Schwäbische Zeitung (Tettnang)

„Jurassic Park“im Reich der Riesenechs­en

Indonesien plant in einem Nationalpa­rk eine Safari-Attraktion mit Waranen

- Von Ahmad Pathoni und Carola Frentzen

JAKARTA (dpa) – Die Architekte­n nennen ihr Projekt mit unverhohle­nem Stolz „Jurassic Park“. Komododrac­hen sind zwar weder so groß noch so alt wie die Dinosaurie­r aus dem Hollywood-Blockbuste­r, aber sie bevölkern immerhin schon seit vier Millionen Jahren den Planeten. Die bis zu drei Meter langen Warane, die heute nur noch auf einer Handvoll Inseln in Indonesien leben, wirken tatsächlic­h wie Überbleibs­el aus der Urzeit – und genau das macht sie so fasziniere­nd.

Einige der letzten Riesenechs­en sollen nun in eine neue Touristena­ttraktion auf Rinca Island im weltberühm­ten Komodo-Nationalpa­rk integriert werden. Tierschütz­er fürchten, dass das natürliche Habitat der Reptilien auf der Strecke bleiben könnte.

Das 1,3 Hektar große GeoparkPro­jekt, das 6,7 Millionen Dollar (5,7 Millionen Euro) kosten soll, ist Teil der Bemühungen der Regierung von Präsident Joko Widodo, den Tourismus im weltgrößte­n Inselstaat anzukurbel­n. Neben der beliebten Urlaubsins­el Bali sollen in Zukunft weitere Touristen-Hotspots Besucher nach Indonesien locken. Kritiker würden das Komodo Archipel aber lieber außen vor lassen.

Die Struktur des Parks sei viel zu modern und passe nicht zu dem 1980 eingericht­eten Nationalpa­rk, der den Waranen Schutz bieten soll, sagte Akbar Alayubi, Vorsitzend­er der örtlichen Umweltschu­tzgruppe „Komodo Young Guards“. „Die Pläne sind ein Gegensatz zu dem Image eines natürliche­n Tourismus, auf den wir so stolz sind.“

Der Komodo-Nationalpa­rk, der sich aus den Inseln Rinca, Komodo und Padar zusammense­tzt, gehört seit 1991 zum Unesco-Weltnature­rbe. Nach jüngsten Zahlen der Behörden leben dort heute weniger als 3000 Riesenechs­en. Die Weltnaturs­chutzunion IUCN stuft den „Varanus komodoensi­s“als gefährdet ein. Ungeachtet dessen hat die Regierung in Jakarta entschiede­n, dem Schutzgebi­et – ebenso wie dem Ort Labuan Bajo auf der Insel Flores, von dem aus traditione­ll die Bootstoure­n zu den Waranen starten – Priorität bei der Tourismuse­ntwicklung einzuräume­n.

„Wir möchten, dass Touristen eine gute Zeit haben, ohne dass die Aktivität der Wildtiere gestört wird“, sagt Shana Fatina, Direktorin der Tourismusb­ehörde Labuan Bajo Flores. Die neue Konstrukti­on werde nur 0,5 Prozent der Gesamtfläc­he des Nationalpa­rks belegen. „Wir ersetzen alte Gebäude durch eine einzige Struktur mit einem erhöhten Deck, um die Überwachun­g und die Bestandser­haltung zu erleichter­n“, erklärt sie. „Der Rest der Insel wird unberührt bleiben.“Komodowara­ne sind schnell und gelten als aggressiv. Charakteri­stisch ist ihre lange, gespaltene Zunge. Die bis zu 70 Kilogramm schweren Raubtiere leben von Aas, greifen aber auch Beute an, die ein Vielfaches ihrer eigenen Größe haben – darunter Hirsche, Wasserbüff­el und Wildschwei­ne. Beim Zubeißen produziere­n sie Gift, das ihre Beute in einen Schockzust­and versetzt und die Blutgerinn­ung verhindert.

Angriffe auf Menschen sind selten, kommen aber gelegentli­ch vor. So hatte eine Riesenechs­e 2007 auf Komodo einen neunjährig­en Jungen angegriffe­n und getötet. 2013 attackiert­e ein Waran einen Touristenf­ührer und verletzte ihn schwer. Die Urlauber, die der Mann durch den Nationalpa­rk führte, kamen mit dem Schrecken davon.

Der Chefarchit­ekt des Projekts, Yori Antar, ist überzeugt, dass die neue Konstrukti­on Besucher künftig vor derartigen Angriffen schützen kann. „Die Komododrac­hen können sich frei in der Anlage bewegen, während Touristen sie vom erhöhten Deck aus beobachten oder füttern können, ohne attackiert zu werden“, erläutert er. Auch seien ein Informatio­nsund Forschungs­zentrum sowie Unterkünft­e für Forscher, Ranger und Tourguides geplant. Der Bau soll bereits 2021 fertig sein.

Mit dem Spitznamen „Jurassic Park“wolle man die Fantasie von potenziell­en Gästen anregen: „Wir wollen, dass das Ganze im Ausland viral geht“, so Antar. Im September veröffentl­ichten die Baumeister auf Instagram ein Video mit ihrem Modell, untermalt vom Soundtrack des Dinosaurie­r-Epos. Vorwürfe, dass die Pläne die Warane gefährden könnten, weist Antar zurück. Aber vor allem für die Menschen in der Region sei das Projekt ein „Segen“, ist er überzeugt.

Da gehen die Meinungen allerdings auseinande­r. Laut Benedictus Douk, der Touren in den Nationalpa­rk organisier­t, ist die örtliche Bevölkerun­g gegen die Pläne. „Die in der Tourismusb­ranche in Labuan Bajo Beschäftig­ten haben gegen den Bau protestier­t, aber die Regierung hat uns ignoriert. Meiner Meinung nach wird die Anlage den Lebensraum der Komodos zerstören und das Gebiet in einen Safaripark verwandeln.“

Eine lokale Aktivisten­gruppe mit dem Namen „Öffentlich­es Forum zur Rettung des Tourismus“hat sich derweil ebenfalls an die Regierung gewandt, um den Bau zu verhindern. „Eine solche Betonstruk­tur verstößt gegen das Umweltschu­tzgesetz, nach dem die Veränderun­g der natürliche­n Landschaft in einem Nationalpa­rk verboten ist“, hieß es in der Erklärung. „Zudem werden Brunnenboh­rungen zur Unterstütz­ung der Infrastruk­tur zu einem Mangel an Wasser führen, das für das Überleben der Tiere und Pflanzen in der Region von entscheide­nder Bedeutung ist.“

Trotz seiner abgelegene­n Position erfreut sich das Komodo-Archipel bei Touristen aus aller Welt seit Jahren immer größerer Beliebthei­t. 2018 haben offizielle­n Statistike­n zufolge mehr als 175 000 Menschen den Nationalpa­rk besucht, die meisten davon Ausländer. Schon länger gilt die Region als negatives Beispiel für den sogenannte­n „Overtouris­m“– jenen überborden­den Tourismus, der heute so viele einst idyllische Destinatio­nen plagt.

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FOTO: MADE NAGI/DPA Ein Komodowara­n, aufgenomme­n im Komodo Island Nationalpa­rk. Die Regierung von Indonesien plant dort eine neue Touristena­ttraktion, in die einige der letzten Riesenechs­en integriert werden sollen.
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FOTO: YORI ANTAR/DPA Eine Computeran­imation zeigt den geplanten Park für Komodowara­ne im Nationalpa­rk.

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