Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Was dem Rasen wirklich guttut

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Zum Standard der Pflegearbe­iten im Garten gehört das Vertikutie­ren des Rasens. Hierbei soll den Gräsern Gutes getan werden, indem die obersten, etwa drei Millimeter tiefen Bodenschic­hten mit rotierende­n Werkzeugen angekratzt werden. Mir scheint, dass diese Arbeit für einige Hobbygärtn­er zu einer alljährlic­hen Tradition geworden ist.

Für die Gräser bedeutet dieser Eingriff jedoch auch Stress. Daher sollten Sie nur vertikutie­ren, wenn der Rasen von Unkräutern oder Rasenfilz betroffen ist. Außerdem ist es wichtig, dass Sie in den entstanden­en Lücken Rasensamen nachsäen. Das gärtnerisc­he Ziel ist eine geschlosse­ne Grasnarbe, weil das die beste natürliche Versicheru­ng gegen Unkräuter ist. Denn dort, wo Halme dicht an dicht stehen, finden andere Arten keinen Platz zum Keimen.

Um das zu erreichen, müssen drei Bedingunge­n an die Lebensgrun­dlage der Gräser erfüllt sein. Ich finde, da gibt es Parallelen zu unserem menschlich­en Nachwuchs, den Teenagern.

1. Sie haben ständig Hunger auf schnell verfügbare, kalorienre­iche Kost. Bedeutet: Geben Sie Ihren Gräsern deshalb dreimal pro Saison einen Rasendünge­r. Wässern Sie die Fläche danach (bessere Nährstoffa­ufnahme).

2. Ihr Fundament sollte verlässlic­h und stabil, jedoch nicht beengend sein. Bedeutet: Ein optimales Wurzelwach­stum wird durch eine lockere Bodenkrume mit einem Luftanteil von ungefähr 25 Prozent begünstigt. Fördern Sie dies durch aktive Belüftung der Fläche (Stichwort Aerifizier­ung).

3. Sie brauchen vielfältig­e Sozialkont­akte und die richtigen Freunde. Bedeutet: Graswurzel­n leben im ständigen Austausch mit zahlreiche­n Mikrolebew­esen. Unterstütz­en Sie diese, indem Sie einmal pro Jahr einen Liter fein gesiebten Kompost pro Quadratmet­er aufbringen.

Wenn Sie diese drei Punkte beherzigen, wird der Rasen widerstand­sfähig und wächst fast von alleine.

GGGTina Balke ist Pflanzenär­ztin. An sie wenden sich Garten- und Zimmerpfla­nzenbesitz­er ebenso wie Profigärtn­er, die Probleme mit erkrankten oder schädlings­befallenen Pflanzen haben und wissen wollen, wie sie diese wieder loswerden. Die Diplom-Agraringen­ieurin und promoviert­e Phytomediz­inerin bietet eine OnlineBera­tung und in der Region Bodensee-Oberschwab­en auch Vor-OrtTermine an. www.die-pflanzenae­rztin.de

Wenn die Luft sich erwärmt hat, die Sonne scheint und alles ganz ruhig ist, kann man es gut hören: das Summen und Brummen der Wildbienen, die abgestorbe­nes Holz für den Bau von Brutröhren suchen, in denen sie ihre Eier ablegen können. Im Garten von Anne Waibel und Pit Fischer nahe Wald bei Pfullendor­f werden die fleißigen Insekten schnell fündig. Das Rentnerpaa­r

hat nämlich genau dafür in seinem 400 Quadratmet­er großen Garten ein kleines Plätzchen mit Totholz reserviert. Überhaupt ist hier alles so angelegt, dass sich möglichst viele Tiere wohlfühlen: Käfer, Libellen, Igel, Eichhörnch­en, Vögel und Schmetterl­inge.

Aber auch Schnecken, Läuse oder das Maiglöckch­enhähnchen, das sich gerne über die Spitzen des Schnittlau­chs hermacht, werden nicht vertrieben. Zumindest nicht mit der chemischen Keule. Herbizide, Pestizide oder Kunstdünge­r sind tabu.

„Wir versuchen, dem Ungeziefer und dem Unkraut durch Handarbeit Herr zu werden“, erklärt Anna Waibel. Das gelingt mal mehr, mal weniger. Und den Begriff Unkraut hören die beiden sowieso nicht gerne. „Giersch und Brennnesse­l schmecken wunderbar im Salat“, sagt Waibel, und außerdem wird auf einem hübschen Holzschild im Garten „das kleine Getier“gebeten, „nicht mehr als 20 Prozent des Gemüses zu fressen“. Ob es sich wohl daran hält?

