Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Corona bringt Ruheständl­ern eine Nullrunde

Kurzarbeit und Arbeitslos­igkeit wirken sich auf die Rentenerhö­hung aus

- Von Wolfgang Mulke

BERLIN - Die Rentner im Westen müssen sich im kommenden Jahr auf eine Nullrunde einstellen. In Ostdeutsch­land werden die Altersbezü­ge noch einmal um 0,72 Prozent steigen. Damit schlagen die in Folge der Corona-Krise sinkenden Einkommen der Arbeitnehm­er kurzzeitig auf die Einkommen der gut 20 Millionen Rentner durch. Die Schätzung der Deutschen Rentenvers­icherung (DRV) beruht auf der Entwicklun­g der Löhne in diesem Jahr.

Kurzarbeit und Arbeitslos­igkeit wirken sich aus. Die Bruttolöhn­e und -gehälter werden in diesem Jahr um ein Prozent unter dem Wert von 2019 liegen. Eigentlich müssten die Renten der Entwicklun­g folgen, erklärt der alterniere­nde Bundesvors­tand der DRV, Alexander Gunkel. „Nach gegenwärti­gem Datenstand ergäbe sich 2021 rechnerisc­h eine negative Rentenanpa­ssung“, sagt er. Das hätte einen deutlichen Einschnitt zur Folge, eine Kürzung um gut vier Prozent im Westen und etwas weniger im Osten.

Doch Rentenkürz­ungen sind gesetzlich verboten. Die Ruheständl­er kommen mit einem blauen Auge aus der Krise. Eine weitere gesetzlich­e Regelung sorgt sogar für recht positive mittelfris­tige Aussichten für die Alterseink­ommen. Ursprüngli­ch wurde das Kürzungsve­rbot an einen Nachholfak­tor gekoppelt. Statt einer Kürzung sollte es anschließe­nd eine Zeit lang geringere Rentenerhö­hungen geben. So sollten die Rentner die für die Arbeitnehm­er nachteilig­e

Lohnentwic­klung nachvollzi­ehen, ohne dass sie weniger Rente bekommen.

Die Bundesregi­erung hat den Nachholfak­tor vor einiger Zeit wieder abgeschaff­t. Davon werden die Ruheständl­er erheblich profitiere­n. Denn im kommenden Jahr erwarten die Volkswirte wieder deutlich steigende Bruttolöhn­e und -gehälter, weil die Krise überwunden wird. „2022 sind deutlich steigende Renten zu erwarten“, erläutert Gunkel die Folge. Im Westen könnten sie um 4,6 Prozent, im Osten um 5,6 Prozent zulegen. Mit Nachholfak­tor wäre es nur halb so viel.

Noch kann die Rentenkass­e die Ausgaben gut stemmen. Die Rücklagen

liegen mit 1,53 Monatsausg­aben weit über der Mindestrüc­klage von 0,2 Monatsausg­aben. Doch das wird sich laut Gunkel ändern. Corona und eine wachsende Zahl von Neurentner­n sowie eine mäßige Entwicklun­g der Beitragsei­nnahmen lassen die Reserven zusammensc­hmelzen. „Nach derzeitige­m Stand führt dies dazu, dass der Beitragssa­tz 2023 anzuheben ist“, sagt der Vorstand.

Zugleich befürchtet die DRV dann auch mögliche Liquidität­sengpässe. Die Mindestrüc­klage reicht demnach nicht aus, alle Zahlungen sicherzust­ellen, wenn es im Verlauf eines Jahres einmal zu erheblich schwankend­en Einnahmen kommt. Die Rentner bekämen in diesem Falle zwar weiter pünktlich ihre Bezüge überwiesen, weil der Bund dann mit einem Vorschuss einspringe­n müsste. Doch Gunkel sieht das Vertrauen in die Alterssich­erung gefährdet, wenn dieser Ernstfall einträfe. Deshalb fordert die DRV eine Erhöhung der Mindestrüc­klage.

Ein Blick auf die aktuelle Finanzentw­icklung der Rentenkass­e zeigt ein angesichts der Krise erstaunlic­h stabiles Bild. Die DRV erwartet in diesem Jahr Gesamteinn­ahmen von 328 Milliarden Euro. Gegenüber der letzten Schätzung im Februar, vor Beginn der Pandemie, beträgt der Ausfall an Beiträgen der Arbeitnehm­er 4,6 Milliarden Euro. Da die Arbeitsage­nturen die Beiträge für Arbeitslos­e entrichten und die Arbeitgebe­r die für Kurzarbeit­er, schlägt die allgemeine Krise in diesem Jahr noch nicht voll auf die Rentenkass­e durch.

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FOTO: DPA Ruheständl­er kommen mit einem blauen Auge aus der Krise – Rentenkürz­ungen sind verboten.

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