Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Tettnang hat zu wenige Kita-Plätze
Stadt kann Rechtsanspruch vermutlich nicht erfüllen – Überlegungen für ein Containerdorf als Provisorium
TETTNANG - Kinderbetreuungsplätze sind in Tettnang knapp – das zeigt der aktuelle Kinderbetreuungsbedarfsplan für 2020/2021. Und zwar so knapp, dass die Stadt den Rechtsanspruch auf einen Platz, den alle Eltern für Kinder ab einem Jahr haben, voraussichtlich nicht erfüllen kann. Was das für Tettnang genau bedeutet und welche Lösungsmöglichkeiten es gibt, war Thema der jüngsten Gemeinderatssitzung.
Seit 2004 sind Gemeinden verpflichtet, einen Kinderbetreuungsbedarfsplan zu erstellen. Darin wird zum einen ermittelt, wie viele Plätze zur Verfügung stehen und zum anderen, wie viele in Zukunft voraussichtlich benötigt werden. Das umfangreiche Werk stellten Iris Baader und Patricia Hawel vom Amt für Familie, Bildung und Betreuung dem Gremium am Mittwoch vor.
In Tettnang und den Ortschaften gibt es derzeit 14 Kinderbetreuungseinrichtungen mit insgesamt 48
Gruppen: Die katholischen Kindergärten St. Gallus und Loreto sowie den evangelischen Kindergarten
Martin Luther in der Kernstadt, die Kindergärten Hiltensweiler, Obereisenbach, Krumbach und Laimnau, das städtische Kinderhaus und die Kindergärten Oberhof, Ramsbach, Bürgermoos und Kau sowie den Naturund Bewegungskindergarten und das Vaude-Kinderhaus.
Eng ist es hinsichtlich der Plätze vor allem in der Kernstadt und vor allem bei den Krippenplätzen. Im Bereich
Kinder über drei Jahren (Ü3) sind derzeit 718 Plätze von 750 (inklusive der Notplätze) belegt. Bei den Kindern unter drei Jahren (U3) sind 148 Plätze von 150 verfügbaren Plätzen belegt.
„Vor allem in der Kernstadt fehlen Kita-Plätze“, fasste Patricia Hawel zusammen. Die meisten Eltern würden dabei Wünsche nach verlängerten Öffnungszeiten mit einer Betreuungszeit von sieben Stunden täglich, inklusive Mittagessen, äußern. In der Kernstadt seien zudem die Notplätze bereits belegt. „Wir haben Anfragen und können den Eltern keinen Platz anbieten“, beschrieb Iris Baader die unbefriedigende Situation.
Neben den klassischen Kita-Einrichtungen gibt es auch noch die sogenannte Tagespflege: Dabei können Pflegepersonen bis zu fünf fremde Kinder gleichzeitig bei sich zu Hause oder in einer geeigneten Räumlichkeit betreuen. Zwischen drei und fünf Tagesbetreuungspersonen seien in Tettnang derzeit im Einsatz, heißt es in der Sitzungsvorlage. Der Bedarf hierfür steige ebenfalls.
Während der künftige Bedarf an Ü3-Plätzen recht gut einzuschätzen ist, ist eine genaue Prognose im U3-Bereich deutlich schwieriger, da sich die Geburtenrate nicht vorhersehen lässt. „Die Glaskugel dafür haben wir leider noch nicht“, merkte Patricia Hawel an.
Für die Bedarfsplanung wird deshalb ein sogenannter Versorgungsgrad zugrunde gelegt, anhand dessen eine Berechnung durchgeführt wird. Klar wird dabei: es fehlen Plätze.
Patricia Hawel
Konkret gebe es ab 2020/2021 im Ü3Bereich – auch bei Belegung aller Notplätze – voraussichtlich noch 58 Plätze zu wenig. Im U3-Bereich werden voraussichtlich 74 zu wenig zur Verfügung stehen.
Weil der Loreto-Kindergarten ein neues Gebäude bekommt, sind die Kinder aus dieser Einrichtung derzeit in der neu errichteten Schäferhof-Kita untergebracht. Sobald der LoretoNeubau fertiggestellt ist, stehen in der Schäferhof-Kita somit 66 zusätzliche Plätze zur Verfügung. Das werde voraussichtlich ab Herbst 2022 der Fall sein.
Doch auch damit ist der Fehlbedarf nicht gedeckt. Der Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz könne deshalb voraussichtlich nicht erfüllt werden, so lautete das Fazit von Patricia Hawel. Und weiter: „Wir brauchen in der Kernstadt eine weitere zwei- oder dreizügige Einrichtung.“
Als kurzfristigere Maßnahmen sollen nun jedoch einerseits zunächst alle Notplätze belegt werden. „Das ist pädagogisch nicht ideal, aber momentan haben wir keine andere Möglichkeit“, so Iris Baader. Neben weiteren Maßnahmen, die vor allem kleinere Änderungen in einzelnen Einrichtungen sowie eine mögliche Erhöhung der Höchstgruppenstärke betreffen, soll zudem eine Übergangslösung geschaffen werden: „Ab September brauchen wir ein Provisorium in der Kernstadt“, erklärte Baader.
Iris Baader
Hermann König (SPD) schlug vor, ein Containerdorf auf dem Parkplatz bei der Polizei einzurichten, mit Anbindung an den Spielplatz im Schlossgarten. Man sei für Ideen und Vorschläge offen und wolle mögliche Lösungen für ein Provisorium prüfen, versicherte Baader. König erkundigte sich zudem, ob es bereits Klagen gegen die Stadt gebe aufgrund des nicht erfüllbaren Rechtsanspruchs. Das verneinten die beiden Referentinnen. Eine eventuelle Klage würde nicht die Stadt, sondern das Landratsamt erreichen. Auch müsse eine Familie nachweisen, dass sie andere Bemühungen, beispielsweise im Bereich Tagespflege, unternommen hat.
Dem Beschlussvorschlag, der Bedarfsplanung zuzustimmen und weiter Lösungsmöglichkeiten zur Erfüllung des Rechtsanspruchs zu prüfen, stimmte das Gremium einstimmig zu.
„Vor allem in der Kernstadt fehlen Kita-Plätze.“
„Ab September brauchen wir ein Provisorium in der Kernstadt.“