Den Waibel-Fischers ist das ziemlich schnuppe, denn in ihrem Garten gibt es trotz Beerensträ­uchern, Erdbeeren, Kräutern, Bohnen und Grünkohl sowieso viel mehr Pflanzen für Tiere als für Menschen. „Unser Garten soll vor allem naturnah und tierfreund­lich sein. Insekten und Vögel anlocken“, erläutert Fischer. Bepflanzt ist er deswegen so, dass es von Januar (Nieswurz) bis November (Fetthenne, Cosmea und Stockrose) blüht.

Vor 15 Jahren haben Fischer und Waibel das kleine Häuschen am Rande des Naturschut­zgebiets gekauft. Schon damals gab es hier einen Garten, den die beiden „modifizier­t und nach unseren Bedürfniss­en umgestalte­t“haben. Beide arbeiteten damals noch in der EDV- beziehungs­weise Informatik­branche, doch Gärtnern war schon immer ihr Hobby und der Naturschut­z beiden ein Anliegen. „Ein Grund, warum wir von Konstanz, wo wir nur einen Balkon hatten, hierher gezogen sind“, erzählt Anna Waibel.

Wer nun glaubt, „naturnah“sei mit verwahrlos­t gleichzuse­tzen, täuscht sich. Die einzelnen Beete sind ordentlich abgeteilt, die Bohnenstan­gen stehen akkurat, sauber verlegte Platten führen durch den Garten vor der kleinen, überdachte­n

Terrasse. In manchen Beeten jedoch wächst scheinbar alles bunt gemischt. Allerdings ist die Kombinatio­n zum Beispiel von Erdbeeren und Zwiebeln gewollt und durchdacht, tun sich die beiden Pflanzen nämlich gegenseiti­g gut. Doch zwischendu­rch darf auch das sogenannte Beikraut wachsen. Pit Fischer rennt deswegen nicht gleich los, um es auszurupfe­n, sondern wartet gespannt darauf, was sich daraus entwickelt. „So wird jeder Gartentag zu einer kleinen Sensation, vor allem im Frühjahr“, schwärmt der 66-Jährige, der auch nichts gegen Neophyten hat – ursprüngli­ch nicht-einheimisc­he Pflanzen, die sich aber in unserer Natur etabliert haben. „Unser Garten ist offen für Pflanzen aus aller Herren Länder“, betont er.

Aber auch Menschen sind willkommen, jedes Jahr am Tag der offenen Gartentür Ende Juni. Über 100 Besucher waren es 2019. In diesem Jahr ist das Ehepaar nicht unter den Teilnehmer­n, sollte es diesen Aktionstag wegen der Corona-Pandemie überhaupt geben. „Wir haben uns nicht angemeldet, weil wir auch mal andere Gärten besichtige­n wollen“, verrät Anna Waibel. Überhaupt ist ihr und ihrem Mann der Austausch mit Gleichgesi­nnten wichtig. Sie gibt Workshops und hält Vorträge zum Beispiel zum Thema Wildbienen. Er fotografie­rt und dokumentie­rt alle Schmetterl­inge, die durch den Garten flattern, und steht in regelmäßig­em Austausch mit den Mitglieder­n des BUNDProjek­ts

Schmetterl­inge/Raupen.

Gäste sind die beiden regelmäßig auf der jährlichen Saatgutbör­se in Salem am Bodensee. Dort tauschen und verschenke­n sie die Samen, die sie aus ihren eigenen Pflanzen gewinnen. Davon haben sie immer mehr als genug. Fein säuberlich geordnet und beschrifte­t lagern knapp 100 verschiede­ne Samensorte­n in hübschen ehemaligen Teekörbche­n in einem Regal im Hausflur. Darunter welche von Bartnelke, Feuermohn und gelber Iris genauso wie von Knoblauchr­auke, Puffbohne und Geduldampf­er. „Wir haben sogar noch Samen, die ursprüngli­ch aus dem Garten meiner Großeltern stammen“, erzählt Anna Waibel nicht ohne Stolz. Jahr für Jahr ziehen die beiden Hobbygärtn­er den größten Teil der Pflanzen für ihren Garten aus den eigenen Samen.

Mächtig viel Arbeit, möchte man meinen – und erntet verneinend­es Kopfschütt­eln. „Wir lassen uns von unserem Garten nicht versklaven. Alles ist überschaub­ar und rentnerfre­undlich“, sagt Anna Waibel und fährt mit der Hand – wohl unbewusst – über ihren Rücken.

Die Beiträge unserer Gartenseri­e können Sie im Internet nachlesen unter www.schwäbisch­e.de/ gartengesc­hichten

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Ein ganzes Regal voller eigener Samen.
 ??  ?? Totholz für die Bienen.
Totholz für die Bienen.
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