Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Rat stimmt Regeln gegen Korruption zu
Richtlinien richten sich gegen Eigennutz – Kritik an Art und Ton von Renz-Vortrag
TETTNANG - Den ComplianceRichtlinien der Stadt Tettnang für den Gemeinderat, die Ortschaftsräte und Ausschüsse hat der Gemeinderat in seiner Sitzung am Mittwoch in der Aula des Montfort-Gymnasiums bei zwei Gegenstimmen von Daniel Funke (CDU) und Konrad Renz (FW) zugestimmt. Dabei geht es grundsätzlich um ein Regelwerk, das „die Grenze zwischen zulässiger ehrenamtlicher Mandatsausübung und unzulässigem eigennützigen Verhalten“(so die Sitzungsvorlage) aufzeigt. Es soll also Korruption vorbeugen und enthält Aussagen darüber, welche Verhaltensweisen der Ehrenamtlichen zulässig sind oder nicht.
Im Vorfeld hatten fast alle Gremien einstimmig zugestimmt (Ortschaftsräte Kau und Tannau sowie der Verwaltungsausschuss). Der Ortschaftsrat Langnau hatte das Thema Anfang Oktober mehrheitlich von der Tagesordnung abgesetzt und einen Fragenkatalog eingereicht. Die Antworten waren den Sitzungsunterlagen als Anlage beigefügt. Daniel Funke (CDU) fragte zu Beginn nach, ob die Fragen beantwortet worden seien. Bürgermeister Bruno Walter bejahte das. Auch Bernhard Bentele (CDU) sagte, dass diese ja bereits im letzten Verwaltungsausschuss beantwortet worden seien.
Im Kern geht es bei den Compliance-Richtlinien um die Frage, wie sich Mandatsträger verhalten sollten. Die Regeln beziehen sich dabei auf Bereiche wie Bewirtung, Freikarten, Annahme von Geschenken oder Nebentätigkeiten. Dies ist analog zu Regelwerken dieser Art, die in Unternehmen üblich sind. Im Grundsatz geht es laut Richtlinie darum, dass die gewählten Gemeinde- und Ortschaftsräte „jeden Anschein vermeiden sollen“, im Rahmen ihrer Amtsführung für persönliche Vorteile empfänglich zu sein. Und weiter: „Grundsätzlich sollte alles, was von einer kritischen Öffentlichkeit als unangemessener Vorteil angesehen wird, nicht angenommen oder der Geschäftsstelle Gemeinderat unverzüglich angezeigt werden.“
Konrad Renz (FW) hielt einen längeren, monologischen Vortrag darüber, dass er die Fragen als nicht beantwortet betrachte und dass er gegen das Regelwerk sei. Im Kern ging es dabei um die Frage, ob die gesetzlichen Regelungen nicht ausreichten. In seiner Polemik arbeitete er immer wieder mit Anspielungen darauf, dass sich da eine Grauzone gebildet habe. „Da scheint eine Berechtigung für Compliance-Richtlinien zu bestehen.“Den Entwurf stellte er als im Gegenzug nicht ausreichend genug dar. Auch kritisierte er, dass die Zuständigkeit bei der Verwaltung liege.
In den Antworten auf eine der Fragen des Ortschaftsrats Langnau verweist die Verwaltung darauf, dass die Geschäftsstelle lediglich eine Zusammenstellung und Prüfung der Vorwürfe übernehme, dass aber ansonsten der Gemeinderat über Verdachtsfälle
von Pflichtverletzungen berate. „Je nach Schwere können die Konsequenzen von einer Rüge bis zu Konsequenzen im Strafrecht gehen.“
Die Art und der Ton des Vortrags von Renz stießen fast allen Mitgliedern des Gremiums offensichtlich sehr sauer auf. Als Bürgermeister Walter am Ende erwiderte: „Wenn wir in dem Ton weitermachen, wie Sie ihn anschlagen, werden wir keine Kandidaten mehr für Gemeinderat und Ortschaftsrat finden“, applaudierte fast das komplette Gremium durch lautes Klopfen auf die Tische.
Hansjörg Bär, Fraktionsvorsitzender der Freien Wähler, die mit der FDP eine Fraktionsgemeinschaft bilden, äußerte explizit, dass es sich bei der Position von Renz um eine Einzelmeinung handle und nicht um die der Fraktion. Am Donnerstag ging der „Schwäbischen Zeitung“eine Stellungnahme von Freien Wählern und FDP zu (siehe Kasten), die sowohl Renz’ Sitzungsverhalten als auch seine Äußerungen in seinem Positionspapier kritisiert. In diesem fordert er unter anderem eine Art Tettnanger Abschiebebeauftragten möchte auch den Zuzug von Neubürgern zumindest erschweren.
Der Fraktionsvorsitzende der Grünen, Kajo Aicher, wies darauf hin, dass das Gremium selbst Compliance-Richtlinien angeregt habe. Er forderte Renz zudem dazu auf, etwaige Forderungen „bitte als Antrag“zu formulieren und das Gremium ansonsten davor zu bewahren. Renz legte später noch einmal nach, als er Bürgermeister Walter dazu aufforderte, einen bestimmten Passus zu lesen. Auf dessen Erwiderung, dass er in der Lage sei, zu lesen, erwiderte Renz: „Anscheinend nicht.“
Die Compliance-Richtlinien treten am Sonntag, 1. November, in Kraft.