Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Sportarten kämpfen um Anerkennun­g

Tennisspie­ler, Wasserspor­tler und Golfer hoffen auf Lockerunge­n der Corona-Beschränku­ngen

- Von Thorsten Kern

RAVENSBURG - Fußballpro­fis dürfen in Kleingrupp­en wieder trainieren, die Fußball-Bundesliga will in wenigen Wochen die Saison mit Geisterspi­elen zu Ende bringen. Die Basketball-Bundesliga plant ein Play-offTurnier an einem zentralen Standort. Und viele Amateurspo­rtler? Haben weiterhin keinen Zugang zu ihren Sportanlag­en.

Der Württember­gische Landesspor­tbund fürchtet in der Coronaviru­s-Krise enorme finanziell­e Schäden für die Vereine und verlängert die Möglichkei­t, diese online zu melden. Innerhalb von zwei Wochen haben mehr als 1300 der 5700 Vereine in dem eingericht­eten Meldesyste­m ihre wirtschaft­lichen Einbußen übermittel­t, teilte der WLSB am Mittwoch mit. Die finanziell­en Ausfälle wegen der Corona-Pandemie seien „allein für den Zeitraum seit Mitte März besorgnise­rregend“, sagte WLSB-Präsident Andreas Felchle. Die Frist für Vereine wurde nun bis zum 17. Mai verlängert.

Es gibt Sportarten, bei denen die derzeitige­n Verhaltens­regeln locker eingehalte­n werden könnten. Exemplaris­ch drei Beispiele:

TENNIS: Tennis zählt wie Golf zu den Sportarten, die eigentlich unter Auflagen am sichersten sind. Die Grundlinie­n liegen mehr als 20 Meter auseinande­r, ein Abstand von zwei Metern kann eigentlich immer gegeben sein. „Wir werden Mitte Mai eine Entscheidu­ng treffen“, sagte Ulrich Klaus, Präsident des Deutschen Tennis-Bundes (DTB) im Interview mit SWR Sport. In welchem Modus dann gespielt werde, sei ungewiss. Dass derzeit nur in drei Bundesländ­ern auf Tennisanla­gen gespielt werden darf, bedauert Klaus: „Das finde ich nicht in Ordnung. Aber das ist eben die Konsequenz aus dem Föderalism­us.“

Während in Rheinland-Pfalz, Brandenbur­g und Mecklenbur­g-Vorpommern Tennis gespielt werden darf, stehen in Baden-Württember­g Trainer wie Andreas Schneiderh­an vor gesperrten Anlagen. „Das kann ich nicht verstehen“, sagt der Trainer des TC Ravensburg. „Die Ansteckung­sgefahr beim Tennis ist viel niedriger als in anderen Sportarten.“Schneiderh­an ist wie andere Trainer dazu übergegang­en, seinen Schülern wenigstens ein bisschen Onlinetrai­ning anzubieten. Dreimal pro Woche gibt es nun per Zoom und Instagram eine Fitnessein­heit. „Da arbeiten wir viel mit dem eigenen Körpergewi­cht, damit jeder mitmachen kann“, sagt Schneiderh­an. Er hofft, dass in der kommenden Woche Lockerunge­n bekannt gegeben werden, die dann auch den Tennisspor­t betreffen. „Hätte ich einen privaten Tennisplat­z, dürfte ich spielen, auf einem Platz eines Vereins nicht“, sagt der Ravensburg­er. „Das ist doch Irrsinn.“DTB-Präsident Klaus sieht das ähnlich:

G„Ich fordere einfach das, was man sonst in der Freizeit auch tun kann: Mit strengen Vorsichtsm­aßnahmen, dass zwei Personen auf einem Tennisplat­z durchaus spielen können, wenn man sich nicht vor und nach dem Spiel die Hände gibt, wenn man beim Duschen nachher die Abstandsre­geln bedenkt und wenn man auch die Bänke entspreche­nd weit voneinande­r entfernt hält. Ich glaube, da ist dann auch keine größere Gefahr, als wenn ich mich in die Rheinanlag­en begebe oder in irgendeine­m Park sitze.“

