Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Andrea Rechtsteiner kleidet Grenzschützer ein
Wasserburgerin entwirft die ersten Uniformen des neuen European Border And Coast Guard Standing Corps
WASSERBURG (roi) - Als die Bundespolizei bei ihr anrief, bekam Andrea Rechtsteiner erst einmal einen großen Schreck. Der Unternehmerin gingen alle möglichen Szenarien durch den Kopf. Sie konnte ja nicht ahnen, dass dies einen Auftrag der europäischen Grenzschutzorganisation Frontex für sie bedeutete.
Ein gutes Jahr ist seit diesem Anruf vergangen. Ein Jahr, in dem Andrea Rechtsteiner oft in Warschau war. So wie vergangene Woche, als sie Frontex-Direktor Fabrice Leggeri traf. Jetzt ist ihre Arbeit fast beendet. Mitte Dezember wird das neue Standing Corps der europäischen Grenzpolizei Frontex offiziell vorgestellt – in einer Uniform, die die Wasserburgerin Andrea Rechtsteiner entworfen hat.
Bekleidung ist ihr Metier. Die 53Jährige hat ihren Beruf von der Pike auf gelernt. Nach dem Abitur am Lindauer Mädchengymnasium machte Rechtsteiner eine Ausbildung als Bekleidungsschneiderin und studierte dann Textil- und Bekleidungstechnik. Danach war sie in verschiedenen Unternehmen tätig, bevor sie sich 2015 selbstständig machte. Ihr Betrieb mit Sitz in Köln und Wasserburg bietet Beratung und Dienstleistungen vor allem für die Bereiche Arbeitsbekleidung, Schutzkleidung und Objektwäsche an. Zu ihren Kunden gehören der Textilservice, aber auch Verbände und Behörden, zu ihren Aufgaben das Design und Erstellen von Kollektionen ebenso wie die Produktentwicklung und Qualitätssicherung
bis hin zu Schulungen.
Nachdem feststand, dass die Europäische Grenz- und Küstenwache ein eigenes Standing Corps bekommt, sollten diese Frauen und Männer auch einheitlich gekleidet sein. Der Bundespolizist, der sich darum kümmern sollte, hatte den Kontakt von Andrea Rechtsteiner von der Hochschule Niederrhein bekommen, mit der sie bereits zusammengearbeitet hatte. Und so kam der Wasserburgerin die Aufgabe zu, die ersten Uniformen des neu zu gründenden European Border And Coast Guard (EBCG) Standing Corps zu designen und Frontex bei den europäischen Ausschreibungen und Angebotsvalidierungen zu unterstützen.
„Die wussten ganz genau, was sie wollten“, sagt Rechtsteiner. Nicht martialisch, sondern freundlich und zivil, aber doch bestimmt sollten die Grenzschützer auftreten. Die Kleidung sollte funktional und robust sein sowie den verschiedenen europäischen Ländern gefallen. Keine leichte Aufgabe, da es bei deren Interessen und Wünschen oft große Unterschiede gegeben habe. Außerdem musste von der Kopfbedeckung bis zur Badehose an alles gedacht werden: Am Ende waren 46 Artikel in der Ausschreibung.
Bei der Uniform hatte die Wasserburgerin gleich ein gutes Gespür. „Mein erster Entwurf wurde schon abgesegnet“, sagt sie lachend. „Das ist mir noch nie passiert.“Schließlich sei sie Ingenieurin und keine Designerin. Ihre Zeichnungen haben dennoch überzeugt: Die Grenzschützer werden künftig dunkelblaue Uniformen mit azurblauen Schulterpartien tragen. Die Farbkomposition Dunkelblau mit Azurblau finde sich in allen Kleidungsstücken des neuen Corps.
Der erste Auftrag für die Trainingsuniform der ersten, neu rekrutierten Kandidaten ist an Lieferanten vergeben, und die zweite Ausschreibung für die „richtige“Uniform des Standing Corps ist bereits veröffentlicht. Abgabeschluss ist Anfang November, dann werden die Angebote geprüft. Mitte Dezember soll die Entscheidung fallen. Dann ist die Arbeit für Andrea Rechtsteiner erledigt.
Frontex sorgt derzeit auch für negative Schlagzeilen. Nachdem die Europäische Grenzschutzagentur in der Ägäis in illegalen Zurückweisungen von Migranten durch die griechische Küstenwache verwickelt sein soll, fordert nun auch die EUKommission
Aufklärung. „Leider hört man immer nur das Schlechte“, bedauert Rechtsteiner. Im Gespräch mit den Menschen vor Ort habe sie nicht nur von „vielen guten Sachen“gehört, sondern auch ein „größeres Verständnis für die Menschen, die diese Tätigkeit ausüben“bekommen.
Für sie sei es daher keine Gewissensfrage gewesen, diesen Auftrag anzunehmen. Sie habe die professionelle Zusammenarbeit geschätzt. „Das habe ich auch Fabrice Leggeri persönlich gesagt.“
Am 15. Dezember soll das erste Standing Corps in einer Parade in
Warschau vorgestellt werden – natürlich mit der neuen Uniform. „Ich bin im Moment dabei, zu diesem Termin die Outfitwünsche von Fabrice Leggeri und dem ganzen Executive Board umzusetzen“, sagt Andrea Rechtsteiner zu den letzten Vorbereitungen.