Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Dem Virus auf der Spur
Einsatzgruppe des Gesundheitsamts im Bodenseekreis verfolgt Kontakte Corona-Infizierter zurück
FRIEDRICHSHAFEN - Weder Schulen noch Gastronomiebetriebe sind im Bodenseekreis die Plätze, wo sich das Coronavirus massenhaft ausbreitet. „Wir gehen momentan davon aus, dass die Menschen sich hauptsächlich im privaten Umfeld infizieren“, sagt Dr. Oliver Schäfer, stellvertretender Leiter des Gesundheitsamts Bodenseekreis, der die „Einsatzgruppe Pandemie“leitet. Ein Problem sei allerdings, dass sich bei vielen Betroffenen über die Infektionsquelle nicht einmal mutmaßen lasse.
Fällt im Bodenseekreis ein Corona-Test positiv aus, wird er automatisch dem Gesundheitsamt gemeldet. „Anders als während der ersten Welle der Pandemie zeigen derzeit die meisten Infizierten keine Symptome. Klinische Fälle sind momentan eher selten“, sagt Schäfer. Sein Team hat das Ziel, die Infektionsketten zu unterbrechen. Im ersten Schritt nimmt die Einsatzgruppe Kontakt zum Betroffenen auf. Die Mitarbeiter des Gesundheitsamts klopfen bei einem Telefongespräch ab, ob Symptome wie Schnupfen, Husten, Atemnot oder auch Durchfall vorlagen. „Der Zeitpunkt, zu dem die Symptome auftreten, lassen Aufschluss darüber zu, wie infektiös der Betroffene ist“, sagt Schäfer. Aktuellen Erkenntnissen
zufolge werde von Symptombeginn an zwei Tage rückwärts und zehn Tage vorwärts gezählt – zumindest in den meisten Fällen, denn hin und wieder gebe es Abweichungen.
Der Infizierte muss innerhalb von zwei Stunden eine Liste mit den Kontakten zu erstellen, die er während dieser zwölf Tage hatte. Der Mitarbeiter, der mit dem Fall befasst ist, muss in Gesprächen klären, wie eng die Kontakte des Infizierten waren. Dann werden sie in zwei Gruppen eingeteilt. Kontaktpersonen ersten Grades gelten als „hoch ansteckungsverdächtig“, wie es in der Fachsprache heißt. Für sie wird eine 14-tägige Quarantäne angeordnet. Das betrifft die Menschen, die dem Infizierten näher als 1,5 Meter waren oder die sich gemeinsam mit ihm länger als 30 Minuten in einem schlecht gelüfteten Raum aufhielten. „Dazu zählt auch, wenn die Belüftungssituation unklar ist“, erläutert Schäfer.
Kontaktpersonen ersten Grades legt das Gesundheitsamt nahe, sich auf Sars-Cov-2 testen zu lassen. „Der Test ist freiweillig, aber wir haben ein hohes Interesse daran, weitere Infizierte zu finden“, sagt er. Damit das Ergebnis überhaupt aussagekräftig sei, müsse im richtigen Zeitfenster getestet werden. Dieses liegt laut Schäfer zwischen dem fünften und dem siebten Tag nach der Infektion. In dieser Phase sei die Virendichte im Nasen- und Rachenraum am höchsten. Vorher und hinterher ist das Virus unter Umständen mit einem Abstrich nicht nachweisbar, auch wenn die Testperson infiziert ist. Deshalb werde die Quarantäne der Kontaktpersonen auch bei einem negativen Testergebnis aufrecht erhalten.
Für diejenigen, die nicht alleine wohnen, sind während der Quarantäne angewiesen, sogar den Kontakt zu Familie oder Mitbewohnern einzustellen und sich innerhalb der Wohnung weitestgehend zu isolieren. „Richtig problematisch ist das bei Alleinerziehenden mit kleinen Kindern“, sagt Schäfer. Werde beispielsweise das Kind positiv getestet, müsse die Mutter oder der Vater zunächst ebenfalls isoliert werden, bis das Kind nicht mehr ansteckend sei. Anschließend folge die Quarantäne, die weitere 14 Tage daure. Insgesamt sind das 24 Tage, in denen ausgeschlossen werden soll, dass sich das Elternteil angesteckt hat.
Kontaktpersonen zweiten Grades müssen nicht mit Quarantäne rechnen. Stattdessen erhalten sie ein Flugblatt mit Informationen und den Ratschlag, sich selbst zu isolieren, auf ihre Gesundheit und eventuelle Symptome zu achten und insbesondere zu gefährdeten Menschen Distanz zu halten. „Bei den Gesprächen, die wir führen, müssen wir die richtigen Informationen herausholen, um den Fall richtig einzuordnen und zu ermitteln, mit welchen Leuten der Infizierte Kontakt hatte“, sagt Schäfer.