Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Dem Virus auf der Spur

Einsatzgru­ppe des Gesundheit­samts im Bodenseekr­eis verfolgt Kontakte Corona-Infizierte­r zurück

- Von Barbara Baur

FRIEDRICHS­HAFEN - Weder Schulen noch Gastronomi­ebetriebe sind im Bodenseekr­eis die Plätze, wo sich das Coronaviru­s massenhaft ausbreitet. „Wir gehen momentan davon aus, dass die Menschen sich hauptsächl­ich im privaten Umfeld infizieren“, sagt Dr. Oliver Schäfer, stellvertr­etender Leiter des Gesundheit­samts Bodenseekr­eis, der die „Einsatzgru­ppe Pandemie“leitet. Ein Problem sei allerdings, dass sich bei vielen Betroffene­n über die Infektions­quelle nicht einmal mutmaßen lasse.

Fällt im Bodenseekr­eis ein Corona-Test positiv aus, wird er automatisc­h dem Gesundheit­samt gemeldet. „Anders als während der ersten Welle der Pandemie zeigen derzeit die meisten Infizierte­n keine Symptome. Klinische Fälle sind momentan eher selten“, sagt Schäfer. Sein Team hat das Ziel, die Infektions­ketten zu unterbrech­en. Im ersten Schritt nimmt die Einsatzgru­ppe Kontakt zum Betroffene­n auf. Die Mitarbeite­r des Gesundheit­samts klopfen bei einem Telefonges­präch ab, ob Symptome wie Schnupfen, Husten, Atemnot oder auch Durchfall vorlagen. „Der Zeitpunkt, zu dem die Symptome auftreten, lassen Aufschluss darüber zu, wie infektiös der Betroffene ist“, sagt Schäfer. Aktuellen Erkenntnis­sen

zufolge werde von Symptombeg­inn an zwei Tage rückwärts und zehn Tage vorwärts gezählt – zumindest in den meisten Fällen, denn hin und wieder gebe es Abweichung­en.

Der Infizierte muss innerhalb von zwei Stunden eine Liste mit den Kontakten zu erstellen, die er während dieser zwölf Tage hatte. Der Mitarbeite­r, der mit dem Fall befasst ist, muss in Gesprächen klären, wie eng die Kontakte des Infizierte­n waren. Dann werden sie in zwei Gruppen eingeteilt. Kontaktper­sonen ersten Grades gelten als „hoch ansteckung­sverdächti­g“, wie es in der Fachsprach­e heißt. Für sie wird eine 14-tägige Quarantäne angeordnet. Das betrifft die Menschen, die dem Infizierte­n näher als 1,5 Meter waren oder die sich gemeinsam mit ihm länger als 30 Minuten in einem schlecht gelüfteten Raum aufhielten. „Dazu zählt auch, wenn die Belüftungs­situation unklar ist“, erläutert Schäfer.

Kontaktper­sonen ersten Grades legt das Gesundheit­samt nahe, sich auf Sars-Cov-2 testen zu lassen. „Der Test ist freiweilli­g, aber wir haben ein hohes Interesse daran, weitere Infizierte zu finden“, sagt er. Damit das Ergebnis überhaupt aussagekrä­ftig sei, müsse im richtigen Zeitfenste­r getestet werden. Dieses liegt laut Schäfer zwischen dem fünften und dem siebten Tag nach der Infektion. In dieser Phase sei die Virendicht­e im Nasen- und Rachenraum am höchsten. Vorher und hinterher ist das Virus unter Umständen mit einem Abstrich nicht nachweisba­r, auch wenn die Testperson infiziert ist. Deshalb werde die Quarantäne der Kontaktper­sonen auch bei einem negativen Testergebn­is aufrecht erhalten.

Für diejenigen, die nicht alleine wohnen, sind während der Quarantäne angewiesen, sogar den Kontakt zu Familie oder Mitbewohne­rn einzustell­en und sich innerhalb der Wohnung weitestgeh­end zu isolieren. „Richtig problemati­sch ist das bei Alleinerzi­ehenden mit kleinen Kindern“, sagt Schäfer. Werde beispielsw­eise das Kind positiv getestet, müsse die Mutter oder der Vater zunächst ebenfalls isoliert werden, bis das Kind nicht mehr ansteckend sei. Anschließe­nd folge die Quarantäne, die weitere 14 Tage daure. Insgesamt sind das 24 Tage, in denen ausgeschlo­ssen werden soll, dass sich das Elternteil angesteckt hat.

Kontaktper­sonen zweiten Grades müssen nicht mit Quarantäne rechnen. Stattdesse­n erhalten sie ein Flugblatt mit Informatio­nen und den Ratschlag, sich selbst zu isolieren, auf ihre Gesundheit und eventuelle Symptome zu achten und insbesonde­re zu gefährdete­n Menschen Distanz zu halten. „Bei den Gesprächen, die wir führen, müssen wir die richtigen Informatio­nen heraushole­n, um den Fall richtig einzuordne­n und zu ermitteln, mit welchen Leuten der Infizierte Kontakt hatte“, sagt Schäfer.

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FOTO: HANS KLAUS TECHT/DPA Fällt ein Corona-Test positiv aus, wird er automatisc­h dem Gesundheit­samt gemeldet.
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FOTO: BBB Dr. Oliver Schäfer

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