Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Die Rustikalisierung eleganter Wirtshausküche
Gelernt haben die Grundlage einer guten Küche viele Köche. Aber irgendwann haben sie sich einfach für den leichteren Weg entschieden: Also lieber Tüte auf, warm machen und mit einem Lächeln als regionale Spezialität, natürlich hausgemacht, – zwinker, zwinker –, servieren. Ausreden, warum man das so machen müsse, gibt es viele. Die Leute wollten das so, sie schmeckten den Unterschied eh nicht mehr, es gebe kein gutes Personal, alles müsse immer billig sein und so weiter. Zum Glück gibt es Häuser wie das Hotel Restaurant Bürgerbräu in Überlingen, das mit seiner ehrlichen Arbeit all die Dosenaufwärmer und Halbfertigproduktverwerter da draußen Lügen straft.
Katja und Simon Metzler – klassische Zweiteilung mit ihr im Service und ihm am Herd – haben sich in einem alten Fachwerkhaus nicht nur ihren eigenen
Traum verwirklicht, sondern vor allem den Traum ihrer Gäste, deren Geschmacksnerven sich gerne natürlichen Herausforderungen stellen. Die sich noch begeistern können für die aromatischen Zwischentöne, die da jenseits von süß, sauer und salzig am Gaumen Impulse geben. Dass der Genuss schon im äußeren Rahmen beginnt, zeigt die erst kürzlich komplett sanierte Gaststube: lebendige Holztöne stehen im Kontrast zu dunklen Sitzmöbeln, modern inszeniert von wild angeordneten Leuchtstoffröhren. Besonders intim wirken die verschiedenen Nischen, wo sich Genießer ganz aufs Wesentliche konzentrieren können – das Essen nämlich. Das ambitionierte Speiseangebot hat sich sozusagen rustikalisiert und neigt sich stärker dem Wirtshausthema zu, allerdings ohne plump oder derb zu sein. Vielmehr schaffen es Simon
Metzler und sein Team, den Klassikern eine Eleganz einzuhauchen, die immer auch von der Einfachheit lebt. Ungefähr nach dem Motto „vom Simplen das Beste“.
So jedenfalls kommt schon der Wirtshaussalat beim Gast an. Makelloses Grün, überragend frisch, geschmacklich aufgeweckt vom sauersüßlichen Hausdressing. Sogar Gurkenund Karottensalat fallen aufgrund ihrer Frische auf und zeigen, worauf es dem Chef ankommt: dass auch die Details stimmen müssen. Und das tun sie.
Bei den gratinierten Schnecken, die noch tatsächlich nach Schnecken schmecken, ebenso wie bei der Rinderbrühe, die den Namen auch verdient. Sie ist die reine Essenz von Fleisch und Knochen. Und vor lauter Einlage – Kräuterflädle und strohfein geschnittene Gemüsestreifen – sieht man den Terrinenboden nicht. Das ist nicht nur eine Suppe, sondern ein Lehrstück.
Mit dunklen, dichten und tiefen Röstaromen kommt die Hirschleber an den Tisch, umgeben von einer reichen Jus, die den außergewöhnlich intensiven Geschmack der Innereien noch merklich hebt. Angerichtet ist dieses Wucht ganz schlicht – der schöne Teller sowie das Essen sprechen optisch für sich, zumal grasgrüne Spätzle Kontrast bringen. Und wahrlich auch geschmacklich. Denn der Spinat ist nicht nur zu sehen, sondern auch deutlich wahrnehmbar. Damit spricht die Beilage die gleiche Sprache wie alles im Bürgerbräu: gutes Grundprodukt, ohne Effekthascherei, handwerklich außerordentlich souverän zubereitet. Fehler Fehlanzeige. Auch bei den Desserts. Dunkle Mousse ohne Bindemittel wie Gelatine. Birnen-Sorbet, das nach Birne schmeckt. So einfach und so großartig.
Aufkircherstr. 20
88662 Überlingen
Tel. 07551-92740 www.bb-ueb.de geöffnet Dienstag-Sonntag von 11.30-14 Uhr und ab 17.30 Uhr, Montag Ruhetag. Hauptgerichte 12,90-26,90 Euro.