Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Zum Virus kommt in Japan das Mobbing
Massenhaft Anfeindungen gegen Kranke und Helfer trotz eher geringer Covid-19-Fallzahlen
TOKIO - Als sie positiv auf Covid-19 getestet wurde, begann für Arisa Kadono die Hölle. „Du verdienst es, verbrannt zu werden“, postete ein Mann auf Twitter. „Wenn jemand wegen dir stirbt, ist das eindeutig Mord“, empörte sich ein anderer. Viele beschimpften die junge Japanerin als Terroristin. Kadono war zuvor leichtsinnig und gegen amtlichen Rat mit dem Zug nach Tokio gefahren, hatte eine Grillparty besucht und sich dabei angesteckt.
Als die Infektion entdeckt wurde, dauerte es nur wenige Minuten, bis in den sozialen Netzwerken eine massive Rufmordkampagne losgetreten wurde. Blitzschnell wurde der Name der jungen Frau verbreitet, tauchten Fotos im Internet auf – sowie detaillierte Informationen über ihren Arbeitsplatz sowie die Schulen, die sie besucht hatte. Im Internet wurden Eltern, Kollegen und Freunde sowie deren Adressen aufgelistet. Webseiten übertrafen sich darin, „Informationen“über Arisa Kadono und ihr Umfeld zu sammeln und Videos zu verbreiten.
Auch das Restaurant, in dem die Frau arbeitet, wurde als „Virus-Hotspot“beschimpft, ihr selbst wurden Affären unter anderem mit einem infizierten Sportstar angedichtet. Zu den vielen Gerüchten gehört auch die Story, sie sei heimlich aus dem Krankenhaus geflohen und habe so das Virus bewusst verbreiten wollen.
Da die Lage extrem eskalierte und die persönliche Sicherheit der jungen Frau gefährdet schien, wurde die 20-Jährige unter Polizeischutz gestellt. Sie selbst, nie ernsthaft krank gewesen und nun komplett genesen, entschied sich, ihr Schicksal mit den erschreckenden Diskriminierungen und Anschuldigungen publik zu machen, um andere Erkrankte vor Vorurteilen und Ausgrenzung zu schützen. „Ich wurde behandelt wie eine Kriminelle“, bekannte Arisa Kadono in den Medien.
Obwohl Japan nach offiziellen Zahlen mit 16 300 bestätigten Fällen und 750 Toten relativ milde von der Corona-Krise betroffen ist, breiten sich Hass, Mobbing, Ausgrenzung und Gewalt überdimensional aus. Die unkontrollierte Wut richtet sich im Prinzip gegen alle Menschen, die mit dem Virus in Verbindung gebracht werden, besonders gegen Infizierte und deren Familien, aber auch gegen Ärzte, Schwestern und Pfleger, gegen Verkäufer und selbst Lieferanten. Japans Zeitungen berichten über teilweise bestürzende Vorfälle. Hospitäler weigern sich, aus welchen Gründen auch immer, Corona-Verdachtsfälle aufzunehmen. Notambulanzen müssen zig Klinikadressen anfahren, um Patienten abzuliefern. Legendär ist das Schicksal eines Fieber- und Hustenkranken in Tokio, der in 80 Krankenhäusern abgewiesen wurde, weil man dort mit Corona nichts zu tun haben wollte.
Auch die Politik ist vom Hass befallen; ein Abgeordneter in Osaka bezeichnete junge Patienten als „Mörder von älteren Menschen“. Die Polizei ist inaktiv oder machtlos. In der Präfektur Mie wurden das Haus eines Infizierten mit Steinen beworfen und das Anwesen demoliert. In Iwate starb ein „verdächtiger“Rentner in Selbstisolation, weil die Insassen eines Altenheimes ihn als Mitbewohner ablehnten und die Behörden ihn nicht einmal registrieren wollten.
Besonders hart trifft es das Gesundheitswesen. Mitarbeiter in Krankenhäusern werden massenhaft wegen ihres Jobs angefeindet, ihre Kinder mit teilweise rüden Mitteln aus Tagesstätten und Schulen gemobbt. Familienmitglieder werden bei der Jobsuche abgelehnt oder von ihren Firmen beurlaubt. Krankenschwestern mit Kindern berichten, dass Mütter in Parks sie aufgefordert haben, diese sofort zu verlassen. Seit der Corona-Pandemie ist medizinisches Personal selbst in seinen Stammlokalen unwillkommen. Taxifahrer lehnen es ab, sie zu befördern. Viele Ärzte,
Schwestern und Pfleger klagen, es sei demoralisierend und entmutigend, wie sie von der Gesellschaft behandelt werden. Der Kyoto Sangyo Universität wurde sogar mit einem Brandanschlag gedroht, als sich dort einige Studenten angesteckt hatten.
Genauso frustrierend ist der Umgang mit den Kranken. Toshiko Fukui, Leiterin einer Schwestern-Assoziation warnt, dass die Stigmatisierung zu unnötigen Todesfällen führe. Viele Japaner mit Symptomen würden sich aus Angst vor Anfeindungen und Ausgrenzung gar nicht testen oder behandeln lassen. Tatsächlich werden immer mehr Menschen tot in ihren Häusern oder sogar auf der Straße gefunden, die dann positiv auf das Virus getestet werden.
Wissenschaftler, Anwälte und Psychologen versuchen, das unsoziale Verhalten mit den „Tiefen der japanischen Gesellschaft“zu erklären. Neben der Angst vor Ansteckung sei es vor allem die Ablehnung von „fremden, unreinen und problematischen Dingen“– dazu gehören immer auch Krankheiten. Um stigmatisiert zu werden, reicht schon, zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen zu sein. So werden die Hunderttausenden Betroffenen der Atomkatastrophe von Fukushima im Jahr 2011 noch immer von vielen Japanern offen abgelehnt und gemieden.
BERLIN (dpa) - Germany hat (s)ein Topmodel Nummer 15: Die 21-jährige Jacky, tiermedizinische Fachangestellte aus der Nähe von Wiesbaden, hat das Finale von Heidi Klums Castingshow „Germany’s Next Topmodel“, Staffel 15, gewonnen. Bemerkenswert: Eine der vier Finalistinnen der ProSieben-Show, Studentin Lijana aus Kassel, erklärte nach rund einer Dreiviertelstunde, sie habe keine Lust mehr auf den Hass, der ihr entgegenschlage. Lijana sprach von Mobbing und „Taten gegen mich, gegen meine Familie, sogar gegen meinen Hund“. Ihren Wert könne allein sie bestimmen. „Deswegen verzichte ich auf das Finale.“– „Was dir passiert ist, geht auf jeden Fall zu weit“, sagte Heidi Klum, die wegen der CoronaPandemie aus dem Homeoffice in Los Angeles moderierte.