Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Müllentsor­gung soll billiger werden

Südwesten bekommt ein neues Abfallgese­tz – Was auf Bürger und Bauherren zukommt

- Von Kara Ballarin

STUTTGART - Weniger Müll produziere­n, mehr Abfälle recyceln und noch dazu Millionen Euro sparen: All das will Umweltmini­ster Franz Unterstell­er (Grüne) mit einem neuen Abfallrech­t für Baden-Württember­g erreichen. Am Mittwoch hat sich der Stuttgarte­r Landtag erstmals mit dem entspreche­nden Gesetzentw­urf beschäftig­t. Was genau auf die Bürger zukommt.

Worum geht es?

Wegen Änderungen auf EU- und Bundeseben­e muss auch das Land das Abfallrech­t ändern. Es wäre komplizier­t und unübersich­tlich gewesen, alle Neuerungen ins Landesabfa­llgesetz einzupfleg­en, so Unterstell­er. Deshalb hat er ein neues geschaffen, das das alte ablösen soll: das Landes-Kreislaufw­irtschafts­gesetz. Und er nutzt die Gelegenhei­t, um auch neue Regelungen zu treffen.

Was ändert sich beim Bauen? Hier gibt es massive Neuerungen. Um Ressourcen zu schonen, sollen staatliche Stellen wie das Land, Städte und Gemeinden beim Bauen mehr Recyclingb­austoffe verwenden. Schließlic­h hätten staatliche Stellen eine Vorbildfun­ktion, betont ein Sprecher Unterstell­ers. Der Südwesten sei nach Berlin mit dieser Regelung Vorreiter. Das Gesetz bleibt aber recht unspezifis­ch. Im Text ist lediglich von „nicht unerheblic­hen Baumaßnahm­en der öffentlich­en Hand“die Rede, für die sie „vorrangig“recyceltes Material nutzen sollen. Eine Quote gibt es dafür aber nicht, lediglich die Ansage, dass sie die Gründe dokumentie­ren müssen, wenn sie etwa keinen Recyclingb­eton verwenden. Konkretes könnten die zuständige­n Ministerie­n aber im Anschluss durch Verordnung­en festlegen. So soll auch der Markt für Recyclingb­eton angekurbel­t werden, sagte Unterstell­er im Landtag und betonte: „Es gibt keinen Qualitätsu­nterschied zwischen Beton, der aus Primärstof­fen hergestell­t wurde, und solchem aus Recyclingm­aterial.“

Was kommt auf Häuslebaue­r zu? Sie könnten bald höher wohnen. Denn wenn eine Kommune ein neues Baugebiet ausweist, oder eine Großbauste­lle geplant ist, bei der mehr als 500 Kubikmeter Boden ausgehoben wird, soll es künftig einen sogenannte­n Erdmassena­usgleich geben. Konkret heißt das: Die Erde, die ausgebudde­lt wird, soll an Ort und Stelle bleiben und etwa Fundament der Straßen werden. Das soll die Deponien im Land entlasten. Fallen an einer Baustelle mehr als 500 Kubikmeter Erde an, muss der Bautens träger zudem ein Abfallverw­ertungskon­zept vorlegen. Gleiches gilt für den Abbruch von Gebäuden. Der Verein Haus und Grund, der Interessen der Eigentümer vertritt, kritisiert dies scharf und plädiert dafür, den Schwellenw­ert auf 5000 Kubikmeter zu verzehnfac­hen. Denn: „Sollte es bei dieser geringen Aushubmeng­e verbleiben, müsste praktisch bei jedem Bauvorhabe­n, das über ein Ein- bis Zweifamili­enhaus hinausgeht, ein Abfallverw­ertungskon­zept erstellt werden“, kritisiert der Verband in einer Stellungna­hme im Beteiligun­gsportal des Landes. Das verteuere das Bauen um mindes

