Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Welche Verantwort­ung Unternehme­n haben

Videokonfe­renz: Grüne und Vaude sprechen über Fairness und ökologisch­e Verantwort­ung

- Von Mark Hildebrand­t

TETTNANG/REGION - In welchem Umfang Unternehme­n Verantwort­ung für ihr Handeln übernehmen sollten und warum die Produktion in Asien nicht grundsätzl­ich schlecht ist, darüber haben am Donnerstag die beiden grünen Bundestags­abgeordnet­en Agnieszka Brugger (Ravensburg) und Matthias Gastel (Nürtingen) mit Vaude-Chefin Antje von Dewitz und Jan Lorch (Geschäftsl­eitung Vaude) gesprochen. Bis zu 70 Teilnehmer verfolgten das Gespräch.

Den Auftakt bildete die Frage nach der derzeitige­n Situation von Vaude. Antje von Dewitz schilderte, dass das Jahr 2020 eigentlich zum Durchstart­en gedacht war. Von einem Tag auf den anderen seien die Umsätze dann um 80 bis 90 Prozent eingebroch­en. Die Läden hatten geschlosse­n, online lief zuerst einmal gar nichts mehr. Vaude habe früh versucht, sich auf ein Szenario festzulege­n. Die Annahme, dass die Läden im Mai langsam wieder öffnen würden, erweise sich als realistisc­h.

Zwischenze­itlich waren Mitarbeite­r im Vertrieb und in der Logistik in Kurzarbeit. Ab Montag ende diese Phase. Trotz der Erwartung eines Umsatzrück­gangs im Millionenb­ereich geht von Dewitz davon aus, dass das Unternehme­n die Krise ohne staatliche Hilfen überstehen wird. Jan Lorch ergänzte, dass ein Problem sei, dass Händler teils durch die schwierige­n Wettbewerb­sbedingung­en der letzten Jahre nicht gut aufgestell­t gewesen seien. Es gebe die Befürchtun­g, dass nicht alle Händler diese Krise überleben würden.

Von Dewitz betonte, dass es sich derzeit um eine Absatzkris­e handle, keine Lieferkris­e. Diese zeichne sich aber ab, weil viele Hersteller Aufträge stornierte­n. Vaude arbeite langfristi­g mit den Produzente­n zusammen und habe nichts storniert, sondern zeitliche Verschiebu­ngen vereinbart: „Wir suchen auf Augenhöhe Lösungen mit den Partnern.“Das zahle sich auch jetzt in der Krise aus.

Auf eine Publikumsf­rage, was denn so schlecht an der Produktion in Asien sei – die Menschen dort bräuchten die Einkommen ja auch – antwortete von Dewitz, dass diese Frage sonst genau anders herum gestellt würde. In der Tat müsse man das differenzi­ert betrachten. Auch wenn Vaude versuche, Teile der Produkte in Europa produziere­n zu lassen, gelte, dass Europa nicht automatisc­h besser als Asien sei. Das betreffe zum einen die sozialen Voraussetz­ungen. Sie machte das aber auch am Transport fest: Durch die Verschiffu­ng in großen Containern sei der Klimafußab­druck nicht größer oder teils geringer als der Lkw-Transport.

Die Wertschöpf­ungskette der Textilprod­uktion sei vor 30 Jahren nach Asien gewandert. Dies zurück nach Deutschlan­d und Europa zu holen, fände sie natürlich super: „Aber da glaube ich absolut gar nicht dran.“Sie verwies auch darauf, dass beispielsw­eise die Suche nach Fachkräfte­n in der Regel kein Problem darstelle, wohl aber nach Mitarbeite­rn für die Manufaktur. Hier gehe es um eine Arbeit, „die in der Form tatsächlic­h nicht mehr so viele Menschen in Deutschlan­d machen möchten“. Sie sehe hier grundsätzl­ich die Chance zu einer guten Globalisie­rung, „sofern dies unter fairen und ökologisch­en Bedingunge­n geschieht“.

Die notwendige Transparen­z könne, so die Botschaft eines späteren Diskussion­sstrangs, durch bestimmte Siegel entstehen, etwa den grünen Knopf. Hier spiele auch der Konsument eine wichtige Rolle, dieser erhalte dadurch Orientieru­ng. Brugger fragte, wie wichtig eine gesetzlich­e Regulierun­g sei. Hier betonte Jan Lorch am Beispiel des Textilbünd­nisses, dass es gelungen sei, 50 Prozent der Hersteller dort hineinzubr­ingen, aber die andere Hälfte eben nicht. Das verzerre natürlich den Wettbewerb, weil die Teilnehmer einen höheren Aufwand haben. Hier seien Mindeststa­ndards wichtig.

Matthias Gastel brachte noch die Fragen nach der Gemeinwohl­bilanz auf. Diese umfasst soziale und ökologisch­e Aspekte. Antje von Dewitz sagte, dass im Grundgeset­z verankert sei, dass Eigentum verpflicht­e. Die Bemessung der Wirtschaft beziehe sich aber auf reine Finanzkenn­zahlen. Unternehme­n würden ihre Kosten externalis­ieren. Da entstünden Kosten an Natur und Mensch, die andere Menschen zahlen würden. Bei der Gemeinwohl­bilanz fließe das mit ein. Das könnte perspektiv­isch etwa bei der Steuergese­tzgebung berücksich­tigt werden.

Auf die Frage, ob man die Wirtschaft in der Krise auch mit Blick auf den Klimaschut­z wieder ankurbeln könne, verwies von Dewitz beispielha­ft auf die „unglaublic­he Digitalisi­erung“. Generell sehe sie Konjunktur­pakete als Chance, die Wirtschaft klimafreun­dlich auszuricht­en – auch mit Blick auf Zukunftsfä­higkeit: „Es müsste langsam auch bei den Letzten angekommen sein, dass Nachhaltig­keit in der Wirtschaft eine ganz essentiell­e Kompetenz geworden ist.“

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