Schwäbische Zeitung (Tettnang)
So geht die Debatte um den Plan weiter
FRIEDRICHSHAFEN - Die Idee, südlich von Hirschlatt 30 Hektar zum Gewerbegebiet zu machen, beschäftigt weiter die Kommunalpolitiker in der Region. Obwohl sich der Friedrichshafener Gemeinderat gegen diese sogenannte Optionsfläche ausgesprochen hat, hat sie die Versammlung der Regionalverbandes in die neue, noch nicht endgültige Fassung des Regionalplans geschrieben. Und jetzt? Die „Schwäbische Zeitung“hat bei den Ratsfraktionen und im Rathaus nachgefragt.
Eigentlich ist Friedrichshafen ja nicht gerade als wirtschaftsfeindliches Pflaster verschrien. Insofern hat es doch überrascht, dass sich der Häfler Gemeinderat im Februar mit 21 zu 16 Stimmen gegen die Gewerbeoptionsfläche bei Hirschlatt ausgesprochen hat.
Zur Gruppe der Nein-Sager gehörten die Grünen, das Netzwerk für Friedrichshafen, die Freien Wähler, vier von neun Christdemokraten, der Linke Sander Frank und Marion Morcher (ÖDP). Hauptmotiv: der Schutz von Umwelt und Landschaft. Die Versammlung des Regionalverbandes, zu dem die Landkreise Ravensburg, Sigmaringen und Bodensee gehören, setzte dagegen mehrheitlich auf die Verpflichtung, die Friedrichshafen als wirtschaftliches Zentrum habe, und beließ Hirschlatt als mögliches Gewerbegebiet im Regionalplan.
Und nun? Nun geht die Debatte noch einmal los (siehe Kasten). Der Rat wird erneut über Hirschlatt diskutieren und abstimmen. Dass sich dabei die Mehrheitsverhältnisse ändern werden, glauben die allermeisten Fraktionen nach eigenem Bekunden zwar nicht, trotzdem werden die Argumente nachgeschärft. So halten Grüne, Netzwerk und auch die Freien Wähler das Abstimmungsverhalten der Regionalversammlung für einen Affront. Die Mehrheit dort habe eine demokratische Entscheidung im Häfler Rat ignoriert, schreiben die Grünen. Das Netzwerk spricht von einem „nahezu dogmatischen und beratungsresistenten Festhalten“an der bisherigen Planung. Und die Freien Wähler weisen darauf hin, dass andere mögliche Optionsflächen im Bodenseekreis aus der Neufassung des Plans getilgt worden seien.
CDU, SPD und FDP sind der Ansicht, dass die Verbandsversammlung die Interessen der gesamten Region im Blick haben müsse. Die Verwaltung zeigt sich vom Votum des Regionalverbandes nicht überrascht, betont aber die kommunale Planungshoheit. Wann das Thema erneut im Gemeinderat behandelt wird, hänge davon ab, wann der Verband die entsprechenden Unterlagen verschickt, heißt es aus der Pressestelle des Rathauses.
Bei der dann anstehenden Debatte wird es nicht nur um die Flächen bei Hirschlatt gehen, sondern auch
Gaby Lamparsky (FDP)
Der Regionalplan regelt, wie sich eine Region in groben Zügen entwickeln soll. Er ist so etwas wie das raumordnerische Kursbuch für die weitere Entwicklung und soll etwa 15 Jahre vorausblicken. Die Planungshoheit allerdings bleibt bei den Kommunen.
Die jetzt diskutierte des Regionalplans für die Region Bodensee-Oberschwaben, zu der die Landkreise Ravensburg, Sigmaringen und Bodensee gehören, ist bereits einmal öffentlich ausgelegt worden. Danach gingen rund 5000 Eingaben unter anderem von Kommunen, Vereinen, Verbänden und Privatleuten ein. Die wurden geprüft und zum Teil eingearbeitet. Der daraus entstandenen neuen Version des Plans hat die Verbandsversammlung vergangene Woche zugestimmt. Er wird jetzt wieder ausgelegt, weitere Eingaben sind möglich. Im Zuge dessen wird sich auch der Friedrichshafener Gemeinderat erneut damit befassen. Nach Prüfung und Einarbeitung möglicher weiterer Eingaben soll der Plan dann Mitte 2021 endgültig verabschiedet werden – von der Verbandsversammlung.