2500 Euro. Unterstell­er sprach indes von Zusatzkost­en „im einstellig­en Promillebe­reich“.

Ändern sich die Müllgebühr­en? Die konkrete Höhe der Gebühren regeln die Kommunen und die Entsorgung­sunternehm­en. Mit dem Gesetz kommt aber eine Neuerung, die nicht jedem schmecken dürfte: Die Entsorger müssen nicht, aber können sogenannte Einheitsge­bühren für Restmüll und Biomüll erheben. Dafür wird das Kommunalab­gabengeset­z entspreche­nd geändert. Das heißt, dass Bürger nicht für die Entsorgung ihres Restmülls und gesondert ihres Biomülls bezahlen, sondern für beides gemeinsam. „Wir wollen damit einen Anreiz schaffen, den hochwertig­en Wertstoff Biomüll zu sammeln“, sagt Unterstell­ers Sprecher. „So sollen die Bürger stärker die Biotonne nutzen.“Seit Jahren klagt Unterstell­er über BiomüllMuf­fel im Land. In manchen Kreisen wird die Biotonne erst eingeführt, obwohl sie eigentlich schon seit Jahren Pflicht ist. Durch eine Einheitsge­bühr könnten zudem die Kosten sinken, so der Sprecher. Genau das Gegenteil befürchtet die AfD. Ihr Abgeordnet­er Bernd Grimmer äußerte im Landtag die Sorge, dass gerade Bürger, die viel kompostier­ten, künftig mehr zahlen müssten.

Was ist noch bemerkensw­ert? Für ein wenig Aufregung hat eine Passage im Gesetz gesorgt, die manche auf das sogenannte Containern bezogen haben. Dabei durchsuche­n Menschen die Müllcontai­ner etwa von Supermärkt­en auf entsorgte Lebensmitt­el und nehmen diese mit. Das ist bislang verboten – und bleibt es auch, wie der Sprecher Unterstell­ers erklärt. Die Gesetzespa­ssage beziehe sich nicht auf gewerblich­e Abfälle, sondern auf private. „Das ist der Sperrmüllp­aragraf“, so der Sprecher. Konkret heißt es zu bereitgest­ellten Abfällen: „Zulässig ist lediglich die Wegnahme einzelner Gegenständ­e durch Privatpers­onen zum Eigengebra­uch.“Verwirrung hat zudem eine Passage zur Entsorgung von Grünschnit­t gestiftet. Im Online-Beteiligun­gsportal des Landes heißt es, dass das Verbrennen von Pflanzen „wieder bußgeldbew­ehrt gemacht“werde. Wer Pflanzen verbrennt statt sie zur Entsorgung­sstelle zu bringen, begehe heute schon eine Ordnungswi­drigkeit, betont indes Unterstell­ers Sprecher auf Rückfrage. Eine Erklärung für diesen Textteil hat er nicht.

Müssen Bürger künftig mehr für ihren Müll zahlen?

Nein, sagt Unterstell­er – im Gegenteil. Laut Berechnung­en aus dem Umweltmini­sterium sparen die Bürger jedes Jahr 1,23 Millionen Euro, die Wirtschaft 9,7 und die Verwaltung knapp 13 Millionen Euro.

Was sagt die Opposition? Unterstell­er erntete in Summe viel Lob für seine Regelungen – und zwar aus allen Fraktionen. Die großen Schlachten um den Umgang mit Müll seien geschlagen, sagte etwa Nicolas Fink (SPD). Die FDP wünscht sich mehr Marktwirts­chaft.

Ab wann gilt das neue Gesetz?

Es soll noch dieses Jahr den Landtag passieren und in Kraft treten.

 ?? FOTO: JULIAN STRATENSCH­ULTE/DPA ?? 1,23 Millionen Euro sollen die Bürger in Baden-Württember­g jedes Jahr durch das neue Müllgesetz sparen.
FOTO: JULIAN STRATENSCH­ULTE/DPA 1,23 Millionen Euro sollen die Bürger in Baden-Württember­g jedes Jahr durch das neue Müllgesetz sparen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany