangenen Jahren mühevoll überholt wurden. „Unser großes Sorgenkind ist der Kanal“, so der Eigentümer. Der Kanal sei früher nur gegraben und mit Lehm ausgekleidet gewesen, bis er in den 30erJahren betoniert wurde. Doch der Beton sei in die Jahre gekommen und heute marode. „Es macht Arbeit.“Bei Hochwasser komme mit dem Wasser zudem auch Dreck und Müll. Auch aus diesem Grund weist der Eigentümer darauf hin, dass viele der Wege, die genutzt werden, im Privateigentum sind. Es mache ihm nichts aus, wenn man dort wandere, solange kein Müll hinterlassen und nichts beschädigt werde.
Wir verlassen Furt und den historischen Ort, der sich in den vergangenen knapp hundert Jahren vermutlich noch viele Geheimnisse bewahrt hat, und gehen auf befestigter Straße wieder in Richtung Straß.