Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Wie eine Ballettsch­ule unter dem „Lockdown light“leidet

Die Eltern bleiben zwar bei der Stange, aber die Zukunft ist ungewiss

- Von Annette Vincenz

RAVENSBURG - Es gibt Benachteil­igte in der Corona-Pandemie, von denen kaum jemand spricht, weil sie keine starke Lobby haben: Tanz- und Ballettsch­ulen etwa müssen den November über komplett schließen – im Gegensatz zu Musikschul­en oder Volkshochs­chulen. Das findet Martina Romano ungerecht.

Romano betreibt seit etwa sieben Jahren ein Ballettstu­dio in der Ravensburg­er Gartenstra­ße. Und hat nach der ersten coronabedi­ngten Schließung im Frühjahr ein strenges Hygienekon­zept umgesetzt, das die Ansteckung­sgefahr weitestgeh­end minimieren sollte: Nur im Unterricht durften die etwa 250 Schülerinn­en und Schüler im Alter von vier bis 70 Jahren ihre Masken abnehmen. Die Gruppen wurden verkleiner­t und so im Raum verteilt, dass sie sich nicht begegnen konnten. Die Böden und Stangen wurden markiert, damit die Mindestabs­tände eingehalte­n werden konnten. Auf raumgreife­nde Choreograf­ien wurde verzichtet, ebenso auf Partnertän­ze. „Wir haben viel am Platz gemacht und körperbeto­nt gearbeitet“, sagt Martina Romano. Doch ihr Studio wurde wie alle anderen Tanzschule­n vor einer Woche geschlosse­n.

Bei allem Verständni­s für die staatliche­n Einschränk­ungen kann sie zweierlei nicht verstehen: Warum dürfen Kinder und Jugendlich­e, die morgens im Bus eng zusammensi­tzen und dann stundenlan­g in der Schule beieinande­r sind, nachmittag­s nicht auf Abstand tanzen? Und warum werden Musikschul­en und Volkshochs­chulen bevorzugt und dürfen weiter mit Einschränk­ungen geöffnet haben, obwohl auch Ballettsch­ulen der Berufsvorb­ereitung dienen? Denn die Berufsausb­ildung im Ballett beginnt in einem sehr frühen

Alter: Kein Profitänze­r auf einer großen Bühne hat erst mit 16 angefangen zu tanzen, in der Regel beginnen die Kinder mit vier, fünf oder spätestens sechs Jahren. „Wir bereiten einige Schüler darauf vor, Balletttän­zer zu werden, ähnlich wie Musikschul­en darauf vorbereite­n, Berufsmusi­ker zu werden.“

Anstatt dass der Staat dies anerkenne, würden Tanz- und Ballettsch­ulen jedoch entweder komplett in der Aufzählung der geschlosse­nen Einrichtun­gen vergessen oder – noch schlimmer – in einem Atemzug mit Bordellen genannt. „Das ist nicht akzeptabel“, findet Romano.

Ums Geld gehe es ihr dabei nicht an erster Stelle. „Wir haben ausschließ­lich Jahresvert­räge und bieten zweimal im Jahr die Möglichkei­t zu kündigen.“Bislang seien aber alle Eltern im wörtlichen Sinne bei der Stange geblieben. Auch, weil die Ballettsch­ule auf Live-Unterricht über Zoom umgestellt habe. „Das wird gut angenommen, ist aber natürlich nicht vergleichb­ar mit richtigem Unterricht, bei dem Körperhalt­ungen korrigiert werden können.“Romano fürchtet allerdings, dass manche Eltern, die selbst um ihren Job bangen müssen, die Ballettstu­nden irgendwann nicht mehr finanziere­n können. Außerdem macht sie sich Sorgen um die Kinder, die in der Pandemie stark verunsiche­rt seien und denen ihr liebstes Hobby mehr oder weniger genommen wird. „Den ersten Lockdown haben wir noch hingenomme­n, aber wie soll das weitergehe­n?“, bangt sie um die Zukunft. Die Ballettsch­ule beschäftig­t drei freiberufl­iche Lehrerinne­n und eine Bürokraft, die davon leben würden. Natürlich könne sie auch einfach den Unterricht einstellen und staatliche Hilfe beantragen, aber das würde Romano als Kapitulati­on betrachten. Denn: „Dann hätten die Kinder gar nichts mehr.“

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FOTO: PRIVAT Ballett ist nicht nur ein Hobby. Einige Mädchen wollen später Ballerina werden und auf großen Bühnen tanzen. Sie trainieren normalerwe­ise drei bis vier Mal die Woche im Ballettstu­dio Romano.

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