Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Enzensperger: „Homeoffice darf keine Zumutung mehr sein“
Kressbronns Bürgermeister über zu wenige und zu viele Parkplätze, Alternativen zu Palmöl und die Unabsagbarkeit der Fasnet
KRESSBRONN - Bachtobel, BodanHotel, Breitband: Zukunftsweisende Themen stehen in Kressbronn auf der Tagesordnung. Und dabei geht es in der umtriebigen Gemeinde am Bodensee nicht nur um den Anfangsbuchstaben B, sondern um sämtliche Bereiche der Kommunalpolitik von A bis Z. Bürgermeister Daniel Enzensperger spricht im Interview mit SZ-Redakteurin Tanja Poimer darüber, welche Projekte wegen der Corona-Krise verschoben werden, welche speziellen Aspekte zu kontroversen Diskussionen führen und wie die Stimmung in Gemeinderat und Rathaus ganz allgemein ist.
Die Sommerpause ist beendet, der Betrieb läuft längst wieder. Ein kurzer Rückblick: Wie war der Corona-Sommer in Kressbronn, Stichworte: volle Strände, zu wenig Abstand, laute Partys?
Wir haben natürlich festgestellt, dass die Menschen nach dem großen Lockdown ihre Wohnung wieder verlassen und nach draußen wollten. Dieser Drang und das gute Wetter haben dazu geführt, dass unser Ufer und unsere Strände so voll waren wie noch nie. Das lag daran, dass nicht nur Übernachtungs-, sondern vor allem viele Tagesgäste zu uns an den Bodensee kamen, die ihren Urlaub in Deutschland verbracht haben. In der Folge waren wir durchaus damit beschäftigt, dafür zu sorgen, dass die Corona-Regeln eingehalten werden. Dabei haben wir aber auch mal fünfe gerade sein lassen. Denn im Freien ist die Gefahr geringer als in geschlossenen Räumen, und der Großteil hat sich an die Regeln gehalten. Was Partys angeht, war die Polizei immer wieder unterwegs und hat uns Arbeit abgenommen.
Parkplätze am See sind in Stoßzeiten immer knapp. Wie schaffen Sie in Ihrer Gemeinde Platz?
Wir arbeiten an Entwicklungsmöglichkeiten. Zum einen planen wir am Grenzweg einen Parkplatz. Dort halten wir einen Parkplatz für ökologisch vertretbar. Zum anderen wollen wir am Naturstrandbad mehr Platz schaffen, indem wir den Erdwall hinter dem Parkplatz, der bekanntlich Altlasten enthält und ohnehin entfernt werden muss, in den nächsten zwei Jahren abtragen. So können 60 bis 80 weitere Stellplätze angelegt werden. Und wir haben vor, den Untergrund des Ergänzungsparkplatzes daneben zu stabilisieren, und zwar naturnah etwa in Form eines Schotterrasens.
Die CDU-Fraktion hat sich in der jüngsten Gemeinderatssitzung mit ihrem Antrag durchgesetzt, zwischen Fischerdorf und Bildungszentrum einen neuen Parkplatz anzulegen. Sie haben sich klar gegen den Plan ausgesprochen. Warum? Ich hätte bevorzugt, den Bestand zu sichern und und nur an den Ortsrändern auszubauen – so wie es das Verkehrsgutachten vorgesehen hat. Denn zu 95 Prozent im Jahr reicht das Angebot in Kressbronn aus, und ich persönlich halte es nach wie vor für falsch, wegen ein paar problematischen Tagen so viel Fläche als Parkplatz in Anspruch zu nehmen, der den Rest des Jahres leersteht. Dazu kommt, dass sich das Areal direkt neben einem FFH-Gebiet, dem Schlössle-Park, befindet und durch den Parkplatz der Charakter des
Parks als Ruhe- und Erholungsbereich komplett zerstört wird. Auch der Schulbetrieb könnte durch den Lärm beeinträchtigt werden. Nicht zu vergessen: Das Areal könnte für die Erweiterung der Schule oder der Außensportanlage benötigt werden.