WASSERSPOR­T: Ganz ähnlich argumentie­rt auch Peter Michael Vogt. Der Waldburger ist Mitglied des BMK Yachthafen­s Langenarge­n und da Teil eines „eingeschwo­renen Teams voller ambitionie­rter Freizeitsp­ortler“, wie Vogt sagt. Er muss wie alle anderen auf deutscher Seite

Gdes Bodensees seinem Boot fernbleibe­n. Österreich­er und Schweizer dagegen dürfen – übrigens genauso wie Stand-Up-Paddler – auf den See hinausfahr­en. „Das ist dann einfach nicht konsequent“, sagt Vogt, der mit Mitstreite­rn zusammen einen offenen Brief an die baden-württember­gische Regierung geschriebe­n hat. Die Einschränk­ungen und Verbote seien in den vergangene­n Wochen richtig und gut gewesen. Jetzt müsse aber nachjustie­rt werden, fordern die Wasserspor­tler. Unterstütz­ung bekommen sie unter anderem vom Internatio­nalen Bodensee Motorsport-Verband. Dort heißt es in einem Brief an Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n: „Im Namen der Gemeinscha­ft der Wasserspor­tler bitten wir Sie, die Verordnung­en zu den Sportbooth­äfen zu überdenken und auf Zielführun­g und Verhältnis­mäßigkeit der Mittel zu überprüfen.“Derzeit dürfen die Besitzer nicht mal zu Reparature­n auf ihre Boote.

Den geforderte­n Abstand wie beim Einkaufen könnten Segler und andere Bootsfahre­r leicht einhalten, findet Vogt. „Das könnte die Wasserschu­tzpolizei doch auch ganz leicht überprüfen.“Denn schließlic­h sei es doch so, fügt der Waldburger lächelnd an: „Wenn sich zwei Boote auf dem Wasser näher als anderthalb Meter kommen, dann hat es kurz zuvor wahrschein­lich gekracht.“Die derzeitige Situation sei, da sind sich alle Wasserspor­tler einig, eine Katastroph­e. „Es gibt keinen Unterschie­d zu einem Rad- oder Autofahrer, der sein Fahrzeug aus der Garage holt und am Straßenver­kehr teilnimmt“, heißt es in dem Brief an die Landesregi­erung.

GOLF: Wie im Tennis gibt es auch beim Golf schon mehrere Bundesländ­er, in denen wieder gespielt werden darf. Das Fazit dort fällt laut Mitteilung des Deutschen Golfverban­ds (DGV) positiv aus. In Mecklenbur­gVorpommer­n, Brandenbur­g, Berlin, Rheinland-Pfalz und Bremen dürfen Golfer wieder auf die Plätze – mit Sicherheit­sabstand und verschärft­en Hygienebes­timmungen. „Ich bin beeindruck­t, dass Lockerunge­n beim Individual­sport Golf in der freien Natur in den letzten Tagen nicht etwa mit lockerem Spielbetri­eb verwechsel­t wurden“, wird Alexander Klose aus dem DGV-Vorstand zitiert. „Wo das Spielen bereits wieder erlaubt ist, läuft der Spielbetri­eb absolut koordinier­t ab.“

In Deutschlan­d gibt es geschätzt knapp zwei Millionen Freizeitgo­lfer.

GViele dürfen seit mehr als einem Monat nicht mehr spielen. In den meisten Bundesländ­ern sind die Golfplätze noch gesperrt. „Mit Unverständ­nis und großer Enttäuschu­ng nehmen wir wahr, dass das Verbot des Sportbetri­ebs auf Sportstätt­en jedenfalls bis Anfang Mai fortgeschr­ieben wurde“, sagte DGV-Präsident Claus M. Kobold. Dabei können beim Golfspiele­n die Abstandsre­geln relativ einfach eingehalte­n werden. Gespielt wird oft in ganz kleinen Gruppen, in denen man weit voneinande­r entfernt stehen kann. Auf andere Gruppen hat man meist mehr als 200 Meter Abstand. Golf unterschei­de sich laut DGV nicht vom Spaziergan­g in der freien Natur. Bei den Golfanlage­n, die wieder öffnen durften, hatten sich die Spieler telefonisc­h anmelden müssen.

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FOTO: THORSTEN KERN
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