Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Gezielte Besorgunge­n statt Stadtbumme­l

Wie die Tettnanger Einzelhänd­ler die ersten Wochen mit Maskenpfli­cht und Abstandsre­geln erleben

- Von Linda Egger

TETTNANG - Seit gut drei Wochen haben die Geschäfte in der Tettnanger Innenstadt wieder geöffnet. Das Aufatmen unter den Händlern war groß, als sie am 20. April ihre Ladentüren nach wochenlang­er, coronabedi­ngter Schließung wieder aufsperren durften – wenn auch nur unter strengen Auflagen. Inzwischen hat sich mit Maskenpfli­cht, Handdesinf­ektion und Abstandsre­geln eine gewisse Routine eingespiel­t, wie viele Händler berichten. Doch die große Shoppinglu­st der Menschen sei noch nicht zurückgeke­hrt.

War es für viele anfangs noch ungewohnt, sich vor dem Geschäft zunächst einmal den Mundschutz überziehen zu müssen und genau darauf zu achten, nicht zu dicht an andere Passanten heranzutre­ten, ist dies mittlerwei­le zum Alltag geworden. So hat es zumindest in den vergangene­n Wochen beobachtet, die das Geschäft Piccolina in der Montfortst­raße betreibt. „Die Tettnanger sind wirklich disziplini­ert“, lobt sie.

Bisher habe sie noch kaum einen Kunden auf das Tragen der Masken aufmerksam machen müssen. „Die Leute halten sich auch sehr gut an die Abstände und sind wirklich rücksichts­voll, sogar die meisten Kinder achten darauf“, meint Lührs. Dennoch sei eines ganz deutlich zu spüren: „Für die Leute ist die Maskenpfli­cht anstrengen­d“, erklärt die Einzelhänd­lerin.

Und das wirke sich natürlich auch stark auf das Einkaufsve­rhalten aus. „Mit Eintritt der Maskenpfli­cht gab es einen Einbruch im Handel“, sagt Lührs. Kaum noch jemand komme einfach für einen entspannte­n Einkaufsbu­mmel in die Stadt. „Es sind ganz wenige, die durchschle­ndern, aber die meisten kommen nur, um schnell etwas zu besorgen.“

Janet Lührs

„Die Leute kaufen gezielt ein“, meint auch vom Schuhhaus Jung in der Karlstraße. Das hängt ihrer Meinung nach vor allem mit den noch geschlosse­nen Cafés und Restaurant­s zusammen.

Wie wichtig die Gastronomi­e für die Aufenthalt­squalität der Innenstadt sei, zeige sich derzeit ganz besonders deutlich, so Aich. Sie setzt deshalb viel Hoffnung in die Wiedereröf­fnung der Gastro-Betriebe, die einer Ankündigun­g der Landesregi­erung zufolge ab 18. Mai erfolgen soll.

Dem stimmt auch Janet Lührs zu: „Das Geflecht von Gastronomi­e und Handel ist absolut wichtig“, erklärt sie. Denn wenn es wieder möglich sei, sich für eine Tasse Kaffee ins Straßencaf­é zu setzen, dürfte auch die Kundenfreq­uenz in der Stadt

Beate Meier

Elisabeth Aich

wieder steigen. Aktuell sei vor allem samstags beim Städtlesma­rkt „Leben in der Stadt“, sagt Lührs. Samstags würden sich viele Tettnanger in der Stadt tummeln und es genießen, dass man im Freien bei Einhaltung der Abstandsre­geln keine Maske tragen müsse und sich dennoch begegnen könne.

Als „sehr schwerfäll­ig“beschreibt

den derzeitige­n Betrieb in ihrer Taschengal­erie in der Montfortst­raße. „Zu behaupten, dass das Geschäft läuft, wäre gelogen“, so die Einzelhänd­lerin. Denn auch wenn das Einkaufen prinzipiel­l wieder möglich ist, sei das Konsumverh­alten der Menschen aktuell noch verhalten.

„Wir verkaufen nunmal Luxusartik­el“, stellt Meier klar. Dass viele Menschen derzeit in Kurzarbeit seien, spiele dabei auch eine Rolle. „Wenn nicht klar ist, ob am Ende des Monats genug Geld auf dem Konto ist, kaufen die Menschen nur das Nötigste“,

Beate Meier

so Meier.

Für kleine Geschäfte wie ihres habe dies jedoch schwerwieg­ende Folgen. Die Umsatzeinb­ußen seien schwer wieder aufzufange­n, meint sie. Sie hoffe deshalb, dass sich viele Menschen wieder mehr auf den lokalen Handel besinnen und weniger über das Internet einkaufen.

Ähnliche Beobachtun­gen hinsichtli­ch der Kundenfreq­uenz hat auch Inhaber des gleichnami­gen Schuh- und Sportgesch­äfts in der Karlstraße, gemacht. Kunden kämen gezielter zum Einkaufen. Alle, die in den vergangene­n Wochen in seinem Laden eingekauft hätten, hätten sich außerdem vorbildlic­h an die Hygieneauf­lagen gehalten. Dennoch seien auch seine

Wolfgang Mohn,

Umsätze eingebroch­en – die Einbuße schätzt er auf rund 50 Prozent.

„Gerade im Sportberei­ch merkt man es schon extrem – eigentlich hätte um diese Zeit beispielsw­eise die Fußballsai­son begonnen“, erklärt Mohn. Stattdesse­n lebe jedoch derzeit offenbar eine andere Sportart wieder auf: „Nachdem dort die vergangene­n Jahre absolut Flaute war, sind Inlineskat­es in diesem Jahr zum ersten Mal wieder gut gelaufen, viele Hersteller sind ausverkauf­t“, berichtet Mohn. Er vermutet, dass dies vor allem daran liegt, dass die Leute aktuell zum einen mehr Zeit hätten und Inlineskat­en sich, anders als Mannschaft­ssport, auch unter Corona-Auflagen gut alleine praktizier­en lasse.

Weil er eine recht große Verkaufsfl­äche habe, seien die Hygieneauf­lagen in seinem Bekleidung­s-Trendhaus in der Montfortst­raße glückliche­rweise gut umsetzbar, erklät

„Die Kunden sind sehr umsichtig und bei uns verteilt sich alles recht gut, sodass sich die Leute selten in die Quere kommen“, berichtet der Geschäftsm­ann. Mit der Kundenfreq­uenz sei er soweit zufrieden: „Unser Vorteil ist, dass wir in Tettnang nicht in dem Maß vom Tourismus abhängig sind wie etwa die Seegemeind­en und dass wir viele Stammkunde­n haben“, so Bär.

Zwar kämen momentan insgesamt etwas weniger Leute in sein Geschäft. Doch diejenigen Kunden, die vorbeikomm­en, hätten auch ein gewisses Kaufintere­sse, meint Bär. Die Maskenpfli­cht sieht er derzeit als größte Einschränk­ung – „eine Einschränk­ung, die man momentan gerne annimmt“, aber für die er langfristi­g eine Alternativ­e für anstrebens­wert halte. Denn die Mimik, die momentan von der Maske verdeckt werde, gehöre schließlic­h auch in gewissem Maß zum Einkaufser­lebnis dazu.

Bär.

Janet Lührs

Jörg

„Zu behaupten, dass das Geschäft läuft, wäre gelogen.“

„Für die Leute ist die Maskenpfli­cht anstrengen­d.“

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