Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Die Belastung nimmt zu

RKI-Chef Wieler bei Entwicklun­g „vorsichtig optimistis­ch“– Dennoch werden mehr Covid-19-Opfer erwartet

- Von Hajo Zenker

BERLIN - Die Corona-Lage in Deutschlan­d bleibt nach Einschätzu­ng des Robert-Koch-Instituts (RKI) sehr ernst. Das Infektions­geschehen nehme weiter in ganz Deutschlan­d zu, Kliniken meldeten zunehmend Engpässe, die Zahl der Intensivpa­tienten und der Toten steige. Wirkt der Teil-Lockdown, der seit knapp zwei Wochen gilt?

Wie sehen die Zahlen aktuell aus? Das RKI meldete am Donnerstag­morgen 21 866 neue Ansteckung­en. Am Tag zuvor waren es 18 487 gewesen. Am Donnerstag vergangene­r Woche hatte der Wert bei 19 990 gelegen. Ein Höchststan­d war am Samstag mit 23 399 Fällen erreicht worden. Für RKI-Chef Lothar Wieler sind diese Zahlen weiter „sehr hoch“, doch sei er „vorsichtig optimistis­ch“, denn: „Die Kurve flacht sich ab“, sagte er am Donnerstag. Es gehe nicht mehr so steil nach oben wie noch im Oktober. Jedoch sei noch nicht klar, ob dies eine stabile Entwicklun­g sei. Zudem wisse man nicht, ob hier schon LockdownMa­ßnahmen griffen oder sich die hundertpro­zentige Auslastung der Labore widerspieg­eln. Insgesamt gelte: „Wir müssen noch ein paar Monate die Pobacken zusammenkn­eifen“, sagte er.

Wie geht es mit dem Lockdown weiter?

Wieler geht davon aus, dass selbst nach einem Ende der momentanen Einschränk­ungen das Leben nicht wie gewohnt weitergehe­n kann. „Maßnahmen werden uns noch lange begleiten. Auch dann, wenn es in absehbarer Zeit einen wirksamen Impfstoff geben könnte.“Es werde leider dauern, bis alle, die das möchten, sich impfen lassen könnten. Bis dahin hänge weiter alles vom Verhalten der Menschen ab. „Auch wenn wir von den hohen Zahlen runter kommen, müssen wir Maßnahmen den ganzen Winter fahren.“Ähnlich äußerte sich auch Gesundheit­sminister Jens Spahn (CDU): Veranstalt­ungen mit mehr als zehn bis 15 Menschen wie Weihnachts­feiern und andere Geselligke­iten sehe er „in diesem Winter nicht mehr“, sagte er. „Dieses Virus hat sehr lange Bremsspure­n.“Auch Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) hatte zuvor davon gesprochen, dass die zweite Welle wegen der Wintermona­te härter werden könne.

Gibt es Hoffnungss­chimmer?

Bei der Ausbreitun­g des Erregers spielt eine große Rolle, wie viele Menschen ein Erkrankter ansteckt. Hier sieht es besser aus: Die Reprodukti­onszahl, kurz R-Wert genannt, lag laut RKI am Mittwochab­end bei 0,89 (Vortag: 0,92). Das heißt, dass zehn Infizierte neun weitere Menschen anstecken. Liegt der Wert für längere Zeit unter eins, flaut das Infektions­geschehen ab. Laut RKI-Vize Lars Schaade sollte die Zahl möglichst „bei 0,7 oder noch niedriger“liegen. Ohne Corona-Maßnahmen würde der R-Wert nach Ansicht des RKI übrigens bei drei bis vier liegen.

Wie sieht es in den Kliniken aus? Hier nimmt die Belastung zu. Laut Wieler sei damit zu rechnen, dass manche Kliniken an ihre Kapazitäts­grenzen kämen. Rund die Hälfte der Krankenhäu­ser in Deutschlan­d melde inzwischen Engpässe. Häufigster Grund sei das Personal, das zum Teil ebenfalls erkranke oder in Quarantäne müsse. Die Belegung der Intensivbe­tten steigt dann auch spürbar. Laut dem Register der Deutschen Interdiszi­plinären Vereinigun­g für Intensivun­d Notfallmed­izin (DIVI) liegen derzeit 3186 Covid-19-Patienten auf Intensivst­ationen, davon müssen 1813 künstlich beatmet werden. Vor zwei Wochen waren es 1696 (826) gewesen. Knapp 6600 Intensivbe­tten sind derzeit nicht belegt. Notfalls müssen laut Gesundheit­sminister Spahn auch positiv auf das Virus getestete Mitarbeite­r von Kliniken oder Pflegeheim­en weiter arbeiten. Die „Rückfallrü­ckfallposi­tion“bevor die Versorgung zusammenbr­eche sei „die positiv Getesteten mit ganz besonderen Schutzvork­ehrungen auch arbeiten zu lassen“.

Was hat das für Folgen?

Die Zahl der an oder mit Covid-19 Verstorben­en steigt – im Schnitt überlebt jeder vierte Corona-Patient die Behandlung in der Intensivst­ation nicht. Laut Wieler werde die Zahl der Intensivpa­tienten und der Toten mit zeitlichem Verzug auch weiter steigen, denn die Intensiv-Patienten haben sich bereits zwei Wochen zuvor angesteckt. Ein Grund für die zunehmende Sterberate ist, dass laut RKI der Anteil älterer Personen unter den Covid-19-Fällen wieder zunimmt – bei Älteren sind schwere Verläufe viel häufiger als bei Jungen. Aktuell ist die Zahl der Todesfälle im Zusammenha­ng mit dem Virus um 215 auf insgesamt 11 982 gestiegen.

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FOTO: KAY NIETFELD/DPA Auf den Intensivst­ationen steigt die Zahl der Patienten, die beatmet werden müssen, deutlich.

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