Apropos Investition: Sie haben kurz nach Beginn der Corona-Krise eine Haushaltssperre erlassen. Wie geht es Kressbronn finanziell? Die Haushaltssperre ist noch in Kraft. Durch die Kompensation der Gewerbesteuerausfälle, wofür ich Bund und Land ausdrücklich ein Lob ausspreche, wird aber das Haushaltsjahr 2020 nicht das Problem sein. Wir werden die Auswirkungen der Krise in den beiden Folgejahren zu spüren bekommen, denn wir gehen von sinkenden Gewerbesteuerund Einkommenssteuereinnahmen aus. Wir hatten bereits Vorbesprechungen zum Haushaltsplan 2021, der im Oktober in den Gemeinderat eingebracht wird, und es zeigt sich, dass wir Projekte verschieben müssen. Dafür bitte ich die Bevölkerung um Verständnis. Wir hatten zuletzt sehr gute Jahre, und jetzt müssen wir eben eine Durststrecke überwinden.
Und welche Projekte müssen wegen Corona verschoben werden? Zum Beispiel wird es den Erweiterungsbau des Bildungszentrums Parkschule treffen. Dieses Projekt ist im Gegensatz zu einer neuen Kinderbetreuungseinrichtung verschiebbar. Hintergrund ist der gesetzliche Anspruch auf Betreuungsplätze. Natürlich würden wir gerne beides umsetzen, aber wir müssen eine Entscheidung treffen. Was die Schule angeht, ist ein Teil des Raumbedarfs wegen der Erweiterung des Sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentrums bis Klasse zehn nötig. Diese Erweiterung haben wir aber noch gar nicht. Zudem sind die Schülerzahlen gerade auf dem prognostizierten Tiefpunkt, und wir haben noch Zeit und Luft, bis diese wieder steigen. Die Sanierung des Altbaus läuft dagegen planmäßig weiter, unter anderem sind bereits die Fachräume modernisiert.
Immer wieder wird Protest laut, weil für das Blockkraftheizwerk in der Parkschule immer noch Palmöl genutzt wird. Wann steigt Kressbronn auf einen alternativen Brennstoff um?
Das Thema Palmöl haben wir im September vor einem Jahr umfassend im Gemeinderat besprochen. Es gab damals einen Antrag der Grünen, den Kraftstoff sofort zu wechseln. Die Mehrheit des Gremiums wollte das nicht. Mein Kompromissvorschlag war, zum 31. Dezember 2021 auszusteigen. Denn wir brauchen eine Übergangsfrist, um den Wechsel vorzubereiten, und ab 2022 ist das Kraftwerk buchhalterisch abgeschlossen. Außerdem hat eine Effizienzuntersuchung ergeben, dass wir die Anlage optimieren können, was wir zuerst angehen wollten. Jetzt liegt jedoch wieder ein Antrag der Grünen vor, den Wechsel sofort vorzunehmen. Wir werden im Oktober im Gemeinderat darüber diskutieren. Wobei der Beschlussvorschlag der Verwaltung erneut der sein wird, bis Ende 2021 bei Palmöl zu bleiben und 2022 auf europäisches Rapsöl umzusteigen, das früher schon einmal genutzt wurde.
Kommen wir zu den Bildungseinrichtungen insgesamt. Wie läuft der Corona-Betrieb? Grundsätzlich ist es so, dass für den Schulbetrieb das Land Baden-Württemberg zuständig ist. Wir kümmern uns um die Kinderbetreuungseinrichtungen
und haben ein gutes Hygienekonzept ausgearbeitet. Das hat seine Wirkung gezeigt hat, als wir Ende vergangener Woche einen bestätigten Corona-Fall hatten. Da es aufgrund des Konzeptes keine Vermischung der Gruppen gab, mussten wir nicht die ganze Einrichtung für zwei Wochen schließen, sondern lediglich die betroffene Gruppe. Ich möchte an dieser Stelle noch einmal an jeden einzelnen appellieren, sich an die Abstands- und Hygieneregeln zu halten und die Risiken einer Ansteckung zu minimieren. Das Virus ist noch da und breitet sich momentan wieder stark aus.
Regelmäßig umstritten: Alles, was mit dem geplanten Bodan-Hotel zu tun hat. Braucht die Gemeinde an dieser sensiblen Stelle am See tatsächlich diese Nutzung?
Das Grundstück gehört einem privaten Investor, und im Durchführungsvertrag von 2013 bekennt sich die Gemeinde Kressbronn klar zu dem Hotel. Der Investor wurde damals dazu verpflichtet, Baurecht für ein Hotel zu schaffen. An diesen Vertrag haben wir uns zu halten, und es gibt definitiv einen Bedarf an einem weiteren Hotel.
