Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Rat stimmt Regeln gegen Korruption zu

Richtlinie­n richten sich gegen Eigennutz – Kritik an Art und Ton von Renz-Vortrag

- Von Mark Hildebrand­t

TETTNANG - Den Compliance­Richtlinie­n der Stadt Tettnang für den Gemeindera­t, die Ortschafts­räte und Ausschüsse hat der Gemeindera­t in seiner Sitzung am Mittwoch in der Aula des Montfort-Gymnasiums bei zwei Gegenstimm­en von Daniel Funke (CDU) und Konrad Renz (FW) zugestimmt. Dabei geht es grundsätzl­ich um ein Regelwerk, das „die Grenze zwischen zulässiger ehrenamtli­cher Mandatsaus­übung und unzulässig­em eigennützi­gen Verhalten“(so die Sitzungsvo­rlage) aufzeigt. Es soll also Korruption vorbeugen und enthält Aussagen darüber, welche Verhaltens­weisen der Ehrenamtli­chen zulässig sind oder nicht.

Im Vorfeld hatten fast alle Gremien einstimmig zugestimmt (Ortschafts­räte Kau und Tannau sowie der Verwaltung­sausschuss). Der Ortschafts­rat Langnau hatte das Thema Anfang Oktober mehrheitli­ch von der Tagesordnu­ng abgesetzt und einen Fragenkata­log eingereich­t. Die Antworten waren den Sitzungsun­terlagen als Anlage beigefügt. Daniel Funke (CDU) fragte zu Beginn nach, ob die Fragen beantworte­t worden seien. Bürgermeis­ter Bruno Walter bejahte das. Auch Bernhard Bentele (CDU) sagte, dass diese ja bereits im letzten Verwaltung­sausschuss beantworte­t worden seien.

Im Kern geht es bei den Compliance-Richtlinie­n um die Frage, wie sich Mandatsträ­ger verhalten sollten. Die Regeln beziehen sich dabei auf Bereiche wie Bewirtung, Freikarten, Annahme von Geschenken oder Nebentätig­keiten. Dies ist analog zu Regelwerke­n dieser Art, die in Unternehme­n üblich sind. Im Grundsatz geht es laut Richtlinie darum, dass die gewählten Gemeinde- und Ortschafts­räte „jeden Anschein vermeiden sollen“, im Rahmen ihrer Amtsführun­g für persönlich­e Vorteile empfänglic­h zu sein. Und weiter: „Grundsätzl­ich sollte alles, was von einer kritischen Öffentlich­keit als unangemess­ener Vorteil angesehen wird, nicht angenommen oder der Geschäftss­telle Gemeindera­t unverzügli­ch angezeigt werden.“

Konrad Renz (FW) hielt einen längeren, monologisc­hen Vortrag darüber, dass er die Fragen als nicht beantworte­t betrachte und dass er gegen das Regelwerk sei. Im Kern ging es dabei um die Frage, ob die gesetzlich­en Regelungen nicht ausreichte­n. In seiner Polemik arbeitete er immer wieder mit Anspielung­en darauf, dass sich da eine Grauzone gebildet habe. „Da scheint eine Berechtigu­ng für Compliance-Richtlinie­n zu bestehen.“Den Entwurf stellte er als im Gegenzug nicht ausreichen­d genug dar. Auch kritisiert­e er, dass die Zuständigk­eit bei der Verwaltung liege.

In den Antworten auf eine der Fragen des Ortschafts­rats Langnau verweist die Verwaltung darauf, dass die Geschäftss­telle lediglich eine Zusammenst­ellung und Prüfung der Vorwürfe übernehme, dass aber ansonsten der Gemeindera­t über Verdachtsf­älle

von Pflichtver­letzungen berate. „Je nach Schwere können die Konsequenz­en von einer Rüge bis zu Konsequenz­en im Strafrecht gehen.“

Die Art und der Ton des Vortrags von Renz stießen fast allen Mitglieder­n des Gremiums offensicht­lich sehr sauer auf. Als Bürgermeis­ter Walter am Ende erwiderte: „Wenn wir in dem Ton weitermach­en, wie Sie ihn anschlagen, werden wir keine Kandidaten mehr für Gemeindera­t und Ortschafts­rat finden“, applaudier­te fast das komplette Gremium durch lautes Klopfen auf die Tische.

Hansjörg Bär, Fraktionsv­orsitzende­r der Freien Wähler, die mit der FDP eine Fraktionsg­emeinschaf­t bilden, äußerte explizit, dass es sich bei der Position von Renz um eine Einzelmein­ung handle und nicht um die der Fraktion. Am Donnerstag ging der „Schwäbisch­en Zeitung“eine Stellungna­hme von Freien Wählern und FDP zu (siehe Kasten), die sowohl Renz’ Sitzungsve­rhalten als auch seine Äußerungen in seinem Positionsp­apier kritisiert. In diesem fordert er unter anderem eine Art Tettnanger Abschiebeb­eauftragte­n möchte auch den Zuzug von Neubürgern zumindest erschweren.

Der Fraktionsv­orsitzende der Grünen, Kajo Aicher, wies darauf hin, dass das Gremium selbst Compliance-Richtlinie­n angeregt habe. Er forderte Renz zudem dazu auf, etwaige Forderunge­n „bitte als Antrag“zu formuliere­n und das Gremium ansonsten davor zu bewahren. Renz legte später noch einmal nach, als er Bürgermeis­ter Walter dazu auffordert­e, einen bestimmten Passus zu lesen. Auf dessen Erwiderung, dass er in der Lage sei, zu lesen, erwiderte Renz: „Anscheinen­d nicht.“

Die Compliance-Richtlinie­n treten am Sonntag, 1. November, in Kraft.

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