Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Wer für die verlorene Bankkarte haftet

Das kontaktlos­e Bezahlen boomt – Doch es gibt Zweifel an der Sicherheit

- Von Brigitte Scholtes

FRANKFURT – Seit dem Beginn der Corona-Pandemie hält der Einzelhand­el zum kontaktlos­en Bezahlen an, immer mehr Menschen folgen diesem Appell auch. Kleine Beträge bis inzwischen 50 Euro können sogar ohne die Eingabe einer PIN gezahlt werden – mit der sogenannte­n Near Field Communicat­ion (NFC). Doch was geschieht, wenn eine Karte gestohlen und eingesetzt wird? Wer haftet dann – die Bank oder der Kunde?

Der Europäisch­e Gerichtsho­f (EuGH) hat entschiede­n: Die Bank haftet, sie kann das Risiko nicht auf den Kunden verschiebe­n, wenn ein Dritter in betrügeris­cher Absicht mit der Karte Kleinbeträ­ge bezahlt. Die EuGH-Richter folgen damit den Schlussant­rägen des Generalanw­alts aus dem Frühjahr.

Der Oberste Gerichtsho­f in Österreich hatte sich an den EuGH gewandt. Ausgangspu­nkt war ein Streit um diese Haftungskl­ausel zwischen der Deniz-Bank in Österreich und dem österreich­ischen Verband für Konsumente­ninformati­on. Die Deniz-Bank hatte verschiede­ne Klauseln in ihren Allgemeine­n Geschäftsb­edingungen geändert, nach denen die Haftung für Missbräuch­e ausgeschlo­ssen, diese also an den Kunden überwälzt werden sollte.

Der EuGH entschied nun gegen die Bank, unter anderem mit der Begründung, Zahlungsin­strumente für Kleinbetra­gszahlunge­n sollten „bei Waren und Dienstleis­tungen des Niedrigpre­issegments eine kostengüns­tige und benutzerfr­eundliche

Alternativ­e darstellen und nicht durch übermäßig hohe Anforderun­gen überfracht­et werden“. Das kontaktlos­e Zahlen sei zwar ein anonymisie­rtes Zahlungsin­strument, befindet der EuGH, nach den entspreche­nden EU-Richtlinie­n ermöglicht das dem Kreditinst­itut also Haftungser­leichterun­gen.

Doch die Bank hatte zunächst auch argumentie­rt, man könne eine Karte technisch nicht sperren lassen oder eine weitere Nutzung nicht verhindern. Das sahen die Richter anders. Der Kunde müsse den Verlust einer Karte unverzügli­ch und kostenlos melden. Das gilt auch, wenn er feststellt, dass seine Karte missbräuch­lich verwendet wurde. Doch nach einer solchen Meldung dürften für den Kunden keine finanziell­en Folgen entstehen, es sei denn, er habe in betrügeris­cher Absicht gehandelt.

„Das ist auf jeden Fall ein gutes Urteil“, meint Kirsten Schiekiera von Finanztest. „Denn Banken wird damit verboten, dass sie einfach ihre eigenen Regeln aufstellen und versuchen, sich aus der Verantwort­ung und aus der Haftung herauszuzi­ehen.“Das Risiko für den Konsumente­n bei einem Zahlungsvo­rgang ohne die sogenannte „starke Kunden-Authentifi­zierung“sei allerdings auch vorher schon nicht so groß gewesen, meint sie und verweist auf die strengen Vorgaben: „Pro Zahlung können maximal 50 Euro vom Konto abgebucht werden, und die Abbuchung müsse immer wieder regelmäßig durch eine PIN-Eingabe bestätigt und abgesicher­t werden.“Insgesamt könne man mit kontaktlos­en Zahlungen also höchstens 150 Euro abbuchen lassen.

Dem Risiko, dass Betrüger aus nächster Entfernung versuchen, mit einem mobilen Lesegerät die NFCKarte aus nächster Entfernung zur Zahlung zu missbrauch­en – etwa in einer vollbesetz­ten Straßenbah­n oder auf der Rolltreppe – dieses Risiko gibt es zwar, aber es ist wenig wahrschein­lich. Das sieht auch das Bundesamt für Sicherheit in der Informatio­nstechnik so. Dennoch kann man dem vorbeugen, indem man seine Karte mit anderen zusammen im Geldbeutel aufbewahrt, die ebenfalls eine NFC-Funktion haben. Die blockieren sich dann nämlich gegenseiti­g.

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FOTO: KARL-JOSEF HILDENBRAN­D/DPA EC-Karte, die eine Bezahlung ohne PIN-Eingabe ermöglicht: Wer seine Karte für das kontaktlos­e Bezahlen verliert, hat ein Problem.

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