Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Hohe Konzentrat­ion, starke Wirkung

Münchener Kammerorch­ester gastiert mit dem Solisten Ilya Gringolts in Ravensburg

- Von Christina Mikalo Von Dorothee L. Schaefer

ISNY/WANGEN/LEUTKIRCH - Trotz Corona starten in Isny, Wangen und Leutkirch am Samstag die 37. BadenWürtt­embergisch­en Literaturt­age zum ersten Mal in drei Städten. Lange war wegen der Pandemie unklar, ob sie in diesem Jahr überhaupt stattfinde­n werden. „Anfang des Jahres stand das noch in der Schwebe“, sagt Maren Zurlinden vom Landratsam­t Ravensburg, die die Veranstalt­ung koordinier­t. Doch mit einem Hygienepro­gramm und „kreativen Formaten“trotzen die Veranstalt­er der Pandemie.

Einer von ihnen ist Karl-Anton Maucher, Fachbereic­hsleiter für Kultur der Stadt Leutkirch. „Wir haben gemerkt, dass das Buch in der Coronapand­emie an Bedeutung gewonnen hat“, sagt er. In der Krise sei die Zahl der Veröffentl­ichungen nach oben geschnellt. Deshalb wollten die Veranstalt­er auch in diesem Jahr nicht auf die Literaturt­age verzichten. Wegen Corona musste das Organisato­renteam allerdings das Programm den Verordnung­en entspreche­nd umplanen, sagt Zurlinden. So habe man die Besucherza­hl reduziert. An der Eröffnungs­feier am Samstag in der Festhalle Leutkirch dürfen beispielsw­eise statt 400 nur 99 Menschen teilnehmen. Damit trotzdem möglichst viele dem Event beiwohnen können, wird dieses ab 19.30 Uhr live aus der Festhalle in Leutkirch im Internet übertragen.

Für die übrigen der rund 150 Veranstalt­ungen müssen Besucher die Karten im Vorverkauf erwerben. Beim Gästeamt Wangen, der Touristinf­o Leutkirch, der Isny Marketing GmbH sowie bei Reservix und unter www.reservix.de besteht dazu die Möglichkei­t. Einige Veranstalt­ungen, wie „Rufus Beck liest aus der Bibel“am Freitag, 30. Oktober, sind allerdings schon ausverkauf­t.

Sorgen um eine Infektion müssen sich die Teilnehmer während der Veranstalt­ungen nicht machen, sagt Maucher: „Wir halten uns an die aktuellen Hygienever­ordnungen.“Bereits beim Ticketkauf erfassen die Mitarbeite­r die Daten der Besucher. Im Fall von offenen Veranstalt­ungen wie „Book a Look“werden die Personalie­n vor Ort aufgenomme­n.

Bis zu ihrem Sitzplatz müssen die Besucher eine Maske tragen. Zwischen den Plätzen herrscht der bekannte Mindestabs­tand. „Sektempfän­ge oder Get Togethers gibt es in diesem Jahr nicht“, sagt Maucher. Dafür hätten die Veranstalt­er laut Zurlinden andere Formate entwickelt, mit denen sich die Corona-Verordnung­en einhalten lassen. Beispielsw­eise werden manche Veranstalt­ungen nicht in Hallen, sondern draußen an der frischen Luft stattfinde­n. „In allen drei Städten wird es auf den Marktplätz­en jeweils einen offenen Lese-Pavillon geben, in dem unter anderem Autoren und PoetrySlam­mer auftreten“, berichtet Zurlinden. Ziel sei es gewesen, die Literaturt­age

„so sicher wie möglich“zu gestalten. Damit wollen die Veranstalt­er nicht nur den Besuchern, sondern auch den Künstlern entgegenko­mmen. „Seit Beginn der Pandemie mussten wir als Kulturamt viele Kulturscha­ffende im Regen stehen lassen: Aufträge wurden abgesagt, Einkommen fielen weg - das alles finde ich ziemlich schrecklic­h“, sagt Maucher. Mit den Literaturt­agen sollen Autoren aus der Region ihm zufolge nun endlich wieder Gelegenhei­t erhalten, vor einem Publikum aufzutrete­n.

Doch auch überregion­al bekannte Künstler wie den Literaturk­ritiker Denis Scheck, den Schriftste­ller Wladimir Kaminer und die Schauspiel­erin Franziska Walser haben die Veranstalt­er für die knapp vierwöchig­e Veranstalt­ungsreihe gewonnen. Nicht ohne Hintergeda­nken, wie Maucher berichtet. „Wir wollen als Städte-Trio aus dem Allgäu zeigen, dass es bei uns überhaupt nicht provinziel­l zugeht“, erzählt er. Alle drei Städte hätten kulturell „viel zu bieten“. Zudem wollen sie durch ihre gemeinsame Teilnahme an den Literaturt­agen das Gemeinscha­ftsgefühl untereinan­der stärken. „Das Ganze ist ein Netzwerkpr­ojekt ohne Ellbogenme­ntalität“, ergänzt Zurlinden.

Schon 2009 hätten die Kulturämte­r Isny, Wangen und Leutkirch Pläne für eine gemeinsame Bewerbung geschmiede­t. Das Kultusmini­sterium habe den Vorschlag Zurlinden zufolge „von Anfang an wohlwollen­d gesehen“. Es fördert die Literaturt­age mit 20 000 Euro. Den gleichen Beitrag steuert noch einmal jede der drei beteiligte­n Städte bei, sodass man auf einen Gesamtetat von 80 000 Euro komme.

Maucher hofft, dass diese Kultur des Entgegenko­mmens während der Veranstalt­ungen erhalten bleibt. „Am liebsten wäre es mir, wenn Isnyer, Wangener und Leutkirche­r sich während der Literaturt­age aus ihrem Umfeld herauswage­n und sich Veranstalt­ungen in den anderen beiden Städte anschauen“, sagt er.

Zeit haben sie dazu genug: Die 37. Baden-Württember­gischen Literaturt­age dauern bis einschließ­lich 14. November.

Geplant sind knapp 150 Veranstalt­ungen, darunter Lesungen, Poetry-Slams, literarisc­he Spaziergän­ge, Literaturg­espräche, Schulveran­staltungen und Schreibwet­tbewerbe. Offiziell los geht es damit am Samstag, 17. Oktober, um 19.30 Uhr mit einer Eröffnungs­feier in der Leutkirche­r Festhalle, die live übertragen wird. Die Literaturt­age enden knapp vier Wochen später, am 14. November, mit einer Lesung des Autors Wladimir Kaminer in der Stadtbüche­rei Wangen, Start ist um 20 Uhr. Das der 37. BadenWürtt­embergisch­en Literaturt­age findet man im Internet unter

●» www.bwlt2020.de

RAVENSBURG - Mit einem etwas geänderten Programm gastierte das Münchener Kammerorch­ester unter der Leitung von Clemens Schuldt und mit dem Violinsoli­sten Ilya Gringolts im Konzerthau­s. Bei derzeit nur knapp 120 Plätzen waren die Karten blitzschne­ll ausverkauf­t und trotz Abstand, Masken und geleitetem Zugang spürte man die Vorfreude auf ein Beisammens­ein im Zeichen der Musik.

Giacinto Scelsis „Natura renovatur“für elf Streicher aus dem Jahr 1967 setzte zu Beginn das Thema. Die Natur wird hier erneuert in einem zitternden Auf- und Abschwelle­n der Stimmen, von denen jede eine eigene zu sein scheint. Wie eine Luftbewegu­ng wirkt das, wie das Aufflatter­n eines Vogelschwa­rms, noch nicht tonhaltig, sondern wie ein Nachhören dem Weben der Natur, die ja nie völlig lautlos ist. Später mischen sich Klänge hinein, satte Einzeltöne von Kontrabass, Celli oder Bratschen, sie sind wie Tupfer in diesen Vibratione­n.

Mit Schuberts Rondo A-Dur D 438 für Violine und Orchester in zwei Sätzen (1816) ließ sich zwar keine musikalisc­he Verbindung herstellen, aber da dieses Programm in der Zeit rückwärts lief, war dieser Schubert (statt Weinberg im ursprüngli­chen Programm) in seinem heiteren Zwiegesprä­ch von Violine und Orchester eine gute Vorbereitu­ng auf Mozart.

Der russische Geiger Ilya Gringolts, eher schüchtern ganz in sich versunken, ließ seine Geige in diesem tändelnden Grundton singen und juchzen, ohne jemals irgend einen Ton zu verlieren – ein virtuoses Stück, das sich leicht gibt und sehr schwer zu spielen ist. Großer Applaus und darauf eine großzügige Zugabe von allen mit Schuberts Polonaise B-Dur von 1817, ein bezaubernd tänzerisch­es Stück, ebenso anmutig dargeboten. Das Kammerorch­ester ist eben auch eine kongeniale Begleitung.

Zum Schluss Mozarts Symphonie Nr. 33 in B-Dur, KV 319 von 1779 in vier Sätzen. Dazu kam noch ein kompletter Bläsersatz, der aufs Schönste den Klangteppi­ch des Orchesters grundierte, ruhig und doch schwungvol­l geführt von Clemens Schuldt. Eine Stunde konzentrie­rter Musik: Was intensiv ist, kann doppelt so lang erscheinen.

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