Erst sollte es ein Motorworld-Hotel sein, jetzt ist ein Haus auf Stelzen mit bis zu 120 Zimmern geplant. Wen soll das Gebäude ansprechen, und wann übernachten die ersten Gäste dort?
Es geht jetzt nicht mehr um ein Themen-Hotel Motorworld und Geschäftsreisende, das Thema ist jetzt vielmehr allgemeiner Tourismus. Wann das Haus fertig sein wird beziehungsweise wann der Bau beginnt, wissen wir im Moment nicht, das ist Sache des Investors. Eine Unsicherheit ist, dass in der aktuellen Situation wegen Corona Investitionen schwieriger sind. Die Gemeinde hat die Aufgabe, Planungsrecht zu schaffen und sicherzustellen, dass an der Stelle nichts passiert, was nicht in unserem Sinne ist. Vertraglich definitiv ausgeschlossen ist, dass dort Wohnungsbau entsteht. Was einen Kauf des Grundstücks betrifft, das keinen direkten Seezugang hat, besteht zwar noch bis 31. Dezember 2020 ein Ankaufsangebot aus früheren Jahren. Doch wir würden den Preis erst erfahren, wenn wir das Angebot angenommen haben. Dann würde das Grundstück bewertet, und wir müssen damit rechnen, dass wir eine höhere siebenstellige Summe bezahlen müssten, was sich die Gemeinde derzeit kaum leisten kann. Eine sehr unglückliche Regelung, die damals getroffen wurde.
Und wie weit ist die Entwicklung des Bodan-Areals?
Wenn wir das Hotel außen vor lassen, ist die Entwicklung des Areals in diesem Jahr abgeschlossen. Los ging es mit der privaten Wohnbebauung.
Danach kamen die öffentlichen Bereiche an die Reihe. Dazu gehören die Bodan-Promenade, die Sanierung der Baudenkmale, sprich: ehemalige Werfthallen, mit Gastronomie und kleiner Seebühne als Folgenutzung. Schlusspunkt ist der Bodan-Platz, der Anfang November fertig wird. Der vierte Bauabschnitt, in dem wir die Bodanstraße sanieren wollen, gehört zum Hotel dazu. Der Vorteil für die Gemeinde ist, dass wir den Investor an den Kosten für die Sanierung beteiligen, weil es auch um die Zufahrt zum Hotel geht. Wir werten in dem Zuge den Bereich von der Promenade bis zum Naturstrandbad auf und schaffen für das Strandbad, das derzeit modernisiert wird, und nicht zuletzt für den Ort einen viel repräsentativeren Eingang.
Es gibt also einige Reizthemen, die der Gemeinderat auch kontrovers diskutiert. Wie ist Ihrer Ansicht nach die Stimmung im Gremium? Ich persönlich würde sagen, die Stimmung ist gut. Wir legen großen Wert auf Diskussionen und sind nicht immer einer Meinung, was in einer Demokratie jedoch ganz normal ist. Wir verfolgen gemeinsam und konstruktiv das Ziel, zu einem Konsens oder Kompromiss zu kommen – und das sehr erfolgreich. Trotzdem werden natürlich nicht alle Entscheidungen einstimmig getroffen. Der Verwaltung ist es wichtig, die Räte mitzunehmen und gut zu informieren, damit sie volle Entscheidungsgrundlage haben. Deshalb sind auch unsere Sitzungsvorlagen sehr ausführlich und umfassend.
Vor dem Hintergrund, dass Ihnen immer wieder mal ein rigider Führungsstil nachgesagt wird: Wie läuft es in der Krise im Rathaus? Wenn ich mir die Corona-Krise anschaue, haben wir im Rathaus richtig gut zusammengehalten und zusammengearbeitet. Dafür bin ich sehr dankbar. Die Gemeinde ist aber nach wie vor Arbeitgeber und Dienstherr für viele Menschen, und wir werden es nicht immer allen recht machen können. Zumal mir einige Dinge, wie zum Beispiel der Dienstleistungsaspekt für die Bürgerinnen und Bürger, sehr wichtig sind. Und bestimmte Vorgaben, die es deshalb gibt, erhöhen sicher das Arbeitspensum für einige Mitarbeiter. Im Großen und Ganzen läuft es gut, wie überall menschelt es auch bei uns im Rathaus.
Schauen wir in die Zukunft: Wohnraum ist bei uns am See heiß begehrt. Wie weit sind die Planungen für das Baugebiet Bachtobel?
