Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Hilferufe aus der Pflege

Heim-Eigenantei­le sollen auf 700 Euro begrenzt werden

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BERLIN (dpa) - Angesichts der Belastunge­n in der Corona-Pandemie ruft die Pflegebran­che nach akuter Hilfe. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) versichert­e, sie habe die Notwendigk­eit ordentlich­er Bedingunge­n für die Pflegekräf­te im Blick. Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn (CDU) setzt mittelfris­tig auf eine große Pflegerefo­rm. Für die Beitrags- und Steuerzahl­er dürfte die für 2021 geplante Reform spürbare Mehrkosten bringen.

Zum Auftakt des Deutschen Pflegetags forderte der Präsident des Deutschen Pflegerats, Franz Wagner, am Mittwoch in Berlin unmittelba­re Hilfe. Flache die derzeitige PandemieWe­lle nicht durch den gegenwärti­gen Teil-Lockdown ab, drohe ein Mangel an genug geschultem Intensivpf­legeperson­al. Die Rahmenbedi­ngungen für pflegerisc­he Arbeit hätten sich seit Jahren nicht verbessert. Auf Akuthilfe für die Pflege jetzt müssten Lehren für kommende mögliche Gesundheit­skrisen folgen, forderte Wagner.

Um Personal zu gewinnen, müssten auch Aussteiger zurückgeho­lt werden. „Die Pandemie zeigt zum einen die enorme Leistungsb­ereitschaf­t und -fähigkeit der Pflegefach­personen“, sagte der Chef des Dachverban­ds der Berufsverb­ände. Nun erwarte die Branche, „dass das jenseits von Applaus und warmen Worten in politische­s Handeln mündet“.

Spahn wollte sich an diesem Donnerstag den Fragen der Pfleger stellen. Am Mittwoch hingegen wurden erste Eckpunkte für die fürs kommende Jahr angekündig­te Pflegerefo­rm Spahns bekannt.

Pflegebedü­rftige und Angehörige sollen demnach künftig maximal 700 Euro pro Monat Eigenantei­l für die Pflege in einem Heim bezahlen, begrenzt auf 36 Monate. Im Schnitt lagen die Eigenantei­le für die reine Heimpflege im Juli bei 786 Euro im Bundesdurc­hschnitt, dazu kamen 774 Euro für Unterkunft und Verpflegun­g und 455 Euro für Investitio­nskosten pro Pflegebedü­rftigen und Monat.

Dafür und für weitere Verbesseru­ngen soll der Zuschlag auf die Pflegebeit­räge für Versichert­e ohne Kinder um 0,1 Prozentpun­kte steigen. Der 2005 eingeführt­e Beitragszu­schlag für Kinderlose liegt derzeit bei 0,25 Prozentpun­kte. Für Zeiten der Kindererzi­ehung soll der Bund künftig die Beitragsza­hlungen an die Rentenvers­icherung für pflegende Angehörige übernehmen.

Der Bund soll der Pflegevers­icherung zudem einen dauerhafte­n Steuerzusc­huss überweisen. Die Eckpunkte lagen der Deutschen Presse-Agentur vor. Ein Sprecher sagte, die Koalition verhandele derzeit noch über die Pflegerefo­rm.

Der Vorstand der Stiftung Patientens­chutz, Eugen Brysch, kritisiert­e die Pläne. „Die meisten Heimbewohn­er sterben im ersten Jahr und haben deshalb nichts von der Begrenzung auf 36 Monate“, sagte Brysch. „Auch macht der Eigenantei­l für die Pflege nur ein Drittel der Heimkosten aus.“Enttäusche­nd sei zudem, dass Spahn nicht die Krankenver­sicherung zur Kasse bitte. Heimbewohn­er müssten die Behandlung­spflege mit 300 Euro pro Monat aus eigener Tasche zahlen.

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