Schwäbische Zeitung (Tettnang)
„Mit Berit haben wir sehr viel Glück gehabt“
Ex-Nationalspielerin Kauffeldt unterstützt die Nachwuchsvolleyballer am Bundesstützpunkt als Sportpsychologin
FRIEDRICHSHAFEN (sz) - Ein Volleyballer kann technisch noch so gut sein. Wenn er im entscheidenden Moment den Mut verliert, dann geht der Angriff daneben. Mentale Stärke im Sport ist ein großes Thema, das immer mehr Vereine in ihrer täglichen Arbeit berücksichtigen. Auch der Bundesstützpunkt in Friedrichshafen arbeitet deshalb mit einer Sportpsychologin zusammen.
Gerade auch ambitionierte Nachwuchsvolleyballer zwischen 15 und 18 Jahren können diese Hilfe nämlich gut gebrauchen. „Jeder Spieler hat Gedanken und Gefühle, die ihm im Weg stehen bei dem, was er machen will“, sagt Berit Kauffeldt, die Sportpsychologin am Bundesstützpunkt in Friedrichshafen. Dabei nennt sie Nervosität, Ängste, Ärger, Frust, aber auch erhöhtes Selbstbewusstsein als Beispiele.
Sie weiß, wovon sie spricht. Kauffeldt hat unter anderem schon zwei Jahre in der Jugendabteilung von Bayer 04 Leverkusen gearbeitet und hat es dort hautnah erlebt. „Im Fußball gibt’s Leute, die Angst vor Zweikämpfen haben, weil sie sich nicht verletzen wollen“, beschreibt sie. Als ehemalige Profivolleyballerin und Ex-Nationalspielerin kann Kauffeldt aber auch bestens nachempfinden, was Spieler im Volleyball beschäftigt. „Wie gehe ich mit dem nächsten Ball um, wenn ich ein, zwei Fehler gemacht habe“, nennt Kauffeldt und berichtet auch von Unsicherheit. „Manch ein Annahmespieler bekommt es mit der Angst zu tun, wenn der Ball mit über 100 Stundenkilometer auf ihn zukommt.“
Generell gibt es Dinge, die in jeder Sportart gleich und auch vom Typ abhängig sind. So gibt es überall Spieler, die beispielsweise schlecht mit Kritik vom Trainer umgehen können. „Bei jeder Sportart, die man intensiver betreibt, merkt man, dass viel mit dem Kopf zusammenhängt“, sagt Kauffeldt. Sie selbst kennt viele Situationen, hat für mehrere internationalen Teams in Italien, Polen,
Russland und Frankreich gespielt und weiß wie es ist, wenn der Trainer nicht auf einen setzt. In der Saison 2014/2015 im polnischen Wroclaw saß die Mittelblockerin auf der Bank. „Ein schreckliches Jahr“, meint sie. Ein Jahr, das sie aber auch besonders geprägt hat. „Da habe ich mich zum ersten Mal selbst hinterfragt und mich gefragt, wer bin ich, wenn ich nicht Volleyball spiele.“Es ermöglicht ihr, bei ihren Tipps aus ihrer eigenen Erfahrung zu schöpfen.
Adrian Pfleghar, Trainer am Bundesstützpunkt, ist froh, dass sie da ist. „Mit Berit haben wir sehr viel Glück gehabt, weil sie durch ihre Vita sehr viel mitbringt und weiß, was dazugehört, den Schritt nach ganz oben zu schaffen“, sagt Pfleghar. Für ihn ist die sportpsychologische Begleitung ein wichtiger Baustein, um „den Jungs zu helfen, besser zu werden in allem was sie tun.“Das mentale Training
gehört für Pfleghar ebenso dazu, wie Technik- und Athletiktraining, eine gute Ernährung und ein adäquater Lebenswandel.
Alles was Kauffeldt den Nachwuchsvolleyballern mitgeben kann, beruht nicht nur auf ihren praktischen Erfahrungen. Die Ex-Nationalspielerin, die 2018 ihre Volleyballkarriere beendete, hat sich nach dem Abitur auch theoretisches Wissen angeeignet. Dem Bachelor in Sportpsychologie an der Fernuniversität Hagen folgte ein Masterstudium in Göttingen. Im Sommer hat sich die 30-Jährige in ihrer Heimat Schwerin selbstständig gemacht. Momentan arbeitet die 30-Jährige an ihrer Doktorarbeit und überprüft das „IGPM Team-Diagnose-Tool“.
Für sie selbst ist es ein Glücksfall, Sportler auf ihrem Weg begleiten zu können. Auch sie hätte sich damals gewünscht, entsprechende Unterstützung
zu bekommen – gerade in dem unbefriedigenden Jahr in Wroclaw. Die Sportler können sich dabei darauf verlassen, dass alles Gesprochene bei ihr vertrauensvoll behandelt wird. Sie hält die Beispiele allgemein, nennt keinen Namen, denn die Gespräche unterliegen der Schweigepflicht und Inhalte verlassen nicht den Raum.
Die Kosten für die psychologische Betreuung trägt der Olympiastützpunkt Stuttgart, die Reisekosten übernimmt der Bundesstützpunkt. In dieser Saison sind zwei weitere Besuche geplant. Darüber hinaus bleiben die Nachwuchsvolleyballer per Videochat oder telefonisch in Kontakt. Einer von ihnen ist der 17jährige Silvio Hellrigl, der seit diesem Jahr bei den Volley Youngstars Friedrichshafen spielt. Er findet es „megacool, dass wir diese Möglichkeit haben“.