Dass die Preise weiter steigen, werden wir in Kressbronn nicht verhindern können. Wir verfolgen eine
Strategie der Abmilderung. Eigentlich müssten wir im großen Stil bauen. Wenn wir aber zu schnell und zu viel bauen, dann verträgt das der Ort nicht. Sobald mehr Menschen dazukommen, wirkt sich das auf Versorgungsbereiche wie Kinderbetreuung oder Kläranlage aus. Wachstum muss schrittweise und kontrolliert erfolgen. Speziell im Bachtobel planen wir auf der Grundlage des städtebaulichen Wettbewerbs weiter, der im vergangenen Jahr stattgefunden hat. Wir befinden uns derzeit in der Bebauungs- und Erschließungsplanung und hoffen, dass wir im nächsten Jahr den Bebauungsplan abschließen und die Bauplätze vergeben können. Geplant ist, dass Ende 2021 die ersten Bagger zur Erschließung anrollen. Die Kinderbetreuungseinrichtung, für die gerade ein Architektenwettbewerb läuft, wird voraussichtlich das erste Gebäude sein, das steht, weil wir die Plätze dringend brauchen. Eine der nächsten Aufgaben ist, einen genossenschaftlich orientierten Investor für den Mietwohnungsbau zu finden, der auf etwa 40 bis 50 Prozent der Fläche entstehen soll. Die Gemeinde behält außerdem Grundstücke für den kommunalen Wohnungsbau.
Wie Sie erwähnt haben, ist im Baugebiet auch eine Kinderbetreuungseinrichtung geplant. Bis zur Fertigstellung dauert es noch. Wie decken Sie bis dahin den Bedarf? Wir schaffen im Nonnenbachkindergarten und in der Außenstelle des Kleinkinderhauses Pünktchen im Rathaus Provisorien für jeweils eine Gruppe. Die Betriebserlaubnis haben wir bereits. Der Platz reicht aber nicht dauerhaft, weshalb wir im Bachtobel eine Einrichtung für fünf Gruppen bauen.
Kommen wir zur Anbindung: Kressbronn ist dem Zweckverband Breitband Bodensee nicht beigetreten. Warum nicht, und wie sorgen Sie dafür, dass Ihre Gemeinde in Sachen Digitalisierung nicht abgehängt wird?
Für unsere Gemeinde ist der Zweckverband nicht das richtige Modell. Die Zeit eilt, und wir wollen das Thema selbst in der Hand behalten. Dazu kommt, dass wir in dem Bereich personell ganz gut aufgestellt sind und seit Oktober im Tiefbauamt einen Ingenieur beschäftigen, der den Ausbau betreuen wird. Um die weißen Flecken auf unserer Karte zu beseitigen und alle Teilorte mit Glasfaser zu versorgen, haben wir einen Dreijahresplan erstellt. Dafür nehmen wir richtig viel Geld in die Hand, die Investitionssumme beläuft sich auf 4,7 Millionen Euro. Der Bund fördert den Ausbau mit 1,8 Millionen Euro, beim Land haben wir ebenfalls eine Förderung beantragt. Der Ausbau ist übrigens eigentlich keine Aufgabe der Gemeinde. Weil die Telekommunikationsunternehmen aber versagt haben, kümmern wir uns selbst darum. Homeoffice darf auch für Bewohner im Kressbronner Hinterland keine Zumutung mehr sein.
„Durch den Parkplatz wird der Charakter des Parks komplett zerstört.“
„Mir ist es wichtig, dass wir mit der Situation umgehen und nicht alles streichen.“
Zum Schluss ein ganz anderes Thema: Die Stadt Friedrichshafen hat den Weihnachtsmarkt und den Jahresempfang abgesagt. Auch in der Fasnet wird nicht so viel passieren wie normalerweise. Was findet bei Ihnen statt?
Wir wollen einen Weihnachtsmarkt veranstalten, der auf dem Rathausplatz unter entsprechenden Hygiene-Bedingungen stattfindet. Auch den Neujahrsempfang wird es mit Auflagen geben. Mir ist wichtig, dass wir mit der Situation umgehen und nicht einfach alles streichen. Die Fasnet kann man sowieso nicht absagen, da es sich um eine Jahreszeit handelt. Die Narrenvereine überlegen, was möglich ist, und wir unterstützen sie dabei. Partys in der Festhalle werden wahrscheinlich nicht stattfinden. Der Heimatball wäre jedoch beispielsweise aus meiner Sicht unter entsprechenden Hygienebedingungen möglich.