Bleibt Hirschlatt dann als Optionsfläche für Gewerbe im Plan, heißt das nicht unbedingt, dass dort tatsächlich Firmen und Fabriken gebaut werden. Diese Entscheidung würde dann der Häfler Gemeinderat zu einem späteren Zeitpunkt fällen. Ohne grünes Licht des Rates also kein Gewerbegebiet.
Und auch wenn sich der Regionalverband gegen eine Optionsfläche in Hirschlatt ausspricht, könnte dort trotzdem ein Gewerbegebiet entstehen. Dazu wäre allerdings ein sehr aufwändiges Verfahren nötig, das selten angewendet wird. Passiert ist das unter anderem beim Bau des MTU-Materialwirtschaftszentrums (MWZ) bei Kluftern. (mh) um die Frage, ob und wie sich Industrie, Mittelstand und Handwerk in Friedrichshafen weiter entwickeln. Achim Brotzer von der CDU betont zum einen, dass „Kapazitäten endlich sind“, hält aber andererseits „Flexibilität und Gestaltungsspielraum für die Zukunft“für sinnvoll. Er plädiert dafür, sich „viele Gestaltungsmöglichkeiten offenzuhalten“.
Die Grünen setzen auf „Nachverdichtung
(auch in der Höhe)“, die „Optimierung des ruhenden Verkehrs“und eine „Arrondierung der bestehenden Gewerbeflächen“. Um den Klimaschutzplan der Bundesregierung einzuhalten, müsse man den Flächenverbrauch auf Null reduzieren. „Das bedeutet: Gewerbeerweiterung ja, aber nur auf vorhandenen Flächen.“
Die Fraktion SPD/Die Linke hat laut Wolfgang Sigg „die berechtigten Interessen vor allem kleinerer und mittlerer Unternehmen“im Blick. Erweiterungen müssten auch künftig möglich sein, ebenso die Neuansiedlung „innovativer Start-ups, Handwerksbetriebe oder Zulieferer für unsere Großbetriebe“. Man dürfe „unsere Betriebe und die damit verbundenen Arbeitsplätze nicht aus der Stadt hinausdrängen“.
Auch die Freien Wähler betonen, dass sie „nicht gegen moderates Wachstum der bereits angesiedelten Betriebe“seien. Was die Fraktion störe, ist „diese Größenordnung an dieser Stelle“. Wichtig sei, schreibt Dagmar Hoehne, „Baulücken und Baulandreserven sowie Brachflächen verteilt im Stadtgebiet aufzuspüren und hier analog der Wohnbebauung zu verdichten“.
Auch das Netzwerk will die Wirtschaft weiter wachsen sehen. „Aber wir bezweifeln, dass a) die bisher zugrunde gelegten Wachstumsraten in der Realität so kommen werden und wir stellen b) die Frage, wie die Wirtschaft weiter wachsen soll“, schreibt Jürgen Holeka. „Nur durch Verknappung beziehungsweise durch ein ;Null-Hektar-Signal’“lasse sich ein nötiges Umdenken erreichen.
Auf Wachstum setzt die FDP. „Stillstand ist keine gute Option“, schreibt Gaby Lamparsky. Das Oberzentrum Friedrichshafen brauche auch bei Gewerbeflächen in den nächsten 20 Jahren etwas Luft zum Atmen.
Der Suchlauf zum MWZ Kluftern habe nur wenige Optionen ergeben. „So bleibt momentan nur die Optionsfläche Hirschlatt.“Für die nicht nur in dieser Frage gespaltene Fraktion ÖDP/parteilos sagt Joachim Krüger, dass er persönlich auf eine Gewerbeoptionsfläche bei Hirschlatt setzt, weil es um „den Erhalt der Wirtschaft und damit der Arbeitsplätze“gehe.
„Stillstand ist keine gute Option.“
„Gewerbeerweiterung ja, aber nur auf vorhandenen Flächen.“Die Grünen setzen auf Nachverdichtung